Damit die Europäische Zentralbank (EZB) für den digitalen Euro jegliche Privatsphäre ausschließen kann, will die Kommission klammheimlich das bisherige Recht auf anonymes Bezahlen von Kleinbeträgen im Internet wegfallen lassen. Das Europaparlament soll das im Frühjahr durchwinken. Zeit, dass die Parlamentarier in Brüssel und in den Hauptstädten endlich aufwachen.
Ein Kommentar von Norbert Häring.
Die EZB entwickelt derzeit einen „digitalen Euro“. Wie der digitale Euro grob gestaltet werden soll, hat die EZB im Bericht „Report on a digital euro“ im Oktober 2020 skizziert. Danach wird es sich im Kern um bei der EZB geführte Guthabenkonten für alle Bürger handeln, auf die man direkt oder – wahrscheinlicher – indirekt über Geschäftsbanken Zugriff bekommen wird, um mit den Guthaben zu bezahlen oder Geld auf diesen Konten zu empfangen.
Der wesentliche Unterschied zum digitalen Geld in Form von Guthaben auf Konten bei Geschäftsbanken besteht darin, dass die Guthaben einen Anspruch gegen die Notenbank verbriefen, und nicht gegen eine grundsätzlich konkursanfällige Geschäftsbank. Das hat der digitale Euro mit dem Bargeld gemein, das derzeit die einzige Möglichkeit für Normalbürger und Unternehmen (außer Banken) ist, staatlich garantiertes Geld zu halten. Guthaben auf Geschäftsbankenkonten stellen rechtlich nur einen Anspruch auf Auszahlung in Form von Bargeld dar.
Wichtigster Grund für die EZB, die Einführung eines digitalen Euros voranzutreiben, ist die rückläufige Bargeldverwendung. Man will auf die Zeit vorbereitet sein, wenn Bargeld möglicherweise keine nennenswerte Rolle im Zahlungsverkehr mehr spielt. Da Bargeld bisher das einzige gesetzliche Zahlungsmittel ist, würde der De-Fakto-Wegfall dieses Zahlungsmittels dem zweistufigen Geldsystem seinen rechtlichen Anker nehmen und die Aufgabe der EZB stark erschweren, die Giralgeldschöpfung durch die Banken zu steuern. In diesem Sinne heißt es im ersten Fortschrittsbericht zum digitalen Euro von September 2022 (S.3, eigene Übersetzung):
„Ein digitaler Euro würde die Rolle des öffentlichen Geldes als Anker des Zahlungssystems im digitalen Zeitalter erhalten. (…) Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass privates Geld jederzeit in Zentralbankgeld umgewandelt werden kann. Durch die Bereitstellung eines monetären Ankers spielt Zentralbankgeld eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung eines gut funktionierenden Zahlungssystems, der finanziellen Stabilität und letztlich des Vertrauens in die Währung. Dies wiederum ist eine Voraussetzung dafür, dass die Transmission der Geldpolitik und damit der Wert des Geldes erhalten bleibt.“
Für die Bürger ist Bargeld vor allem deshalb wichtig, weil es praktisch die einzige verbliebene Möglichkeit ist, beim Zahlungsverkehr seine Privatsphäre zu wahren. Deshalb ist eine wichtige Frage, ob der als Ersatz für das Bargeld konzipierte digitale Euro ebenso wie Bargeld anonymes Bezahlen ermöglichen soll. Für die Bürger ist die Antwort klar.
Eine von der EZB durchgeführte öffentliche Konsultation Ende 2020 ergab, dass das Thema Anonymität für diejenigen, die den digitalen Euro nutzen sollen, von vorrangiger Bedeutung ist, und dass der großen Mehrheit die Bewahrung der Möglichkeit zum anonymen Zahlen sehr wichtig ist. Dieser Präferenz widmen EZB-Vertreter regelmäßig Lippenbekenntnisse, nur um im nächsten Satz verbrämt zu sagen: „Das könnt ihr vergessen!“
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