Christoph predigt

Wie soll das möglich sein?


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Gnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn!

26 Elisabet war im sechsten Monat schwanger. Da schickte Gott den Engel Gabriel zu einer Jungfrau in die Stadt Nazaret in Galiläa.  27 Sie war mit einem Mann verlobt, der Josef hieß und ein Nachkomme Davids war. Die Jungfrau hieß Maria.  28 Der Engel trat bei ihr ein und sagte: »Sei gegrüßt! Gott hat dir seine Gnade geschenkt. Der Herr ist mit dir.«  29 Maria erschrak über diese Worte und fragte sich: »Was hat dieser Gruß zu bedeuten?«  30 Da sagte der Engel zu ihr: »Fürchte dich nicht, Maria. Gott schenkt dir seine Gnade:  31 Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesus geben.  32 Er ist zu Großem bestimmt und wird ›Sohn des Höchsten‹ genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vorfahren David geben.  33 Er wird für immer als König herrschen über die Nachkommen Jakobs. Seine Herrschaft wird niemals aufhören.«  34 Da sagte Maria zu dem Engel: »Wie soll das möglich sein? Ich habe doch noch nie mit einem Mann geschlafen!«  35 Der Engel antwortete: »Der Heilige Geist wird auf dich kommen. Die Kraft des Höchsten wird dieses Wunder in dir bewirken. Deshalb wird das Kind, das du erwartest, heilig sein und ›Sohn Gottes‹ genannt werden.  36 Sieh doch: Auch Elisabet, deine Verwandte, erwartet einen Sohn trotz ihres hohen Alters. Sie ist jetzt im sechsten Monat schwanger, und dabei hieß es: Sie kann keine Kinder bekommen.  37 Für Gott ist nichts unmöglich.«  38 Da sagte Maria: »Ich diene dem Herrn. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast.« Da verließ sie der Engel.  (Lukas 1,26-38)

"Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum."

Maria hat nie eine Geburtstagskarte mit so einem Spruch bekommen. Stattdessen bekam sie Besuch von einem Engel. Der kommt nicht als Wunschfee, um ihr eine glückliche Zukunft zu bringen. Im Gegenteil: Dieses einmalige Erlebnis, um das viele andere viel geben würden, wirft ihr ganzes Leben durcheinander. Am Ende ist kein Stein mehr auf dem anderen.

»Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesus geben.  Er ist zu Großem bestimmt und wird ›Sohn des Höchsten‹ genannt werden. «

Irgendjemand dachte sicher, das sei eine gute Nachricht. Für Maria bricht gerade eine Welt zusammen. Ihr kleines, überschaubares Leben im kleinen Dörfchen Nazareth, gibt es nicht mehr. Gerade eben noch war das alles ziemlich vorhersagbar: Noch wenige Monate, dann würde die Teenagerin den Mann heiraten, den ihre Eltern schon lange für sie ausgewählt hatten. Ihre Mutter hat sie darauf vorbereitet: Eine eigene Familie. Kinder bekommen. An Josefs Seite sein. Arbeit gibt es ziemlich viel in der kleinlandwirtschaftlichen Dorfgesellschaft. Aber man hält zusammen und hilft sich gegenseitig. Maria sollte Teil einer neuen Familie werden--Teil von Josefs Familie. Im Haus seiner Eltern würde sie mit einziehen. Gemeinsam mit seinen Geschwistern und deren Partner:innen und Kindern dort wohnen. Die Familie kannte sie sicher schon gut. Auch die zukünftigen Schwiegereltern. Und natürlich Josef. Der war ja Teil von ihrem kleinen Dorf. Da kannte jeder jeden. Und jeder konnte sich ausmalen, was für ein Paar die beiden abgeben würden. Nur einen Steinwurf von Nazareth entfernt baute König Herodes eine nagelneue Stadt--mit Schulen, Schwimmbädern, Theatern und allen Annehmlichkeiten der damaligen Welt. Für Bauarbeiter wie Josef gab es dort viel Arbeit. Ein gesichertes Auskommen. Soziale Aufstiegsmöglichkeiten. Eine hoffnungsvolle Zukunft.

