Johannes Brahms hat sich stets in Demut geübt, sowohl gegenüber seinen grossen Vorbildern (allen voran Bach) als auch gegenüber seinesgleichen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Entstehungsprozess seines Violinkonzerts, bei dem er, der doch kein Geiger, sondern Pianist ist, mit einer grossen Portion Selbstverleugnung den klugen (und manchmal strengen) Ratschlägen seines Freundes Joseph Joachim folgt, um das Werk zu vollenden – mit dem bekannten Erfolg. Noch heikler ist die grosse «Entblössung», die durch die Konfrontation mit Beethovens (von vielen als unübertrefflich angesehenem) Vermächtnis in den grossen klassischen Formen des Konzerts, des Streichquartetts, vor allem aber der Sinfonie entsteht … oder wenn die Demut den Ausdruck der eigenen Kreativität ausbremst. Trotz des äusserst mühsamen Prozesses, der sich über 15 Jahre ziehen sollte, stellt sich am Ende des Weges und der Mühsal der Erfolg ein, und es ist tatsächlich eine Sinfonie von Brahms, auch wenn einige, wie der Dirigent Hans von Bülow, ihm schmeicheln wollen, indem sie sie als Beethovens Zehnte bezeichnen. Der Komponist ist bis an sein Ende bescheiden geblieben und traf im Hinblick auf das Urteil der Nachwelt entsprechende Vorsichtsmassnahmen, indem er sich nicht gleich zu Beginn selbst in der Wiener «Löwengrube» präsentierte, sondern die Uraufführung dem Dirigenten Felix Otto Dessoff und der Grossherzoglich Badischen Hofkapelle Karlsruhe überliess.