Ein Standpunkt von Norbert Häring.
Das ZDF setzt sich mit der These auseinander, die USA könnten für die Sabotage der Gaspipelines Nordstream 1 und 2 von Russland nach Deutschland verantwortlich sein. Weil es angesichts der Informations- und Indizienlage sehr schwer ist, das auszuschließen, geht der Sender bis an die Grenze dessen, was man mit faulen stilistischen und psychologischen Tricks erreichen kann.
Beitrag von zdf.de vom 1.10.2022
Zu den wichtigsten Tricks von Faktencheckern, die es als ihre Aufgabe ansehen, unbequeme Thesen oder Informationen zu diskreditieren, gehört es, eine Aussage so zu verzerren, dass man sie leichter abbügeln kann. Und so heißt es schon in der Dachzeile des ZDF-Beitrags unpassender Weise „Gerüchte zur Nord-Stream Sabotage“. Es geht aber, abgesehen vielleicht von unwichtigen Randmeinungen, nicht um Gerüchte, sondern um die These, dass die Fokussierung auf die russische Regierung als mögliche Täterin unangemessen ist, weil eine Täterschaft der USA mindestens ebenso plausibel ist, wenn nicht plausibler. Das ist kein Gerücht, sondern eine Einschätzung.
Nur durch die Verzerrung in der Dachzeile, kann man so tun als wäre die Behauptung in der Überschrift „Experten: Keine Belege für US-Beteiligung“ eine Widerlegung der untersuchten These. Dass es Belege gäbe, behauptet aber so gut wie niemand. Diskutiert wird über Interessenlagen und Indizien, nicht über „Belege“.
Verunglimpfen statt argumentieren
Wenn dann ein Faktencheck mit dem Satz beginnt:
„Befeuert von Russland mutmaßen Verschwörungsfans über eine US-Beteiligung an der Sabotage der Nord-Stream-Pipelines“,
dann ahnt man, dass es mit echten Argumenten eher schlecht bestellt sein wird. Sonst müsste man nicht schon vorab jeden, der die angeblich geprüfte These in den Mund nimmt, als von Russland befeuerten Verschwörungsfan verunglimpfen.
„Verschwörungsfan“ ist ein interessanter neuer Ausdruck.
Es geht weiter mit einem Appell, einfach denen zu glauben, die etwas davon verstehen:
„Experten halten das für unwahrscheinlich und Desinformation.“
Wer die Experten sind, und ob auch andere als Nato-Experten, bleibt erst einmal offen. Eine begründete Mutmaßung über eine Wahrscheinlichkeit als „Desinformation“ zu bezeichnen, wenn niemand weiß, wer es tatsächlich war, ist eine eigenwillige Interpretation. In einer offenen Gesellschaft würde man sagen, zwei Menschen oder Lager haben unterschiedliche Einschätzungen, die unterschiedlich gut begründet sein können. Wenn zweifelsfrei feststeht, wie es war, kann man von Desinformation sprechen, wenn jemand das Gegenteil behauptet.
Es geht weiter mit:
„Wer die Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee durchgeführt hat, ist bislang nicht geklärt. Nahezu alle Fragen sind unbeantwortet.“
Spätestens nach diesen Sätzen hätte der Faktenchecker alles was davor steht, umschreiben müssen. Er hätte sich darauf beschränken müssen, zu argumentieren, warum die angegriffene These von der möglichen (!) Täterschaft der USA weniger plausibel ist als die eigene von der Täterschaft Russlands. De facto tut er ab hier auch nichts anderes, aber der Tenor, den er im Einstieg gesetzt hat, ist ein ganz anderer.
„Die große Mehrheit (der Expertinnen und Experten) hält eine Beteiligung Russlands für die naheliegendste Option“,
lautet die steile Behauptung des ZDF. Spätestens wenn man eine Mehrheit postuliert, wäre zu klären, wie der Kreis der „Expertinnen und Experten“ abgegrenzt ist. Wenn das nicht geschieht, sind solche wohlfeilen Behauptungen ein billiges Mittel d...