Als der Engel fertig ist, gibt es das alles nicht mehr.

»Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesus geben.  Er ist zu Großem bestimmt ... Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vorfahren David geben.  Er wird für immer als König herrschen...«

Gott greift in die Geschichte ein. Gott wird ein Teil des Ganzen. Einer von uns. Sein Reich trifft unsere Realität.

Wie Maria wohl all die steilen Sätze von Weihnachten gehört haben würde?

»Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesus geben.  Er ist zu Großem bestimmt...«

Was macht eine vielleicht Zwölf, Dreizehnjährige -- damals das heiratsfähige Alter für Mädchen -- mit so einem Anspruch? Mit so einer Zumutung?

»Wie soll das möglich sein?«

»Wie soll denn das gehen? Ich habe doch noch nie mit einem Mann geschlafen!«

Wie soll denn das gehen?

Die unendliche Überforderung spricht aus diesem jungen Mädchen. Wie soll denn das funktionieren? Wie soll denn ich das schaffen? Wie kann man den mir mit so einer Ansage kommen?

Wie soll das möglich sein?

Sind wir nicht alle ein wenig Maria?

Wenn du in der Schule oder im Studium mit Aufgaben überhäuft wirst, ständig Prüfungen schreibst und von dem neuen Stoff nur die Hälfte verstehst...

Wie soll das möglich sein?

Wenn das Kind zahnt und du die dritte Nacht in Folge kaum geschlafen hast...

Wie soll das möglich sein?

Wenn die To-Do-Liste viel länger ist, als der Tag Stunden hat...

Wenn dich der Spagat zwischen Familie, Karriere und gesellschaftlichen Verpflichtungen schier auseinanderreißt...

Wie soll das möglich sein?

Wenn die Mutter plötzlich zum Pflegefall wird und jetzt mit versorgt werden muss...

Wie soll das möglich sein?

Wenn das Konto überzogen und der Monat erst zur Hälfte um ist...

Wenn du mit 50 deinen Job verlierst und die Aussichten äußerst schlecht sind...

Wie soll das möglich sein?

Wenn du merkst, wie du selbst älter wirst, wenn nicht mehr alles so funktioniert, wie früher, aber die Erwartungen (auch an dich selbst) noch die gleichen sind...

Wie soll das möglich sein?

Wenn die Gesundheit nachlässt und du keine Ahnung hast, wie lange du das alles noch durchhalten kannst...

Wenn du bei all der Veränderung und all den neuen Dingen überhaupt nicht mehr durchblickst?

Wie soll das möglich sein?

Wenn der Partner, die Partnerin stirbt und du plötzlich alleine bist...

Wenn die Besuche immer weniger werden und du das Gefühl hast, nicht mehr gebraucht zu werden...

Wenn dir die Einsamkeit schier das Herz zerreißt...

Wie soll das möglich sein?

Wenn du merkst, sie haben recht, die dir sagen, du kannst nicht mehr alleine zu Hause leben...

Wenn du das geliebte Heim gegen einen Platz im Seniorenzentrum tauschen sollst... Im Alter noch einmal völlig neu beginnen...

WIe soll das möglich sein?


Sind wir nicht alle ein wenig Maria?


Dann sollten wir dringend auch auf diesen Engel hören. Der bringt nämlich die Antworten gleich mit.


"Fürchte dich nicht", sagt der Engel. Das ist nicht nur Engel-Slang für "Hallo", auch wenn das die Engel irgendwie ständig sagen. Es ist einfach das, was wir hören müssen. "Fürchte dich nicht." Hab keine Angst! Fasse Mut! Lass dich von dem, was vor dir liegt, nicht überwältigen. Es gibt keinen Grund, davor zu zittern. Gott ist ja bei dir. Das müssen wir regelmäßig neu hören.

