1. Zusammenfassung in deutscher Sprache
In dieser Arbeit wird die Entwicklung des medizinischen Spezialfaches Psychiatrie als akademisches Lehrfach an der Ludwig-Maximilians-Universität beschrieben. Die Untersuchung beleuchtet einen Beobachtungszeitraum, der sich von den Vorläufern des psychiatrischen Unterrichts Ende des 18. Jahrhunderts - in der Ingolstädter Periode der Universität - bis zur Einrichtung der Universitätsklinik in München (1905) erstreckt. Gegenstand der Arbeit ist die Einordnung der Münchner Entwicklungen in die - bereits gut erarbeitete - Fachgeschichte. Besondere Aufmerksamkeit liegt auch auf den verschiedenen akademischen Lehrern, die sich in München dem Fach Psychiatrie gewidmet haben, und hier vor allem deren inhaltliche Einordnung. Darüber hinaus werden die politischen Entwicklungen nachvollzogen, die Einflüsse auf die Entwicklung des Faches genommen haben, sei es auf Ebene der Fakultät, auf hochschulpolitischer, auf staatlicher oder auf sozialpolitischer Ebene.
Methodisch baut die Arbeit in erster Linie auf Primärquellen auf. Archivalien aus dem Universitätsarchiv der LMU und aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv bildeten das Rückgrat des erforschten Materials. Hinzugezogen wurden außerdem fachspezifische Publikationen aus dem Beobachtungszeitraum in großer Zahl, sowie die einschlägige Sekundärliteratur.
Wesentliche Erkenntnisse dieser Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
(1) Unterricht im Fach Psychiatrie gab es an der Ludwig-Maximilians-Universität München etwa seit dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Zunächst wurden psychiatrische Inhalte im Rahmen der speziellen Pathologie und Therapie gelesen. Die erste eigenständige Vorlesung für Psychiatrie wurde im Wintersemester 1825/26 durch den Professor der allgemeinen Pathologie, Diätetik und Pharmakologie Karl Richard Hoffmann (1797-1877) angekündigt. Dieser folgte der Universität bei ihrem Umzug nach München im gleichen Jahre nicht. In den folgenden Jahrzehnten gab es mehrere akademische Lehrer, die vereinzelt Vorstöße zur Etablierung einer spezialisierten psychiatrischen Lehrveranstaltung machten, ohne damit Erfolg zu haben.
(2) Die tatsächliche Etablierung des Lehrfaches erfolgte im Wintersemester 1844/45 durch den Privatdozenten Oscar Mahir (1814-1895). Seit diesem Semester gibt es - nahezu - durchgehend bis in die Gegenwart das Angebot psychiatrischen Unterrichts an unserer Hochschule, wenn auch eingeräumt werden muß, daß dieses Angebot zunächst von den Studierenden nur zurückhaltend angenommen wurde und somit in vielen Semestern der Unterricht nicht statt fand.
(3) Der klinische Unterricht in Psychiatrie hat in München wesentlich früher begonnen als bisher angenommen, indem Oscar Mahir bereits zwischen 1844 und 1848 begann, mit seinen Hörern das Irrenhaus in Giesing zu besuchen.
(4) In den Diskussionen um den Bau der Kreisirrenanstalt für Oberbayern, die sich etwa zwischen 1830 und 1855 abspielten, wurden die akademische Lehre und die Möglichkeit des klinischen Unterrichts in Psychiatrie in der neuen Anstalt immer wieder als Argument herangezogen. Interessant ist, daß sich die Fakultätsmitglieder entweder indifferent gegenüber diesem Thema verhalten oder sogar aktiv gegen den klinischen Unterricht ausgesprochen haben, während die Befürworter des klinischen Unterrichts an der Kreisirrenanstalt keine Verbindung zur Fakultät hatten.
(5) Die Entstehung des Ordinariates für Psychiatrie beruhte - im Gegensatz zu den bisherigen Annahmen - nicht auf der realen Möglichkeit des Weggangs von Honorarprofessor August Solbrig (1809-1872) nach Berlin. Solbrig wollte nie wirklich nach Berlin. Vielmehr brachte ein geschicktes Taktieren Solbrigs mit dem Ruf, den er aus Berlin erhalten hatte, die Fakultät und ihre Aufsichtsbehörden zur Einrichtung des Ordinariates.
(6) Auf ähnliche Weise wurde die Abschaffung des neuen Ordinariates nach dem Tode Solbrigs - wie es Wunsch der Fakultät gewesen wäre - dadurch verhindert, daß Bernhard