Von null auf hundert wird ein barbarischer Hass gegen Minderheiten entfacht. Es handelt sich jedoch mitnichten um eine spontane „Volksempörung“. Die Hetze gegen russische Mitbürger ist geplant. Sie ist ein integraler, unverzichtbarer Bestandteil der Mobilisierung für den heißen Krieg.
Eine Kommentar von Hermann Ploppa.
Willkommen in der neuen deutschen Barbarei! Ich hatte es ehrlich gesagt nicht für möglich gehalten, dass wir nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs so etwas noch einmal in Deutschland erleben würden. Ein russischer Stardirigent wird in München gefeuert, weil er kein Bekenntnis gegen seinen Staatschef Wladimir Putin abgeben wollte. Eine russische Operndiva verzichtete auf weitere Engagements im Wertewesten. Auch sie wollte keine Hetztirade gegen Putin unterschreiben. Aber das sind natürlich Dinge, die nur das Bildungsbürgertum betreffen.
Buchstäblich handfester wird es schon, wenn russische Schüler in deutschen Bildungsanstalten massiv gemobbt werden, nur weil sie Russen sind. Alles schon beschämend genug. Aber was hat ein russischer Gemüsehändler in einem deutschen Großstadtkiez mit Putins Politik zu tun? Kein Witz: in Deutschland klirren schon wieder nachts Fensterscheiben und am Morgen finden die russischen Händler Farbschmierereien an der Fassade vor. Man braucht indes nicht zu glauben, hier handle es sich um spontanen Volkszorn frustrierter deutscher Kleinbürger gegen die russischen Nachbarn. Zu gleichförmig sind die Schmierereien von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen. Keine Frage: irgendwelche Geheimdienste haben hier ganze Arbeit geleistet. Die bezahlten Auftragsschmierer machen die Vorturner, damit dann der lenkbare Mob Anregungen erhält, wie man seinen alltäglichen Erniedrigungserlebnissen ein bisschen Erleichterung verschaffen kann.
Unfasslich: da übt sich die politische Maschine in Deutschland jahrzehntelang in Zerknirschung und in politischer Korrektheit. Um dann auf Knopfdruck die scheindemokratische Fassade fallenzulassen und die hässliche alte Nazifratze wieder freizulegen. Alles nur ein Scherz? Irgendeine Scham über die durch deutsche Waffenträger im Zweiten Weltkrieg ermordeten 28 Millionen Bürger der Sowjetunion war ja leider nie zu erkennen in unserer ach so überlegenen abgeklärten Zivilisation.
Aber das Problem ist bei dem ekligen Russen-Bashing nicht, dass unseren Leitmedien und ihren bezahlten Claqueuren die intellektuelle Trennschärfe abhandengekommen sein sollte. Das ist definitiv nicht der Fall. Die Pogrom-Hetze ist eiskaltes Kalkül. Hier handelt es sich um einen uralten Trick, um die Bevölkerung für den geplanten Krieg zu mobilisieren. Es muss eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zum Sündenbock erklärt werden. Damit die zerstrittene und in Rivalitäten gespaltene Bevölkerung im Hass gegen den Sündenbock zusammengeschweißt wird. Das ist keine unwillkürliche Entgleisung. Nochmal: das ist eiskaltes Kalkül. Es geht darum, dass sowohl die Wähler der Linkspartei als auch Grünen-Wähler als auch AfD-Wähler jauchzend die deutschen Kriegsanstrengungen gegen Russland mit unterstützen. Dass alle zusammen, die sich sonst – mit Verlaub gesagt – mit dem Arsch nicht angucken würden, ein erhebendes Gefühl der Gemeinschaft spüren. Wie bei einer Fußballweltmeisterschaft. Aber eine ausgesuchte Volksgruppe muss gepeitscht werden. Sonst macht das ganze keinen Spaß. WIR gegen DIE.
Das ist so alt wie die Menschheit. Schon für die ollen Römer war Karthago natürlich der Inbegriff alles Schlechten. Aber es kam ein neues Element hinzu: nämlich die Ausschlachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse für diese Einigung durch Ausstoßung. Anfang des Neunzehnten Jahrhunderts entdeckte Siegmund Freud das Unterbewusste und das Unbewusste. Sein Neffe Edward Bernays entdeckte, dass man dieses Unterbewusste prima nutzen kann um den Leuten draußen im Lande etwas zu verkaufen – oder eben zu verekeln. Bernays nannte das neue Kind „Propaganda“, und als das in Verruf geriet,