Mir hat das noch kein Engel gesagt. Aber gehört haben wir es alle schon. Schon bei der Taufe, ganz am Anfang, war das Gottes Zuspruch. "Fürchte dich nicht. Siehe, ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein." Mit anderen Worten: Du kannst dein Leben zuversichtlich leben: Ich, Gott, habe alles Wichtige schon für dich getan. Ich vergesse dich nicht. Ich sehe dich. Ich kenne dich ganz genau. Ich spreche dich persönlich an: Du gehörst zu mir. Ich bin immer an deiner Seite. Es gibt keinen Grund zur Angst.

Und wenn dir dann doch die Knie weich werden, dann schau auf Gott. Schau auf Christus. "In der Welt, da habt ihr Angst", sagt der. "Aber: Seid getrost. Ich habe die Welt besiegt."

Fürchte dich nicht, Maria!


"Gott schenkt dir seine Gnade", sagt der Engel. Das ist die beste Nachricht für die, die nicht immer alles auf die Reihe bekommen. Also für mich, zum Beispiel. Für dich vielleicht auch. "Gott schenkt dir seine Gnade." Wenn wir in der Kirche über "Gnade" reden, solltest du da immer Gottes unverdiente Zuwendung heraushören. "Unverdient" ist hier das Schlüsselwort. Bei Gott musst du kein Superheld sein, um geliebt, begleitet und gehalten zu werden. Du musst nicht erst alles richtig machen, alles perfekt hinbekommen. Du musst nicht besonders heilig sein, oder besonders fromm oder besonders mutig. Was Gottes Bote einem Teenager-Mädchen aus Galiläa sagt, das sagt er durch Christus auch zu uns: Ich mag dich nicht erst, wenn du irgendeine Leistung bringst. Meine Liebe, meine Zuwendung, meine Begleitung in deinem Leben, die ist ein Geschenk. Bedingungslos. Erwartungslos. Gratis. Einfach so. Ich mag dich. Das kann dir keiner nehmen.

Wenn du das nächste mal am Boden zerstört bist, dann schau in den Spiegel. Richte dich auf. Brust raus, Bauch rein. Schultern gerade, Kopf hoch. "Gott mag mich." Das ist doch was!

Gott schenkt dir seine Gnade, Maria!


"Der Heilige Geist soll auf dich kommen", sagt der Engel. Davon hat Maria sicher schon gehört. Von den großen Helden der Geschichte Israels erzählt man sich das. Von Mose und Elia. Von Propheten und von Königen. Menschen, die Gott sich erwählte, um durch sie an allen zu handeln--denen gab er seinen Geist. Kraft und Zurüstung für das, was zu tun war. "Der Heilige Geist soll auf dich kommen", sagt der Engel zu einem einfachen Mädchen. Gott lässt dich nicht allein in dieser Sache. Er ist selbst mit dabei. Um dich. In dir. Er gibt dir Kraft und Leitung. Er schenkt Weisheit und Mut zum nächsten Schritt. Du kannst das nicht alleine? Alleine musst du gar nichts tun! Vertrau auf ihn! Er ist dabei!

Wenige Jahre später gibt Gott seinen Geist allen, die auf ihn vertrauen. Die Gemeinschaft der Geist-begleiteten nennen wir seit diesem Pfingstfest "Kirche". Wir selbst sind Teil davon. Gott lebt in uns durch seinen Geist. Er beschenkt uns mit Weisheit und Mut, mit Kraft und Fähigkeiten, er wirkt in, an und durch uns. Es ist doch nicht nur ein nettes Liedchen, wenn wir jetzt wieder singen: "Sein heil'ger Geist uns führ und leit den Weg zur ew'gen Seligkeit..." Wir sind nicht allein. Vertrau auf ihn! Er ist dabei!

Der Heilige Geist soll auf dich kommen, Maria.


