"Man kann sehr viel durch Vergleiche beibringen" - Lore Lorentz zu ihrer bevorstehenden Professur an der Folkwang-HochschuleOft nannte man sie "die Prinzipalin" und ihre Devise, der sie stets treu geblieben war, lautete "Was man angreift, muss angreifbar sein, wie man das macht - unangreifbar". Lore Lorentz schrieb im Nachkriegsdeutschland Kabarettgeschichte und setzte gemeinsam mit ihrem Mann Kay Lorentz im Laufe der Zeit mit dem Kabarett "Kom(m)ödchen" hohe Maßstäbe in der bundesdeutschen Kleinkunstszene und wurde selbst zu einer Legende.
Der "Tauschhandel"
Lore Lorentz wurde am 12.9.1920 in Mährisch-Ostrau als Tochter eines Ingenieurs geboren. Nach dem Abitur, das sie ebenfalls dort machte, studierte sie in Wien und Berlin Geschichte, Germanistik und Philosophie. In Berlin lernte sie in einem Seminar ihren künftigen Ehemann Kay Lorentz kennen. Noch während des Krieges, 1944, heiratete das Paar, das von nun an unzertrennlich bleiben sollte. Und das sowohl privat, wie auch im beruflichen Leben. Denn entgegen den ursprünglichen Plänen siedelten sie nicht in die USA über, sondern ließen sich in Düsseldorf nieder. Hier beschloss das Paar eine Kabarettbühne zu gründen. Über die Eröffnugsumstände wusste die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 25.2.1994 folgendes zu berichten: "War oder schien damals doch alles möglich, auch ein Tausch wie dieser: Eine Leica erst gegen 36 Päckchen Pall Mall einzuhandeln und für die Zigaretten dann Ziegelsteine, Vorhangstoff und zwei Lampen zu erhalten. Als Startkapital für ein Kabrett in der Düsseldorfer Altstadt reichte das erst einmal aus...". Die Kleine Literaten-, Maler- und Schauspielbühne 'Kom(m)ödchen' konnte nun am 29.3.1947 ihre Premiere mit dem Programm "Positiv dagegen" feiern. Die verblüffende Schreibweise des "Kom(m)ödchens" wird unter anderem auf den Duden zurückgeführt, der zur damaligen Zeit dieses Wort sowohl mit einem wie auch mit zwei "m" zuließ (steffi-line.de). Für Lore Lorentz sollte diese Premiere den Aufstieg zur "profiliertesten Kabarettistin der deutschen Kleinkunstbühne" ("Der Spiegel", 28.2.1994) bedeuten.
Von der Kasse auf die Bühne
Dass Lore Lorentz bei der Premiere des "Kom(m)ödchen" auf der Bühne stand, war eigentlich ein Zufall. Ursprünglich sollte sie nur an der Kasse sitzen, jedoch weil die Hauptdarstellerin kurzfristig abgesagt hatte, musste sie als Ersatz herhalten. Und dies erwies sich bald als eine glückliche Fügung: innerhalb kürzester Zeit wurde sie zum Mittelpunkt der Programme. "Die Welt" vom 24.2.1994 schrieb in diesem Zusammenhang unter anderem: "Intellektuell, kühl und von unnachahmlicher Eleganz waren ihre Auftritte, bei denen Politiker aller Couleur ihr Fett abbekamen." Und eben dieser Vortragsstil machte sie so unverwechselbar. Bald wurde sie auch außerhalb Düsseldorfs bekannt. Ihre Popularität steigerte sich nicht zuletzt auch Dank der Fernsehübertragungen ihrer Programme, in denen sie spitzzüngig und bissig die gesellschaftliche Realität ihrer Kritik unterzog. Ihre kritischen Pointen waren unter anderem ein Dorn im Auge für den damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß, der 1959 ein Verbot der Fernsehübertragungen für ein Jahr durchsetzte. Der Erfolg des "Kom(m)ödchens" hatte aber auch mehrere Väter. Die besten Autoren der Nachkriegszeit wie Eckart Hachfeld, Martin Morlock oder auch Werner Franke steuerten ebenfalls ihre Beiträge zu den Programmen bei. Und eben die scharfsinnige Gesellschaftskritik sollte für das Kabarett von Lore Lorentz zum Markenzeichen werden.
Solistin und Professorin
Das "Kom(m)ödchen" wurde bald auch außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik bekannt. Als erstes deutsches Kabarett nach dem Zweiten Weltkrieg gastierte die Bühne in Frankreich, in der Schweiz, in Großbritannien, in den Niederlanden und sogar in Übersee, in den USA, und "galt als Spiegel eines Deutschland, das 'wieder ein Gewissen' hat" (Steffi-line.de). In über 50 Programmen war Lore Lorentz zu sehen, wobei sie sich im Laufe der Jahre zunehmend auf Solo-Programme konzentrierte und Texte von Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Bertolt Brecht oder auch Heinrich Heine interpretierte. Unvergessen bleiben unter anderem ihre Solo-Auftritte "Das gestrichene M" oder "Lore Lorentz präsentiert die Pürkels", die das Publikum begeisterten. Zu sehen war Lore Lorentz aber auch auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses und in manchen Operetten-Produktionen, wo sie einige Rollen übernahm. Ihre Erfahrungen vermittelte die "Kassandra des Kabretts" ("Frankfurter Allgemeine Zeitung", 25.2.1994) an der Folkwang-Hochschule, wo sie von 1976 an in den Fächern Chanson, Song und Musical lehrte. Zwei Jahre später wurde sie auch zur Professorin ernannt. Daneben wurden ihr auch andere Auszeichnungen im In- und Ausland zuteil: so wurde sie unter anderem mit dem "Ehrenpreis zum Deutschen Kleinkunstpreis" oder auch mit der "Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft" geehrt. Eine Ehrung mit dem Bundesverdienstkreuz lehnte das Ehepaar Lorentz ab. Lore Lorentz starb am 22.2.1994 in Düsseldorf. Die Gazetten ehrten in zahlreichen Nachrufen das Andenken an die außergewöhnliche Kabarettistin. So schrieb "Der Spiegel" vom 28.2.1994 unter anderem: "Indem sie das Kabarett gesellschaftsfähig machte, erreichte sie genau jene Leute, die von ihr zu hören bekamen, was sie eigentlich nicht hören wollten."
Im März 1976 sprach DW-Redakteur Horst Pomsel über ihre bevorstehende Professur an der Folkwang-Hochschule und über die Zukunft des Kabaretts.
Autor: Andreas Zemke
Redaktion: Uta Hardes-Schmeißer