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Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
Prof. Dr. Karl Broich ist Neurologe, Psychiater und kognitiver Verhaltenstherapeut. Seine Karriere begann er in der Universitätsmedizin, wo er als klinischer Studienleiter tätig war. Unzufrieden mit der Qualität und Transparenz klinischer Prüfungen, wechselte er im Jahr 2000 zum Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Obwohl er zunächst aufgrund der Bürokratie skeptisch war, engagierte er sich zunehmend in der europäischen Arzneimittelzulassung und stieg schließlich 2014 zum Präsidenten des BfArM auf. Seither treibt er die Transformation der Behörde aktiv voran.
Früher galt die Rolle des BfArM als rein regulativ – es entschied erst am Ende einer Studie, ob ein Medikament zugelassen wurde oder nicht. Doch unter Dr. Karl Broichs Führung hat sich das Verständnis geändert: Das BfArM sieht sich nun als Partner für die pharmazeutische Industrie und akademische Forschung. Es berät Unternehmen frühzeitig zu Studiendesigns, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Dieser Wandel hat Deutschland im globalen Wettbewerb um klinische Studien attraktiver gemacht.
Ein zentraler Punkt der Modernisierung war die Neustrukturierung der Behörde. Früher arbeiteten verschiedene Fachbereiche isoliert an denselben Medikamenten. Heute sind interdisziplinäre Teams für ganze Therapiebereiche wie Onkologie oder Psychiatrie verantwortlich. Dadurch entstehen effizientere Entscheidungsprozesse.
Um einen Kulturwandel herbeizuführen, startete das BfArM eine Initiative, bei der Mitarbeitende Erfolgsgeschichten aus ihrem Arbeitsalltag sammelten. Dies führte zu einer neuen Identifikation mit den eigenen Leistungen und schaffte ein motivierendes Umfeld.
Die COVID-19-Pandemie stellte das BfArM vor große Herausforderungen, bot aber auch die Möglichkeit zur Veränderung. Die Behörde musste in kürzester Zeit Sonderzulassungen für Impfstoffe, Schutzmasken und Testsysteme erteilen. Dies zeigte, dass Prozesse deutlich beschleunigt werden können – eine Erkenntnis, die in die langfristige Strategie des BfArM eingeflossen ist.
Ein großer Fortschritt für die Forschung in Deutschland ist das neue Forschungsdatenzentrum, das 74 Millionen Datensätze gesetzlich Versicherter anonymisiert bereitstellt. Diese Daten ermöglichen sektorenübergreifende Forschung und verbessern die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Pharmaunternehmen dürfen unter bestimmten Bedingungen auf diese Daten zugreifen, was die Arzneimittelforschung erheblich beschleunigen kann.
Deutschland beteiligt sich aktiv an Pilotprojekten für den europäischen Gesundheitsdatenraum. Das Ziel: eine vernetzte, grenzübergreifende Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und Versorgung.
Das BfArM war weltweit eine der ersten Behörden, die digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) als „Apps auf Rezept“ zugelassen hat. Der Start war holprig: Die Industrie kritisierte hohe Anforderungen, Krankenkassen sahen sie als zu niedrig an. Mittlerweile ist das System etabliert und ermöglicht Patienten eine selbstbestimmte Gesundheitsversorgung.
Ein wesentlicher Unterschied zu klassischen Arzneimitteln: DiGA unterliegen ständiger Weiterentwicklung. Das BfArM musste daher neue Bewertungsprozesse etablieren, die iterative Verbesserungen zulassen.
KI wird zunehmend eingesetzt, um Routineaufgaben zu automatisieren, etwa bei der Überprüfung von Anträgen oder der Auswertung von Vorkommnismeldungen zu Medizinprodukten. So kann das BfArM effizienter arbeiten, ohne zusätzliches Personal einstellen zu müssen.
Mit der europäischen KI-Verordnung entstehen neue regulatorische Herausforderungen. Gleichzeitig bietet KI die Möglichkeit, Prozesse zu vereinfachen, etwa durch Echtzeit-Feedback für Antragsteller. Das BfArM setzt auf enge Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten wie Fraunhofer, um KI-Regulierungen optimal zu gestalten.
Broich prognostiziert, dass klassische Massenmedikamente durch personalisierte Therapien ersetzt werden. Besonders in der Onkologie und Neurologie entstehen hochindividualisierte Arzneimittel, die auf spezifische Patientengruppen zugeschnitten sind.
