Martin Kamer ist 1943 geboren und in Zug aufgewachsen. Mit 19 Jahren bricht er die Grafikerausbildung an der Kunstgewerbeschule in Luzern ab und zieht nach London um Kostüm- und Bühnenbild zu studieren. Dort erlebt er die wilden sechziger Jahre.
Martin Kamer hat schon immer gesammelt, vor allem als Inspiration. Die Architektur des Kleides, der Schnitt interessiert ihn. Zum Handeln ist er schrittweise gekommen: Zuerst waren es kleine Stickereien und Spitzen, später ist er richtig eingestiegen als Händler und Sammler von historischer Kleidung. Dank seiner Bekanntschaft mit Nurejew lernt er wichtige Personen am New Yorker Metropolitan Museum kennen und kann die Institution als Käuferin gewinnen. Auch mit anderen Museen arbeitet er zusammen, etwa als Co-Kurator am Kyoto Costume Institute. Der Katalog zur Ausstellung ist für ihn noch immer einer der schönsten, die publiziert wurden.
Eigentlich will Martin Kamer gar nie verkaufen, sondern sammelt vorwiegend für sich. Neben historischen Kleidern auch Schuhe, Hüte, Taschen, Strümpfe, Krawatten, Hemden, Nachthemden, Kopfputze. Später kommen Modelle der Modeschöpfer des 20. Jahrhunderts dazu. In den Wohnungen in Manhattan und London wird es immer enger. Die weltweit grösste private Sammlung von Mode und Accessoires wächst heran. «Am Anfang ist man Herrscher seiner Sammlung», sagt Martin Kamer, «aber irgendwann kommt ein Kipppunkt und plötzlich beherrscht die Sammlung dich.»
Motten, Feuer und Wasser sind die Feinde der Stoffe. Martin Kamer blieb davon nicht verschont, so wäre kurz vor dem Verkauf die Sammlung fast einem Brand zum Opfer gefallen.
2003 erwirbt das Kunstgewerbemuseum in Berlin grosse Teile der Bestände mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder. (Anmerkung: Seit 2014 sind die Objekte ausgestellt.) Martin Kamer freut sich, dass die Sammlung zusammenbleibt. Nur so erzählen die einzelnen Stücke eine Geschichte. Allerdings hätte er gerne mit dem Museum enger zusammengearbeitet und einen schöneren Katalog produziert. Beim Verkauf an das Museum in Los Angeles hat er bessere Erfahrungen gemacht.
Die Objekte stammen aus der Zeit zwischen 1715 und 2000. Frühere Stücke sind rar und teuer, aber Martin Kamer ist es gelungen ein Damenoberteil von 1605 und ein Männerwams von 1630 zu erstehen. Manchmal kommt auch der erfahrene Käufer ins Auktionsfieber.
Faszinierend an der Mode ist für Martin Kamer das künstlerische Handwerk, und auch die damit verbundenen Erfindungen und Techniken. Der Experte kann anhand von Details genau erkennen, aus welcher Zeit ein Kleidungsstück stammt. Oft spielt bei einem Kauf auch der glückliche Zufall mit, etwa wenn zwei Teile des gleichen Kleides unabhängig auftauchen, oder wenn sich ein vermeintlich nachgeahmtes Kleid als Original entpuppt. Kleider von Prominenten interessieren Martin Kamer dagegen selten, ausser es handelt sich an ein Geschenk der portugiesischen Königin an Königin Viktoria von England.
Gesammelt wird alles was mit Mode zu tun hat, bei Kleidern allerdings nur besondere Zeitzeugen und herausragende Modelle, daneben auch Schriften, Originalzeichnungen (zum Beispiel Entwürfe für Kupferstiche), Fotografien und Daguerreotypien. Das Archiv ist eine Fundgrube für Kunstwissenschaft, Kuratorinnen und Kuratoren.