Was siehst du, wenn du mich anschaust? Einen traurigen Hund? Mag sein, dass mir die Schwerkraft die Mundwinkel nach unten zieht. Ich mag gebeugt sein von der Last der Jahre. Die Augen mögen weinen, so viel zu lachen hab ich wirklich nicht. Doch selbst ein trauriger Hund wie ich bekommt manchmal eine Wurst.

Wenn ich nicht weinen muss, dann lache ich. Ob sich das alles lohnt? Den Schmerzen und dem Ärger zum Trotz? Entgegen aller Enttäuschungen? Ja doch, es lohnt sich.

Wer lacht, gehört dem Teufel, sagst du? Ich lache. Das Lachen ist die Musik der Zukunft.

Ein Geist bin ich. Zum Leben erweckt von der Bitterkeit der Ahnen, Produkt ihrer ungelebten Träume.

Ich bin die dünne Rahmschicht auf der Milch einer hungrigen Kuh. Ein einsames Fettauge auf einer wässrigen Suppe.

Zahnlos bin ich zur Welt gekommen, zahnlos werde ich vergehen. Wer lacht, gehört dem Teufel. Ich lache nicht.

Sie hat euch nicht ganz veracht’,

Unsere Liebe, sprengt Raum und Zeit

Hausbuchmeister, jetzt male schnell

Sie hat euch nicht ganz veracht’,

Jesus, bist du noch da?

Wo bin ich? Was mache ich hier? Wie bin ich hierher gekommen? Ich kann mich so schlecht konzentrieren in letzter Zeit. Ich nehme ein Bild in den Fokus und sofort verschwimmt es mir. Es gibt da wohl wirklich gröbere Lücken. …

Manchmal kenne ich mich selbst nicht mehr. Dann höre ich meinen Vater aus mir sprechen. Meinen Großvater. Sie sagen Dinge, die nicht meine Dinge sind. Doch ist es meine Stimme, die diese Dinge sagt, oder etwa nicht? Niemand weiß davon. Man begegnet mir mit Achtung. Ich kann mich schlecht konzentrieren. Aber die Zügel halte ich noch in der Hand. Ja…

Merhaba. Wie finden Sie, was Sie hier sehen? Exotisch? Aufregend? Schön? Wissen Sie überhaupt, dass ich kein Kunstwerk bin? Ich bin ein Mensch. Sie blicken auf MEINEN Sarg. Zu Lebzeiten war ich die Herrin eines großen Hauses, eine »Sängerin des Amun«. Jetzt liege ich in diesem Museum hier, stumm, mumifiziert und vollverglast – Qualitätsarbeit made in Germany. Glauben Sie, ich ruhe hier in Frieden? Ist es bei Ihnen nicht verboten, Gräber auszuplündern?

Haben Sie Angst vor mir? Fürchten Sie sich? Vor dem Fluch der Mumie? Keine Sorge. Wenn ich Zauberkräfte hätte, wäre ich längst von hier verschwunden.

Hören Sie das? Dieses Tschilpen, Fiepen, Tirillieren? Da zwitschert nicht der Übermut. Die Vögel erzählen einander Geschichten! Von Liebe, Leid, Sehnsucht, Hoffnung und Begehren! Das ist kein stumpfes Trällern! In der Natur ist jeder Ton Ausdruck eines Wollens, Ausdruck einer Dringlichkeit! So muss Musik sein!

Und schauen Sie mich an. In meinem Gesicht ist es nicht anders. Jeder Strich erzählt eine Geschichte. Jeder Strich ein summender Bogenstreich. Und zusammen tönt es im Chor: Ein Glückskind ist er: Er hat die Pocken überlebt.

Was soll der schwarze Sockel da? Warum ist dort, wo meine Ahnen auf Gold gebettet sind, bei mir nur schwarzer Stein? Als wären das alles Engel gewesen…

Und Sie kommen hier her, sehen den Sockel und denken: Ha! Da steht der Übeltäter. Der Totengräber der Weimarer Republik. Der Fürst, der in die Machenschaften des 3. Reichs verstrickt war. Hitlers Herzog! Als ließe sich das Übel der Zeit so bannen. In mir! In diesem Sockel.

»Try to be a good German«, hat meine Großmutter zu mir gesagt. Try to be a good German… Mein Leben lang hat dieser Satz in mir nachgehallt. Ein guter Deutscher. Was soll denn das sein?