Ein Standpunkt von Norbert Häring.
Die Inflation ist so hoch wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr, doch die Europäische Zentralbank (EZB) tut sehr wenig um ihr entgegenzuwirken. Auf diese Weise trägt die breite Bevölkerung die Folgen der extremen geldpolitischen Maßnahmen des letzten Jahrzehnts zur Stabilisierung der Finanzmärkte im Dienste der Kapitalbesitzer. Es gäbe durchaus eine Alternative, allerdings nicht innerhalb des von der EZB gesteckten Rahmens.
Im Jahr 2022 hat sich die Lebenshaltung in Deutschland auf das Gesamtjahr gerechnet um 7,9% verteuert. 2021 hatte die Inflationsrate noch 3% betragen. Zum Jahresausklang, im Dezember lagen die Preise um 8,6% höher als im Vorjahresmonat. Den unrühmlichen Höchststand markierte der November mit einer Rate von 10%. Die Lebensmittelpreise sind 2022 um satte 20,7% gestiegen, eine Katastrophe für Haushalte mit engem Budget.
Die Gründe der hohen Inflation
Inflationstreiber sind vor allem die durch die „Sanktionen“ gegen Russland nach oben getriebenen Energiepreise. Ich schreibe Sanktionen in Anführungszeichen, weil Russland Profiteur der hohen Preise ist und wir viel Öl und Gas aus Russland nun stark verteuert auf indirektem Wege beziehen. Es handelt sich also de facto um Sanktionen gegen die deutsche und europäische Bevölkerung.
Die Inflation geht allerdings weit über das durch die höheren Energiepreise verursachte Maß hinaus. Das erkennt man auch daran, dass die Prognosen für dieses Jahr im Bereich von nochmal sechs Prozent über den stark erhöhten Lebenshaltungskosten von 2022 liegen, obwohl sich die Energiepreise zurückbilden.
Der zweite Grund ist das Ausgabenverhalten der Regierung während der Pandemie und der Energiekrise. Sie nahm und nimmt stark erhöhte Defizite in Kauf, gibt also viel mehr aus, als sie einnimmt, auch um Haushalte und Unternehmen zuerst von Einnahmeausfällen, dann vor Kostensteigerungen teilweise abzuschirmen. So schleust sie viel nachfrageförderndes Geld in den Wirtschaftskreislauf, während gleichzeitig durch die Pandemiemaßnahmen, die Klimawende und die Energiepreissteigerungen sehr viel Produktionspotential zerstört worden ist. Stabile oder gar steigende Nachfrage bei gesunkenem Angebot treibt die Preise nach oben.
Der dritte Preistreiber ist die EZB, die durch ihre extremen Niedrigzinsen und vor allem durch ihre riesenhaften Anleihekaufprogramme ebenfalls sehr viel Geld in Umlauf gebracht hat. Dieses Geld wurde, entgegen dem, was uns immer suggeriert wird, vor allem in die Finanzmärkte eingeschleust und sorgte dort für steigende Preise aller Vermögenswerte, von Aktien und Anleihen, über Bitcoin und Rohstoffe bis zu Immobilien. Als Nebeneffekt steigen dadurch auch die Preise in der realen Welt jenseits der gehandelten Eigentumsrechte. Das Bauen wurde teurer, weil alle Welt in Häuser investieren wollte, die Immobilienbesitzer und Aktionäre werden reicher und geben deshalb mehr aus.
Die unzureichenden Gegenmaßnahmen
In Deutschland, wo die Interessen des Kapitals regelmäßig besonders ungeniert privilegiert werden, durften sich die internationalen und heimischen Energiekonzerne und deren Aktionäre ungeniert an den Energiesanktionen gegen das deutsche Volk bereichern, während zum Beispiel Spaniens Regierung durch Eingriffe in die Preisgestaltung die Inflation deutlich niedriger gehalten hat.
Gegenmaßnahmen der Regierung, um den Armen in Anbetracht der massiv gestiegenen Lebensmittelpreise zu helfen? Fast völlige Fehlanzeige.
Was die europäische Zentralbank angeht, so hat sie aufgehört zusätzliche Anleihen zu kaufen und ihre beiden Leitzinsen in den letzten sieben Monaten um drei Prozentpunkte auf 2,5% bzw. 3% angehoben.
Wenn die Inflation um fünf Prozent zunimmt und der Leitzins nur um 3% steigt bedeutet das,