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Gendergerechte, inklusive Sprache hat einen zweifachen Nutzen: Zum einen wird Sprache ohne generischen Maskulin präziser, und zum anderen bildet gendergerechte Sprache die reale gesellschaftliche Vielfalt besser ab.
Doch gendergerechte Sprache hat auch viele Kritiker*innen. In der heutigen Folge wollen wir die verstehen, ob es gute Gründe gibt, gendergerechte Sprache abzulehnen. Dafür analysieren wir drei Texte, die inklusive Sprache bestenfalls als Verschlimmbesserung erachten, schlimmstenfalls als Ausdruck einer totalitären Diktatur. Empirische Evidenz oder logische Schlüssigkeit suchen wir bei den Kritiker*innen dabei vergebens.
Warum gibt es so viel so emotionalen Widerstand gegen inklusive, gendergerechte Sprache? Wir vermuten, dass es nicht so sehr um die Sprache an sich geht, sondern mehr um ein Unbehagen mit gesellschaftlichem Wandel. Machtstrukturen, die es lange gab und die sich auch in unserer Sprache reproduzieren, werden heute hinterfragt und teilweise aufgelöst. Das gefällt nicht allen – besonders nicht jenen, die von den alten Machtstrukturen profitierten.
Anfang März 2021 haben 78 Tamedia-Redaktorinnen einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie Sexismus und Diskriminierung von Frauen auf den Redaktionen beklagen. Frauen erhielten bei gleicher Arbeit weniger Lohn, hätten Schwierigkeiten, ihre Themen durchzusetzen und hätten schlechtere Karrierechancen.
Diese Protestaktion hat für Aufsehen gesorgt. In der heutigen Folge diskutieren wir mit drei Journalistinnen über ihre Einschätzung des Problems von Sexismus in der Medienbranche. Aleksandra Hiltmann ist Redaktorin im Ressort Kultur und Gesellschaft beim Tages-Anzeiger und Mitunterzeichnerin des offenen Briefs. Nicole Döbeli ist Ressortleiterin Region beim Landboten, Co-Präsidentin des Vereins Medienfrauen Schweiz und ebenfalls Mitunterzeichnerin des offenen Briefes. Nadine Brügger ist Chefin vom Dienst im Nachrichtenressort der Neuen Zürcher Zeitung.
Im Gespräch argumentieren Aleksandra, Nicole und Nadine, dass und wie Sexismus ein oft subtiles strukturelles Problem ist, welches mit anderen Probleme wie Machtgefällen, Mobbing und ökonomischen Zwängen zusammenhängt. Sexismus auf journalistischen Redaktionen bleibt nicht ohne Konsequenzen. Studien zeigen beispielsweise, dass Frauen systematisch weniger oft Gegenstand von oder Stimmen in der journalistischen Berichterstattung sind.
Wie kann die Situation verbessert werden? Nebst strukturellen Reformen in Medienorganisationen wie transparenteren Kriterien für die Karriereentwicklung können auch wir als Publikum einen kleinen Beitrag leisten. Indem wir journalistische Beiträge von Frauen und über Frauen häufiger lesen, hören, sehen und teilen, helfen wir mit, den Kreislauf der sich reproduzierenden Ungleichbehandlung von Frauen in den Medien, aber auch allgemein in der Gesellschaft zu durchbrechen.
Am 7. März 2021 stimmt die Schweiz über die Volksinitiative "Ja zum Verhüllungsverbot" ab, die ein landesweites Verbot der muslimischen Gesichtsverschleierungen Niqab und Burka vorsieht.
Über diese Burkaverbots-Initiative wird hitzig debattiert. Das ist für sich genommen auch gut, aber die Befürworter*innen und Gegner*innen der Initiative versteifen sich auf Schwarz-Weiss-Sichtweisen in einer Frage mit vielen Grautönen.
