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„Wie viel Zeit, denkt ihr, haben wir?“ | Von Paul Soldan


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Ein Standpunkt von Paul Soldan. 
Thomas Sankara kam 1983 mit 33 Jahren infolge einer Revolution im westafrikanischen Land Burkina Faso an die Macht und wurde vier Jahre später durch seinen engsten Vertrauten ermordet. Unter Sankaras Führung entwickelte sich Burkina Faso für kurze Zeit zu einem Zentrum des internationalen Widerstandes gegen koloniale Strukturen, wodurch Sankara für die Großmächte zur Bedrohung wurde. Nach seinem Tod kehrte die neokoloniale Ausbeutung nach Burkina Faso zurück. Für viele Afrikaner ist Sankara bis heute ein Symbol für Freiheit, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung.
Thomas Isidore Noël Sankara wird am 21. Dezember 1949 in Yako, einem kleinen muslimischen Dorf, im Norden von Obervolta – der damalige Name Burkina Fasos – geboren und verbringt seine Kindheit in Gaoua im Süden des Landes. Obervolta liegt südlich der Sahara inmitten Westafrikas, ohne Zugang zum Meer. Seine religiösen Eltern hatten eigentlich eine Ausbildung zum Priester für ihn vorgesehen; er aber entscheidet sich dagegen und wählt den Besuch eines Gymnasiums in Bobo-Dioulasso, nach der Hauptstadt Ouagadougou, der zweitgrößten Stadt des Landes. Der ursprüngliche Plan des jungen Thomas Sankara ist es, Medizin zu studieren und Arzt zu werden. Dafür hofft er, einen Stipendiumsplatz zu gewinnen, was aber nicht gelingt, woraufhin er sich für eine Militärschule – das sogenannte Militär-Prytaneion – entscheidet.

Lage Burkina Fasos in Westafrika | Karte: Wikipedia Commons, CC BY-SA 3.0
Während dieser Zeit freundet er sich mit seinem Geschichtslehrer an, einem der Anführer der marxistisch-leninistischen Linken Obervoltas sowie einem der ersten afrikanischen Professoren überhaupt. Dieser lehrt, dass Geschichte sich in Bewegung befindet und der Mensch einen gewissen Einfluss nehmen kann. Sankara beginnt erstmals, sich für Politik zu interessieren.
„Wer mit einer tödlichen Schusswaffe in Habachtstellung vor einer Fahne Befehle empfängt, ohne zu wissen, für wen und was, wird zum potenziellen Verbrecher. Er wartet nur auf das Signal, um Furcht und Schrecken zu säen. Wie viele Soldaten treiben ihr Unwesen in einem Land oder auf einem Schlachtfeld? Wie viele sorgen für Verzweiflung, ohne zu begreifen, dass sie gegen Männer und Frauen kämpfen, die die gleichen Ideale haben wie sie? (...) Ein Soldat ohne politische und ideologische Bildung ist ein potenzieller Verbrecher.“
Seine Offiziersausbildung absolviert er in Madagaskar, für ihn ebenfalls eine prägende Zeit. Nach seiner Rückkehr nach Obervolta wird er der Abteilung Wehrtechnik der Luftwaffe in Bobo-Dioulasso zugeteilt und zum Fallschirmjäger ausgebildet. Dort lernt er auch den künftigen Hauptmann Blaise Compaoré kennen, der zu seinem engsten Weggefährten wird, ihn jedoch am Ende verrät.
Jahre der politischen Umwälzung
Frankreichs ursprüngliches Interesse an dem Gebiet des späteren Burkina Fasos lag Ende des 19. Jahrhunderts darin, aus der bevölkerungsreichen Gegend Arbeitskräfte zu gewinnen sowie das Gebiet als Bindeglied für seine Besitztümer an der Küste im Westen und im Sahel im Osten zu benutzen. Wichtige Agrar- und Rohstoffe waren später zum einen Baumwolle und zum anderen Gold, deren Förderung zum Ende des 20. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung gewann. Heute gehört Burkina Faso zu den größten Goldproduzenten in Afrika.
Der Beginn der achtziger Jahre ist in Obervolta von politischen Umstürzen geprägt. 1980 putscht das Militär unter Führung von Oberst Saye Zerbo gegen den seit 1966 amtierenden Präsidenten Lamizana und ergreift die Macht; Zerbo wird neuer Präsident. Die neue Militärregierung erwartet von Sankara, dass dieser einen Ministerposten bekleidet. Er selbst lehnt dies eigentlich ab, beugt sich aber dem Befehl und wird mit gerade 31 Jahren Staatsekretär für Kultur und Information. Da er nun selbst Teil einer Regierung ist, deren Ansichten er nicht teilt, gerät der junge Minister in einen Gewissenskonflikt. Am 12.
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