Im Jahre 1992 wurde in Österreich mit dem neuen § 3h des Verbotsgesetzes die Leugnung, Verharmlosung, Gutheißung und Rechtfertigung des „nationalsozialistischen Völkermordes oder anderer nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verboten, wenn dies „in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder […] sonst öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird“ geschieht. Das Strafmaß dafür beträgt 1 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe, bei besonderer Gefährlichkeit bis zu 20 Jahre.
Vergleicht man die heutige politische Entwicklung mit der Zeit des Nationalsozialismus – z.B. die Ausgrenzung von Juden und Ungeimpften –, gilt das als Gleichsetzung und damit als Relativierung bzw. Verharmlosung dieser Verbrechen. In Österreich ist das also strafrechtlich relevant und auch in Deutschland ziehen derartige Vergleiche inzwischen Anzeigen nach sich. Welche Folgen hat das? Will man die Menschen zum Schweigen bringen? Und was, wenn Nachgeborene der Shoah-Überlebenden diesen Vergleich anstellen? Will man auch denen unterstellen, die Shoah zu leugnen? Diese Fragen beantworten mehrere Betroffene offen und eindeutig im Interview.
Ein Beitrag von und mit Andrea Drescher.
Ein Freund aus dem jüdischen Studentenverband in Frankfurt sagte mir Anfang der 80er Jahre: „Das 1000-jährige Reich lebt in den Kindern der Opfer weiter.“ Die ganze Tragweite dieses Satzes wurde mir aufgrund meiner Panik-Reaktionen erst beim 1. Lockdown 2020 wirklich bewusst, da ich mich sofort in die Vergangenheit meiner Mutter zurückversetzt fühlte.
In Österreich ist es aber aufgrund des Verbotsgesetzes nicht erlaubt, irgendeinen Vergleich in dieser Hinsicht zu ziehen, ohne zu riskieren, vor Gericht gestellt und verurteilt zu werden, weil man damit die Shoah verunglimpfen oder leugnen könne. Ein Schicksal, das beispielsweise Dr. Jaroslav Belsky ereilt hat.
Die Shoah zu verunglimpfen oder gar zu leugnen ist für Menschen, deren Angehörige die Shoah überlebt haben, ein unfassbarer Gedanke. Es ist aber gerade für Nachgeborene der Shoah-Überlebenden eine Selbstverständlichkeit, Diktaturen, die eine Shoah erst möglich gemacht haben, zu verhindern. Der Blick von Menschen, die von Shoah-Überlebenden erzogen wurden, ist vermutlich auch in Hinsicht auf die Anfänge wie Diskriminierung oder Ausgrenzung geschärft. Das sind nur zwei von vielen Aspekten, die dazu geführt haben, dass es damals erst so weit kommen konnte.
In Österreich ist es verboten, diesen Vergleich zu ziehen. Wie kann man aber besser vor diesen Anfängen warnen, als die Parallelen zu den Anfängen von damals aufzuzeigen? Ist es also in Österreich verboten, den Anfängen zu wehren, wenn man für den Vergleich für bis zu 10 Jahre ins Gefängnis gesteckt werden kann? Eine Frage, die sich jeder selbst beantworten muss.
Menschen, deren Familien die Shoah durchleben mussten, sind daher nicht bereit, sich ihren Blick auf die Jetzt-Zeit und den aus ihrer Sicht dringend notwendigen Vergleich verbieten zu lassen. Einige dieser Menschen kommen hier zu Wort.
Alle Gesprächspartner haben deutlich gemacht, dass es nicht darum geht, den industriellen Massenmord der Nazis mit der heutigen Zeit zu vergleichen. Allen ist es ein Anliegen, den Anfängen zu wehren, und die Anfänge sind für uns alle mehr als deutlich erkennbar.
Ein Holocaust-Opfer kommt zu Wort
Man darf aber die Deutungshoheit, was Wiederbetätigung ist, nicht jenen überlassen, die daraus politisches Kleingeld machen. Als Erstes sollte man jene zu Wort kommen lassen, die unter diesem Menschheitsverbrechen gelitten haben. Daher soll Vera Sharav, eine der wenigen noch Überlebenden der Shoah, zitiert werden, die das, was alle Gesprächspartner vorantreibt, in klaren Worten ausdrückt.
Auf ihrer Webseite findet man ihre gesamte Arbeit, mehrere Interviews und Pressekonferenzen, die die engagierte alte Dame in den letzten Monaten gegeben hat.