Leben in einem potemkinschen Dorf
Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.
Als Jugendlicher hatte ich einen Traum. Ich glaubte, man müsse den Menschen nur die Wahrheit sagen, dann würden sie alles verstehen und die Welt wäre ein besserer Ort. Weil sie dann natürlich Einfluss auf die Politik nehmen, so glaubte ich, und die wäre dann eben eine zum Wohle der Allgemeinheit. Mein Vater meinte dann lakonisch:
"Junge, glaub mir, die Wahrheit will keiner wissen, und nicht Politiker, sondern Geld regiert die Welt."
Ich dachte bei mir. "Was weiß der Alte schon von moderner Demokratie. Hat er doch als Soldat an mehreren Fronten geholfen, den Krieg Hitlers zu führen." Auch seine Verbitterung über die staatstragenden politischen Parteien, die er „Netzwerke zur Förderung der Karriere“ nannte, schrieb ich seiner Enttäuschung über die Behandlung als Schwerkriegsversehrter zu.
Naja, inzwischen habe ich meine Meinung geändert. Und ich habe mich posthum bei ihm entschuldigt. Ich war naiv, ich glaubte, was man mir sagte, was ich in der Schule lernte, und was ich in den Medien las, ich glaubte daran. So wie heute wieder die Jugend glaubt, was ihnen die Lehrer sagen, über Gendern, Masken, Impfen und gerade den bösen Russen.
Der Journalismus
Ich verschlang damals den Spiegel von den Leserbriefen bis zum Impressum. Ich fuhr mit der Straßenbahn schwarz zur Schule, um das Geld für die Zeitung zu haben, später schrieb ich Aufsätze für Mitschüler, die je Aufsatz 50 Pfennig zahlten, und damit meine Zeitungslektüren finanzierten.
Ein paar Jahre später begann ich zu begreifen, dass es mehrere Wahrheiten gab. Nach einer vergleichenden Untersuchung der Süddeutschen, Frankfurter Allgemeinen, Frankfurter Rundschau und dem Kölner Stadtanzeiger, in der ich einen Monat lang beobachtete, wie diese über verschiedene Ereignisse berichteten, oder sie einfach "vergaßen" begann ich langsam zu begreifen, dass man auf die gleichen Nachrichten vollkommen unterschiedliche Sichtweisen haben konnte.
Damals, Ende der 1960er Jahre waren Nachrichten noch von Kommentaren getrennt. Allerdings auch damals waren schon Unterschiede in den Betonungen, im Weglassen oder in Reihenfolgen von Nachrichten zu erkennen.
Inzwischen wurde aus Betonung und Weglassen offener Haltungsjournalismus. Unterschiede zwischen Nachrichten und Kommentare sind nicht mehr zu erkennen. Journalisten glauben, sie sind die Erzieher der Nation. Und wie sieht es bei den Lehrern aus?
Unsere Lehrer Ende der 1960er Jahre waren stolz darauf, wenn man Bildung nicht einfach auswendig lernte und wiederholte, sondern wenn man sie hinterfragte. Aber auch schon damals war es nur eine Minderheit der Schüler, die sich überhaupt die Mühe machte. Die Mehrheit wiederholte, was der Lehrer sagte, weil die Schüler in dem Glauben waren, damit auf der sichereren Seite zu stehen. Hätten die Lehrer sich eindeutig gegen Demonstrationen geäußert, wären die Schüler nicht gegangen. Im Studium war es nicht anders.
Daher habe ich volles Verständnis für die Mehrheit der heutigen Jugend, die auch nur den Lehrern und Medien folgt, deren empfindliches Gemüt leicht mit Horrorszenarien zu allen möglichen Dingen getrieben werden kann.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich nach dem Lesen des Berichtes vom Club of Rome an den baldigen Weltuntergang glaubte. Alles war logisch. Und es waren führende Wissenschaftler, die damals zum Beispiel erklärten, wie lange nur noch das Öl verfügbar wäre. Natürlich ist nichts unendlich auf dieser Welt, deshalb glaubte ich auch später noch, dass sie sich halt nur um ein paar Jahre verschätzt hatten. Bis ich irgendwann dann sowieso den Glauben an die Wissenschaft verlor.
Der Bericht des Club of Rome hatte aus zwei Gründen weniger Einfluss auf die Jugend gegenüber der heutigen Propaganda in Bezug auf Migration, Corona, die Klimakrise oder die "Aggression Russlands".