Die Zahl der in Deutschland aktuell durchgeführten PCR-Tests befindet sich seit Wochen auf einem Allzeithoch in der Pandemie. Durchgeführt werden PCR-Analysen in der Regel dann, wenn es einen dringenden Verdacht auf eine Ansteckung mit dem Coronavirus gibt, zum Beispiel nach einem positiven Schnelltest. Dass die aktuelle Welle hoch ist, wird unter anderem in der Positivrate deutlich. "Diese liegt auch in dieser Woche bundesweit erneut bei 56 Prozent", berichtet Michael Müller, der Vorsitzende des Vereins der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM), im CoronaCast bei Sächsische.de.
Die Daten des ALM gelten als repräsentativ für Deutschland. Ein großer Teil der PCR-Proben analysierenden Labore, insgesamt 186, berichtet über den Verbund wöchentlich den aktuellen Stand. In der vergangenen Woche, so berichtet Müller, seien von 2,2 Millionen Tests etwas mehr als 1,2 Millionen positiv ausgefallen. Die Lage beschreibt der Labormediziner deshalb so: "Sie ist, wie es das Robert-Koch-Institut mit seinen täglichen Berichten zur Neuinfektionen darstellt: weiterhin angespannt."
Auch wenn in der Omikron-Welle die Krankheitsverläufe in der Regel milder ausfielen, seien die Folgen dennoch dramatisch. Müller nennt hohe Krankenstände in Unternehmen und zum Teil hohe Patientenzahlen auf Normalstationen in Krankenhäusern.
Die tatsächliche Wucht, mit der sich Omikron ausgebreitet habe, drücke sich in einem Zahlenvergleich aus. "Es wurden in der Pandemie jetzt insgesamt 20,5 Millionen SARS-CoV-2-Infektionen vom RKI in Deutschland rapportiert. Allein rund 50 Prozent, also 10 Millionen dieser Fälle wurden in den letzten zwei Monaten, im Februar und März 2022, diagnostiziert."
Müller berichtet in diesem Zuge zudem von einer großen Auslastung der Labore. "Im Bundesschnitt sind aktuell Kapazitäten zu etwa 80 Prozent ausgeschöpft. In Sachsen zu 90 Prozent." Im Freistaat melden zehn Labore an den ALM.
Dass die Corona-Politik in Anbetracht der aktuell weniger krankmachenden Mutation des Virus und durch einen stärkeren Grad der Immunisierung der Gesellschaft auf Lockerungskurs ist, teilt Müller trotz der großen Dynamik. Es komme wie bei Grippewellen vor der Pandemie darauf an, dass Menschen eigenverantwortlich handeln. Dazu gehöre auch das Tragen von Masken, Abstandhalten und Testen immer dann, wenn es nötig erscheint.
Für den künftigen Umgang mit PCR-Kapazitäten wirbt Müller um ein Umdenken. "Wir müssen Medizin wieder so machen, wie wir sie vor der Pandemie gemacht haben. Das heißt: Kranke gut versorgen, Verdachtsfälle abklären und Ausbrüche beziehungsweise Kontaktpersonen monitoren."
Nicht für alle diese Aufgaben seien PCR-Tests zwingend nötig. "Ich stelle in Zweifel, ob wir zur Bestätigung des Genesenenstatus eine PCR-Analyse brauchen, die eigentlich nur ein formaler Aspekt ist." Auch von Antigenschnelltests wisse man inzwischen, dass sie bei richtiger Anwendung "richtig positive" oder "richtig negative" Ergebnisse lieferten.
Die PCR-Ressourcen, so Müller, sollten nach medizinischen Erfordernissen eingesetzt werden. "Medizinisch erforderlich ist, kranke Menschen zu versorgen. Besonders dann, wenn sie Risiko haben, schwer krank zu werden." Das umschließe vor allem den Schutz vulnerabler Gruppen und von Personen, die in medizinisch-pflegerischen Bereichen eingesetzt sind.
Außerdem Themen in dieser Folge:
- Sollte Deutschland mit Gurgeltests aus Österreich PCR-Kapazitäten erhöhen?
- Wie müssen sich Labore auf eine drohende Herbstwelle vorbereiten?
- Wie funktioniert das Monitoring von Virusvarianten in den Laboren?
- Welche Rolle spielt die Art und der Zeitpunkt einer Probenentnahme beim Test?
Das Podcast-Gespräch wurde über einen Videoanruf aufgezeichnet. Alle am Gespräch beteiligten Personen saßen ausreichend weit voneinander getrennt an verschiedenen Orten.