Im Frühjahr finden jedes Jahr Gedenkveranstaltungen für die Befreiung der ehemaligen Konzentrationslager statt. Und auch jedes Jahr, vor allem in den letzten zwei Jahren seit dem 7. Oktober und dem Gaza-Krieg, gibt es verschärfte Diskussionen über Redner:innen, die bei diesen Veranstaltungen eingeladen sind. Zuletzt gab es Anfang April einen großen Aufruhr, weil Omri Boehm als Redner zur Gedenkveranstaltung im Buchenwald eingeladen wurde – und auf Druck der israelischen Botschaft in Deutschland auch wieder ausgeladen.
Wer sollte bei Gedenkveranstaltungen vertreten sein – und wer darüber entscheiden?
Gedenkveranstaltungen dienen nicht nur dem Gedenken, sondern auch der Mahnung und Verantwortungsübernahme. Vertreten sein sollten:
Überlebende und ihre Nachfahren: Als Träger authentischer Erinnerung sind sie unverzichtbar.
Betroffene Gemeinschaften: Neben Jüdinnen und Juden auch Sinti und Roma sowie weitere NS-Opfergruppen.
Politische Vertreter: Ihre Anwesenheit signalisiert staatliche Verantwortung – besonders aus historisch involvierten Ländern.
Wissenschaft und Bildung: Historiker und Pädagogen sichern langfristige Erinnerung durch Aufarbeitung und Vermittlung.
Wer entscheidet über die Teilnahme?
Die Entscheidung liegt idealerweise bei einer inklusiven Zusammenarbeit aus:
Staatlichen Institutionen: Sie garantieren die öffentliche und internationale Sichtbarkeit.
Jüdischen Organisationen: Wie der Zentralrat der Juden oder Yad Vashem, die die Perspektive der Opfer wahren.
Überlebenden- und Erinnerungsinitiativen: Sie sorgen für Authentizität und Nähe zur Geschichte.
Internationalen Institutionen: UNESCO oder UN, die Standards setzen und globale Erinnerung koordinieren.
Wer sollte nicht entscheiden oder teilnehmen?
Holocaust-Leugner und -Relativierer: Ihre Teilnahme verletzt die Würde der Opfer.
Extremisten und Populisten: Wer Erinnerung politisch instrumentalisieren will, gefährdet ihre Integrität.
Gedenken darf nicht primär politischem Kalkül folgen. Die Stimmen der Opfer und ihrer Nachfahren müssen im Zentrum stehen – ergänzt durch Politiker, die sich glaubhaft zur historischen Verantwortung bekennen. Teilnahmeentscheidungen sollten nicht in exklusiven politischen Zirkeln getroffen werden. Eine glaubwürdige Erinnerungskultur braucht Kooperation zwischen Überlebenden, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, internationalen Akteuren und dem Staat.
Diese Episode wurde Ende April 2025 aufgenommen.
Quellen:
Max Czollek: Desintegriert euch!
Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses*.
Yad Vashem – The World Holocaust Remembrance Center
UNESCO: Holocaust Education and Remembrance Initiatives
Zentralrat der Juden in Deutschland
UN: International Holocaust Remembrance Day Statements
Bundeszentrale für politische Bildung: Erinnerungskultur in Deutschland
https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/der-verklaerte-blick-der-deutschenauf-israel/
https://www.falter.at/morgen/20240507/antisemitismus-wiener-festwochen-omriboehm-milo-rau-judenplatz-rede-yanis-varoufakis-annie-ernaux
https://taz.de/Streit-um-Omri-Boehm-in-Buchenwald/!6077339/
https://www.derstandard.at/story/3000000218834/philosoph-omri-boehm-die-gegnerstoert-dass-ich-die-aufklaerung-vertrete
https://www.youtube.com/watch?v=NAxxpsNPNno&t=153s
https://www.derstandard.at/story/3000000218994/darum-soll-omri-boehm-auf-demjudenplatz-sprechen
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