Das Ja-Lager rund um das islamophobe Egerkinger Komitee verkauft das Burkaverbot als Massnahme zur Gleichstellung von Frau und Mann und der Stärkung der Rechte der Frau. Das mutet reichlich heuchlerisch an, wenn man die ansonsten sehr wertekonservativen Haltungen der Initianten in Betracht zieht. Auch ist die Rede von "politischem Islam" und Terrorismus, die mit einem Burkaverbot bekämpft würden. Dass Burkaverbote in Ländern wie Frankreich oder Österreich nichts dazu beigetragen haben, das Problem des Islamismus zu reduzieren, wird aber verschwiegen.
Das Nein-Lager verkauft Vollverschleierung als weitgehend autonomen, selbstbestimmten Entscheid unabhängiger Frauen – werde eine Frau aber doch zur Verschleierung "gezwungen", gebe es schon heute juristische Wege, dagegen anzukämpfen. Das ist ein doppelter Hohn und eine Verniedlichung des Sachverhaltes. Sozialisierung, Tradition, latenter Druck sind allesamt keine explizite Nötigung, können die individuelle Lebensgestaltung aber "unfrei" machen. Und zu meinen, dass eine betroffene Frau ohne Weiteres Anlaufstellen kontaktieren kann, wenn sie leidet, ist geradezu lächerlich.
Insgesamt kommt die "Islamdebatte", die seit 20 Jahren auf der politischen Agenda steht, auch mit dieser Initiative kein Stück weiter. Solange die Komplexität der Thematik nicht berücksichtigt wird, drehen wir uns nur im Kreis.
Hass, Desinformation, Verschwörungstheorien, Rassismus, Antisemitismus, Faschismus: Auf Social Media-Plattformen kursieren zahlreiche hässliche Ideen. Doch viele von ihnen entstehen nicht auf Facebook und Co., sondern werden dort nur gross. Der Ursprung extremistischer Ideen sind oft kleine, unbekannte Ecken im Internet. Wie zum Beispiel 4chan.
4chan ist ein unscheinbares Online-Diskussionsforum, das in technischer Hinsicht ziemlich veraltet wirkt. Doch 4chan hat eine riesige kulturelle Kraft: Auf 4chan entstehen viele reaktionär-faschistoide Memes, Aktionen und Bewegungen, die auf andere Social Media-Plattformen und damit in den politischen Alltag überschwappen. Einige Beispiele dafür sind der Gamergate-Hassmob von 2014 oder die QAnon-Verschwörungstheorie, die 2017 auf 4chan ihren Anfang nahm.
Darüber hinaus, und vielleicht noch wichtiger, wird auf 4chan mit Sarkasmus und Tabubrüchen reaktionär-faschistoider Hass normalisiert und für ein breites Publikum aufbereitet. Die meisten Leute wollen nichts mit Neonazis zu tun haben – aber die Hemmschwelle, über ein Meme mit der Comicfigur Pepe in SS-Uniform zu lachen, ist viel tiefer.
Dieser 4chan-Habitus, reaktionär-faschistoide Ideen in Sarkasmus zu verpacken und damit subtil Hass gegen "kulturellen Marxismus", gegen "Social Justice Warriors", gegen braune und schwarze Menschen, gegen Transgender-Menschen usf. zu normalisieren, ist längst nicht mehr auf 4chan beschränkt. Der 4chan-Habitus hat den breiteren politischen Diskurs infiziert – und die meisten Leute, die heute die diskursive 4chan-Brille tragen, haben nie von 4chan gehört.
Journalistische Medien, die sich über Werbung finanzieren, stecken seit Jahren in einer Krise. Werbekunden gehen lieber zu Google, Facebook und Co., weil man dort Werbung viel billiger schalten kann. Der Wegbruch der Werbegelder ist für viele Medienhäuser eine existenzielle wirtschaftliche Bedrohung. Was tun?
Native Advertising könnte der Retter in der Not sein. Native Advertising ist Werbung, die so verpackt ist, dass sie wie journalistischer Inhalt aussieht. Werbekunden lieben Native Advertising, weil sie damit das Publikum auf eine intime, authentische Art erreichen. Und die Medienhäuser ihrerseits verdienen mit Native Advertising richtig gutes Geld.
