In Katastrophen- und Krisenzeiten kommt es vermehrt zu Mobbing. Sieht man Mobbing als Modebegriff an, verharmlost man damit ein Phänomen, das man als Angriffskrieg auf das Gebiet „Gesunde zwischenmenschliche Beziehungen“ bezeichnen kann. Mobbing ist der Lackmustest für die psycho-soziale Gesundheit einer Gesellschaft und betrifft alle Menschen, nicht nur Außenseiter oder Randgruppen. Ignoriert und bagatellisiert man das Phänomen, nimmt man billigend psycho-soziale Kollateralschäden in Kauf.
In dem Science-Fiction-Film „Tötet all Anderen“ („Kill all others“, 2017) von Dee Rees, wird eindrucksvoll gezeigt, wie ein ganz normaler Mann, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, gemobbt und schließlich öffentlich gehängt wird. Wie wurde er zum Ziel? Er hatte sich als Einziger darüber gewundert, dass ein Mann tot am Laternenpfahl hängt, nachdem ein Politiker öffentlich zu Gewalt aufgerufen hatte, alle Vorbeigehenden dies jedoch ignorierten. Die Vorlage für den Film gab die Science-Fiction-Kurzgeschichte „The Hanging Stranger“ von Philip K. Dick aus dem Jahr 1953, die sich mit der Frage beschäftigte, wie faschistische Strukturen entstehen und was sie beschleunigt. Das ist ein starkes Bild und man mag sich kaum vorstellen, dass so etwas in der aktuellen Zeit und in einer demokratisch scheinenden Gesellschaft passiert. Doch es geht schneller als gedacht, insbesondere dann, wenn man ein Phänomen ignoriert und nicht versteht, was man heute als Mobbing bezeichnet.
In diesem Artikel soll dieses Phänomen beschrieben und untersucht werden, welche Mechanismen dazu führen, dass eine ganze Gesellschaft zum „Mob“ wird und sich beinahe wie automatisch an Gewalt gegen Andere beteiligt, unterstützt von Politik und Medien. Etwas salopp ausgedrückt kann man sagen:
Hat eine Gesellschaft Mobbing, hat sie ein Problem.
Aktuell steht ganz wesentlich die körperliche Gesundheit im Vordergrund. Es werden täglich neue Zahlen, Daten, und Fakten präsentiert, die je nach Wissensstand, Erfahrung und Lebensperspektive unterschiedlich interpretiert werden. Scheinbar völlig unbemerkt breitet sich jedoch die psychische und soziale Not aufgrund des extremen und lang andauernden Stresses, den eine so genannte Pandemie bedeutet, aus. Nach beinahe einem Jahr Ausnahmezustand zeigen sich jedoch die ersten schwerwiegenden Folgen auf psychisch-sozialer Ebene. Geht man von den Zahlen aus, die man nach Naturkatastrophen oder Terroranschlägen erhoben hat, ist zu erwarten, dass die Anzahl an Depressionen, Selbstmorden und aggressivem Verhalten extrem zunehmen wird. Kümmert man sich jetzt nicht darum, kann das ähnlich wie bei einer verschleppten Krankheit Spätfolgen haben, die zum gesundheitlichen Kollaps einer ganzen Gesellschaft führen können (1).
Ein Indikator für die psycho-soziale Schwersterkrankung einer Gesellschaft ist ein Phänomen, das gleichzeitig bagatellisiert sowie tabuisiert wird: Mobbing.
Mobbing – Wer, Wie, Was?
„Sich auf eine Person einschießen“ sagt man, wenn man beschreiben will, dass jemand genau ins Visier genommen wird, damit man ihn ständig bedrängen, attackieren und schließlich vernichten kann. „Mediale Kugeln“ hat der Sänger Kilez More die Strategie von Medien genannt, jeden Andersdenkenden so zu beschädigen, dass dessen soziales Ansehen und Existenz zerstört sind. Man bezeichnet das auch als Rufmord. Deshalb scheint es zwar provokant zu sagen, dass Mobbing tötet, doch das entspricht nicht nur den Kenntnissen aus der Forschung, sondern es ist nahe an den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen und es besteht die Gefahr, sich so weit von humanistischen und moralischen Idealen zu entfernen wie lange nicht mehr.
Deshalb ist es absolut notwendig, ein Wissen davon zu erlangen, was Mobbing ist und wie es üblicherweise abläuft, denn das großflächige Vorkommen von Mobbing, das per defintionem immer das Angreifen, Attackieren, Diffamieren und Unmöglichmachen einer Person über einen längeren Zeitraum hinweg...