Ein Standpunkt von Rüdiger Rauls.
Am 18. Oktober dieses Jahres hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossen, zur Vorbereitungsphase des digitalen Euro überzugehen. Diesem Beschluss war eine zweijährige Untersuchungsphase vorausgegangen. Damit ist die europäische Währung gegenüber der russischen und besonders der chinesischen weit im Hintertreffen. In Deutschland ist der digitale Euro sehr umstritten.
Aussichten
Von offizieller Seite wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vorbereitungsphase noch nicht mit einem Beschluss über die Einführung des digitalen Euros gleichzusetzen ist. So betont Burkhard Balz, Mitglied im Vorstand der deutschen Bundesbank, dass nicht die Europäische Zentralbank (EZB) das weitere Vorgehen bestimmt.
„Das Europäische Parlament und der Europäische Rat müssen über die Einführung des digitalen Euro entscheiden. Zum Teil sind wohl auch Entscheidungen der nationalen Parlamente erforderlich“(1).
Aber angesichts der bereits erfolgten Vorbereitungen mit dem entsprechenden finanziellen Aufwand und besonders des Drucks, der von den weltweiten Entwicklungen in dieser Frage ausgeht, dürfte eine Absage an dieses Vorhaben unwahrscheinlich sein. Denn inzwischen arbeiten „93% der Zentralbanken weltweit“(2) an einer Digitalisierung ihrer Währung. Besonders die größten Konkurrenten des politischen Westens sind mit ihren Entwicklungen schon wesentlich weiter.
So hat die russische Zentralbank bereits in diesem Jahr die Einführung des digitalen Rubel bei 13 Banken und mit 600 Einzelpersonen in Angriff genommen. Praktisch bedeutet das, dass „an 30 Verkaufsstellen in elf russischen Städten“(3) mit der digitalen Währung bezahlt werden kann. Ab 2025 soll sie dann an alle interessierten Russen ausgegeben werden.
Noch weiter ist China mit seinem digitalen Yuan. „Nach fast acht Jahren Forschung wurde der e-CNY [elektronischer Yuan] bei den Olympischen Winterspielen 2022 das erste Mal“(4) sogar für Ausländer freigegeben. Im Januar desselben Jahres war die von der chinesischen Notenbank bereitgestellte App für die Einrichtung digitaler Geldbörsen (wallets) „bereits 261 Millionen“(5) mal heruntergeladen worden. Das entspricht fast einem Fünftel der chinesischen Bevölkerung.
Neue Wege
Wie bei der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative = BRI) waren auch die chinesischen Anstrengungen zur Schaffung des digitalen Yuan vom politischen Westen anfangs belächelt worden. In der Gewissheit, mit Dollar, Euro, Schweizer Franken und britischem Pfund als Reserve-Währungen die weltweiten Waren- und Finanzströme zu beherrschen, sah man vermutlich wenig Grund für die Digitalisierung der eigenen Zahlungsmittel. Man fühlte sich der eigenen Vorherrschaft auf Dauer sicher und unangreifbar.
Mit dem Aufkommen des Bitcoin(6) deuteten sich neue Entwicklungen an als Reaktion auf die Verunsicherungen, die die Finanzkrise von 2007/8 bei vielen Menschen hervorgerufen hatten. Die Kryptowährungen sollten dem Staat die Kontrolle über die Privatvermögen der Bürger entziehen und sie zudem absichern gegenüber Verwerfungen, die von der Verschuldung der Staaten und Unternehmen sowie einer daraus möglicherweise entstehenden Inflation befürchtet wurden.
Während das westlich orientierte Finanzsystem sich noch gegen den Bitcoin sperrte, hatte die chinesische Regierung schon sehr bald die Vorteile der Blockchain-Technologie, die dem Bitcoin zugrunde lag, für die Entwicklung des eigenen Finanzwesens und Wirtschaft erkannt. Denn anders als im Westen war das Finanzwesen besonders im ländlichen Raum Chinas kaum entwickelt. Die Versorgung mit Banken war unzureichend, was die Kreditvergabe und damit die wirtschaftliche Entwicklung behinderte.
In der Blockchain erkannte die chinesische Regierung sehr früh die Möglichkeiten der Vereinfachung und Ausweitung des Zahlungsverkehrs sowie das Potenzial für die Senkung der Kosten.