Also Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Native Advertising bedeutet, dass das Publikum aktiv und bewusst getäuscht wird und, dass die Mauer zwischen Redaktion und Anzeigeverkauf verschwindet. Journalismus verkommt damit zum unglaubwürdigen Zudiener für die Höchstbietenden.
Über die Probleme des Native Advertising unterhalten wir uns mit Dennis Bühler. Dennis ist Journalist beim Online-Magazin Republik, und er ist Mitglied des Schweizer Presserates.
Am 6. Januar 2021 haben sich Donald Trumps Verschwörungstheorien und Lügen zu einem ekstatischen Höhepunkt verdichtet: Ein wütender Mob von Trump-Anhängerinnen und -Anhängern stürmte das US-Kapitol, das Herz der amerikanischen Demokratie, um Trump mit Gewalt doch noch eine zweite Amtszeit zu bescheren. Wie konnte es soweit kommen?
Wir diskutieren drei Faktoren, die eine Rolle gespielt haben: Die monate- bzw. jahrelange Aufwiegelung von Trump und seinen Verbündeten; Online-Kommunikation und Online-Verschwörungsnetzwerke vor allem auf Social Media-Plattformen; rechtskonservative Pro-Trump-Medien sowie Trump-kritische "Mainstream"-Medien. Letztere haben, trotz aller Kritik an Trump, vom Trumpismus finanziell massiv profitiert, denn jeder Tabubruch Trumps generierte neue Schlagzeilen und neue Clicks. Trump seinerseits konnte dank seiner medialen Omnipräsenz jahrelang die Agenda und das Framing bestimmen – die Obsession der Medien mit Trump hat es ihm erlaubt, zu bestimmen, über was gesprochen wird und wie darüber gesprochen wird.
Trump ist nun zwar aus dem Amt, aber der diskursive Cocktail, der zur Schande vom 6. Januar geführt hat, bleibt. Und die Gefahr ist vielleicht jetzt noch grösser: Sollte sich in der Zeit nach Trump ein neuer rechtskonservativ-faschistoider Demagoge einfinden, der ein wenig schlauer als Trump ist, könnte der Schaden noch viel, viel grösser ausfallen.
Alternative Medien wie KenFM, Rubikon, Tichys Einblick, Achse des Guten, Compact und andere erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit. Mehr Vielfalt im öffentlichen Diskurs ist grundsätzlich gut — aber diese alternativen Medien können gefährlich sein, weil sie Desinformation und Verschwörungstheorien verbreiten.
Alternative Medien sind keine Plattformen, wo offenkundiger Humbug wie flache Erde-Theorien oder Reptiloiden-Verschwörungen verbreitet werden. Im Kern greifen alternative Medien nämlich meistens reale Ereignisse und Probleme auf. Um diese herum spinnen sie aber ein Netz von Halb- und Unwahrheiten, das mit der Realität aber nur noch wenig zu tun hat. Weil aber im Kern etwas Wahres dran ist, funktioniert die Empörungsbewirtschaftung. Das ist ihre Erfolgsformel.
Klassische journalistische Medien können etwas von den alternativen Medien lernen. Alternative Medien fokussieren nämlich sehr stark auf Gesellschaftskritik; auf das kritische Hinterfragen des Status Quo gesellschaftlicher Machtstrukturen. Klassische Medien tun dies zu wenig. Wenn sich die klassischen Medien wieder stärker auf ihre Kritikfunktion besinnen, gewinnen sie auch das Publikum zurück, das sich zu den alternativen Medien verirrt hat.
In der Coronavirus-Pandemie erfreut sich der Kampfbegriff der Lügenpresse wieder grosser Beliebtheit: Ein Teil der Bevölkerung glaubt, dass die Pandemie eine globale Verschwörung ist und, dass die Medien das Volk systematisch belügen. Über solche Verschwörungstheorien kann man schmunzeln. Doch das Vertrauen in journalistische Medien sinkt weltweit seit Jahren. In dieser Folge versuchen wir zu verstehen, warum.
