Als der kleine Fritz in seinem großen roten Ballon beim Schloss des Zauberers landete, waren da viele tausend Kinder, die der böse Zauberer in der ganzen Welt geraubt hatte. Der kleine Fritz rief sie zusammen und verkündete: „Der böse Zauberer ist tot! Er hat sich zu weit aus dem Ballon gebeugt und ist hinuntergefallen!“
„Hurra!“ riefen die Kinder.
„Der rote Ballon hat mich hierher gebracht und ich bin gekommen, um euch zu retten!“
„Hurra!“ riefen die Kinder.
„Ich werde euch alle in meinem roten Ballon nach Hause bringen, damit ihr wieder bei euren Eltern wohnen und mit euren Freunden spielen und wieder in die Schule gehen könnt! Der rote Ballon wird ein jedes von euch genau an den Ort bringen, wo der böse Zauberer euch gefangen hat!“
„Hurra!“ riefen die Kinder. Aber es klang nicht mehr so laut. Und nicht mehr so fröhlich. Denn: Nicht alle Kinder hatten gerufen.
„Was ist los mit dir?“ fragte der kleine Fritz ein Mädchen. „Freust du dich nicht darauf, deine Eltern wiederzusehen?“
„Ich wohne nicht bei meinen Eltern“, sagte das Mädchen. „Ich lebe bei meiner Tante. Meine Mutter ist in ein fremdes Land gezogen und arbeitet dort als Dienstmädchen. Sie macht bei reichen Leuten das Haus sauber. Und mein Vater ist in ein anderes Land gezogen und baut dort Straßen. Sie kommen nur einmal im Jahr nach Hause. Meine Tante verkauft auf dem Markt Gemüse und nach der Schule muss ich auf ihre kleinen Kinder aufpassen.“
„Und was ist mit dir?“ fragte der kleine Fritz einen Jungen. „Wohnst du auch nicht bei deinen Eltern?“
„Doch“, sagte der Bub. „Ich wohne bei meinen Eltern. Aber ich kann nicht in die Schule gehen. Ich muss meinen Eltern beim Orangenpflücken helfen. Alle Kinder müssen mithelfen, damit wir genug Geld verdienen. Wenn meine Brüder und Schwestern und ich nicht mithelfen würden, würden meine Eltern nicht genug Geld verdienen, um für uns alle Essen zu kaufen und den Arzt zu bezahlen, wenn jemand krank wird.“
„Und was ist mit dir?“ fragte der kleine Fritz ein Mädchen, das auch nicht sehr glücklich zu sein schien. „Musst du auch mitarbeiten, damit deine Eltern genug verdienen?“
„Nein“, sagte das Mädchen. „Ich helfe meiner Mutter und meiner Tante im Haus. Aber da, wo ich herkomme, schickt man nur die Buben in die Schule. Mädchen müssen zu Hause bleiben und Kochen und Putzen und Nähen lernen und wie man auf kleine Kinder aufpasst. Später muss ich den Mann heiraten, den meine Eltern mir aussuchen werden. Ich würde gerne in die Schule gehen und lernen und später vielleicht Krankenschwester werden, aber das wird immer ein Traum bleiben.“
„Und du?“ fragte der kleine Fritz ein anderes Mädchen. „Warum freust du dich nicht, nach Hause zu kommen?“
„Wir haben kein Zuhause mehr. Eines Tages hat es im Radio geheißen, dass feindliche Soldaten sich unserer Stadt nähern, und wir mussten fliehen. Zwei Jahre lang habe wir in einem Lager gelebt mit einer Plastikplane als Dach überm Kopf und haben nichts zu tun gehabt. Dort bekommen wir jeden Tag ein bisschen Reis zu essen, aber wir müssen uns stundenlang anstellen dafür, und dann müssen wir uns wieder bei der Wasserpumpe anstellen um eine Kanne voll Wasser. Es gibt keine Arbeit für die Erwachsenen und keine Schule für die Kinder.
„Und was ist mit dir?“ fragte Fritz einen Jungen.
„Meine Eltern sind im Krieg getötet worden. Wenn der Ballon mich zurückbringt, weiß ich nicht, wo ich hin soll. Ich habe Angst, dass die Soldaten kommen und ich mit ihnen gehen und kämpfen muss. Und ich weiß gar nicht, gegen wen sie kämpfen und warum.“
Und so ging es weiter:
„Ich werde froh sein, meine Eltern wiederzusehen und mit ihnen die Kühe zu hüten. Aber unser Lehrer ist aus dem Dorf weggezogen um in den Kohlengruben zu arbeiten, weil die Regierung sein Gehalt nicht geschickt hat.“
„Das Erdbeben hat die Schule in unserem Dorf zerstört und sie ist nicht wieder aufgebaut worden.“
„Wir haben eine Schule in unserem Dorf, aber meine Eltern haben nicht genug Geld, um Bücher und Stifte zu kaufen, und darum kann ich nicht in die[...]