"Für Gott ist nichts unmöglich", sagt der Engel. Er lenkt den Blick weg von dem Spiegel, aus dem ein kleines, verängstigtes Mädchen schaut. "Wie soll das möglich sein?" Er lenkt den Blick hin zu dem, von dem das alles kommt. Hin zu dem, der hier am Wirken ist. Hin zu dem, der Gnade, Mut, Kraft und Be-geisterung versprochen hat. Kleines Mädchen--großer Gott. Kleine Fähigkeiten--großer Gott. Kleine Hoffnung--großer Gott. Egal, was du in deinem Spiegel siehst--Gott macht das kein Stückchen kleiner. "Für Gott ist nichts unmöglich", sagt der Engel. Vertrau auf ihn, an deiner Seite!

Du hast einen großen Gott, Maria.


Sind wir nicht alle ein wenig Maria?

Dann hört doch mit ihr auf den Engel!

"Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.", sagt der nicht. Und trotzdem bekomme ich ein wenig den Eindruck er könnte für Hallmark (oder besser für Kawohl) Karten schreiben. Sind das nicht genauso leere Sprüche? Seichte Durchhalteparolen, wenn es nichts Greifbares gibt, auf das man sich verlassen kann. Fürchte dich nicht? Gott schenkt dir seine Gnade? Der Heilige Geist soll auf dich kommen? Für Gott ist nichts unmöglich?

Echt jetzt?

Was besseres ist dir nicht eingefallen?


Sind wir nicht alle ein wenig Maria?

Nein, sind wir nicht!

Und genau in dem, was Maria von uns unterscheidet, liegt die Lösung des Ganzen. In ihrem Bauch wächst nämlich nach dem "englischen" Besuch ein Kind. Und was für eines!

»Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesus geben.  Er ist zu Großem bestimmt und wird ›Sohn des Höchsten‹ genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vorfahren David geben.  Er wird für immer als König herrschen über die Nachkommen Jakobs. Seine Herrschaft wird niemals aufhören.«

In diesem Kind bricht Gottes Herrschaft an auf dieser Welt--über all die Dinge, die uns fragen lassen: "Wie soll das möglich sein?"

In diesem Kind kommt Gott selbst ins Bild. Er tritt an unsere Seite.

Er selbst ist es, der uns sagt, "Fürchte dich nicht." und er selbst ist der Grund, warum wir keine Angst mehr haben brauchen. Schau auf Jesus, schau auf dieses Kind, und du siehst, wie Gott selbst der Finsternis, dem Bösen und dem Tod die Stirn bietet--und sie besiegt!

Dieses Kind ist die Gnade, die Gott uns unverdient schenkt. Er gibt sich selbst. Komplett. Rückhaltlos. Er ist bereit, alles auf sich zu nehmen um unseretwillen. Wer Jesus, dieses Kind, sieht, weiß, dass Gottes Wille, zu mir zu halten, keine Grenzen kennt.

Dieses Kind ist der, der durch Gottes Geist in uns wohnt: "Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit!" (nach Kolosser 1,27-28). Er wurde nicht nur vor langer Zeit geboren, irgendwo weit weg in Bethlehem. Wenn heute noch einmal Advent ist, dann um dich daran zu erinnern: Gott kommt auch zu dir. Christus ist Teil deines Lebens. Und er hat längst zu dir gesagt: "Du bist mein."

Dieses Kind ist das Zeichen, dass für Gott wirklich nichts unmöglich ist. Durch ihn, durch Jesus, macht Gott alles möglich: Leben, echtes Leben, sein ewiges Leben, für uns--und wir mit ihm, für immer.

Dieses Kind ändert alles.

Für Maria. Und für uns auch.


Vielleicht sind wir also doch ein wenig Maria.

Das wäre gut, denn die kann sich am Ende überschwänglich freuen. Ihr Gebet ist kein frommes Gelaber, kein seichter Wortfetzen wie "lebe deinen Traum". Es zeugt davon, dass Gott echt und ehrlich unendliche Freude und Hoffnung schenkt. Vielleicht können wir ja heute mitbeten? Das wäre tatsächlich möglich!

Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes;... Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währet für und für bei denen, die ihn fürchten.

Amen.

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Christoph predigtBy Christoph Fischer


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