Es gibt unterschiedliche Gründe für die Vertrauenskrise des Journalismus — und zumindest teilweise sind die Medien selber daran schuld. Und zwar nicht zuletzt, weil Medien nur selten fundiert Gesellschaftskritik betreiben. Anstatt gesellschaftliche Machtstrukturen kritisch zu hinterfragen, reproduzieren Medien diese einfach oft; unter anderem, weil sie “neutral” bleiben wollen und den Zugang zu politischen und wirtschaftlichen Eliten nicht aufs Spiel setzen möchten. Doch all die Menschen, die nicht zu den Eliten gehören und die im gesellschaftlichem Ist-Zustand materiell leiden, werden so vom Diskurs ausgeschlossen. Dass diese Menschen sich dann von Medien abwenden, ist keine Überraschung.
Der Weg aus der Vertrauenskrise der Medien ist darum eine Rückbesinnung auf die Kernaufgabe des Journalismus: Kritik an Eliten, an Machtstrukturen, an Ungleichheit, an Ungerechtigkeit.
Die Frugalismus-Bewegung, die auch unter dem Akronym FIRE (Financial Independence, Retire Early) bekannt ist, verspricht einen Ausweg aus dem Hamsterrad der Lohnarbeit: Wenn man fleissig Geld spart und in Aktien anlegt, kann man schon jung in Rente gehen und dem tristen Trott der Arbeit Adieu sagen. Ein einfacher “Lifehack”, um das System zu überlisten.
Das versprechen zumindest Frugalismus-Gurus, die in den Medien immer wieder eine unkritische Plattform erhalten, um für sich Werbung zu machen. Diese Frugalismus-Gurus verdienen mit ihren Frugalismus-Tipps gutes Geld und werden teilweise sogar richtig reich, nicht zuletzt mit Provisionen für Produkte und Dienstleistungen, die sie ihrer Anhängerschaft andrehen. Peter Adeney hat so mit seiner Webseite “Mr. Money Mustache”, dem bekanntesten Ankerpunkt der Frugalismus-Bewegung, Millionen verdient.
Frugalismus ist bestenfalls ein Lifestyle für eine handvoll privilegierter Menschen, die wohlhabend genug sind, um Kapitalisten zu werden. Denn Frugalismus ist genau das: Der Aufstieg in die Kapitalistenklasse. Diese Neo-Kapitalisten können dann auf dem Rücken all der Arbeiterinnen und Arbeiter, die produktiv sind und die Wirtschaft am Laufen halten, ein schönes Leben leben.
Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF analysiert im November 2020 in einer “Kontext”-Sendung und einem die Sendung begleitenden Artikel, wie reich reiche Menschen sein dürfen und, wie viel sie der Gesellschaft zurückgeben sollen. Das sind wichtige Fragen. Doch in den Beiträgen des SRF werden sie auf eine ziemlich verzerrte Art zugunsten der Reichen beantwortet.
Der Grundtenor der Beiträge bei SRF ist, dass reiche Menschen gut für die Gesellschaft sind, weil sie über Einkommenssteuern viel zurückgeben — aber die Steuern dürfe man nicht erhöhen, weil dann die Reichen wegziehen und der Wohlstand, den sie der Gesellschaft bringen, verschwinde. Das ist ein ökonomisch irrwitziges Argument, denn wenn Reiche auswandern, lassen sie ja ihre gut bezahlten Jobs zurück, und durch mehr Umverteilung wird der Wohlstandskuchen nicht kleiner, sondern eben anders verteilt. Ganz allgemein blendet SRF aus, dass nicht die Reichen den Wohlstand einer Gesellschaft schaffen, sondern umgekehrt der Wohlstand einer Gesellschaft den Reichtum der Reichen ermöglicht.
Die Beiträge bei SRF sind ein Musterbeispiel für Framing. Fragen und Sachverhalte werden so verdreht, dass das a priori definierte neoliberale Narrativ zugunsten der Wohlhabenden gestützt wird. Auf der Strecke bleiben dabei elementare Logik und grundlegende Fakten.
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