Die personalisierte Medizin bringt neue Herausforderungen für die Finanzierung. Digitale Register sollen helfen, Kosten-Nutzen-Analysen transparenter zu gestalten. Digitale Gesundheitsanwendungen können Therapieprozesse begleiten und so die Versorgungseffizienz steigern.
Mit dem neuen Medizinforschungsgesetz werden bürokratische Hürden abgebaut. Dazu gehören vereinfachte Vertragsverhandlungen für klinische Studien und eine zentrale Ethikkommission für besonders innovative Forschungsansätze.
Dr. Karl Broich betont, dass die Industrie nicht mehr als Gegner, sondern als Treiber von Innovation betrachtet werden muss. Fortschritte in der Onkologie zeigen, dass moderne Arzneimittel Leben retten – und das BfArM spielt eine entscheidende Rolle, um diese Innovationen schnell und sicher in die Versorgung zu bringen.
Prof. Karl Broich hat das BfArM von einer klassischen Zulassungsbehörde zu einem aktiven Gestalter der Gesundheitsversorgung transformiert. Durch Digitalisierung, datenbasierte Forschung und agile Regulierungen will Deutschland seine Rolle als Innovationsstandort stärken. Die nächsten Jahre werden von personalisierter Medizin, KI-gestützten Zulassungsverfahren und einer neuen Datenkultur geprägt sein.
Die Herausforderung bleibt: Wie kann das System bezahlbar bleiben, während es gleichzeitig immer individuellere und teurere Therapien ermöglicht? Das BfArM und Dr. Karl Broich setzen auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und Politik – und bleibt offen für Veränderung.
Der Beitrag Prof. Dr. med. Karl Broich – Wie er mit dem BfArM Innovation voran treiben will erschien zuerst auf Visionäre der Gesundheit.
Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
Prof. Dr. Karl Broich ist Neurologe, Psychiater und kognitiver Verhaltenstherapeut. Seine Karriere begann er in der Universitätsmedizin, wo er als klinischer Studienleiter tätig war. Unzufrieden mit der Qualität und Transparenz klinischer Prüfungen, wechselte er im Jahr 2000 zum Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Obwohl er zunächst aufgrund der Bürokratie skeptisch war, engagierte er sich zunehmend in der europäischen Arzneimittelzulassung und stieg schließlich 2014 zum Präsidenten des BfArM auf. Seither treibt er die Transformation der Behörde aktiv voran.
Früher galt die Rolle des BfArM als rein regulativ – es entschied erst am Ende einer Studie, ob ein Medikament zugelassen wurde oder nicht. Doch unter Dr. Karl Broichs Führung hat sich das Verständnis geändert: Das BfArM sieht sich nun als Partner für die pharmazeutische Industrie und akademische Forschung. Es berät Unternehmen frühzeitig zu Studiendesigns, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Dieser Wandel hat Deutschland im globalen Wettbewerb um klinische Studien attraktiver gemacht.
Ein zentraler Punkt der Modernisierung war die Neustrukturierung der Behörde. Früher arbeiteten verschiedene Fachbereiche isoliert an denselben Medikamenten. Heute sind interdisziplinäre Teams für ganze Therapiebereiche wie Onkologie oder Psychiatrie verantwortlich. Dadurch entstehen effizientere Entscheidungsprozesse.
Um einen Kulturwandel herbeizuführen, startete das BfArM eine Initiative, bei der Mitarbeitende Erfolgsgeschichten aus ihrem Arbeitsalltag sammelten. Dies führte zu einer neuen Identifikation mit den eigenen Leistungen und schaffte ein motivierendes Umfeld.
Die COVID-19-Pandemie stellte das BfArM vor große Herausforderungen, bot aber auch die Möglichkeit zur Veränderung. Die Behörde musste in kürzester Zeit Sonderzulassungen für Impfstoffe, Schutzmasken und Testsysteme erteilen. Dies zeigte, dass Prozesse deutlich beschleunigt werden können – eine Erkenntnis, die in die langfristige Strategie des BfArM eingeflossen ist.
Ein großer Fortschritt für die Forschung in Deutschland ist das neue Forschungsdatenzentrum, das 74 Millionen Datensätze gesetzlich Versicherter anonymisiert bereitstellt. Diese Daten ermöglichen sektorenübergreifende Forschung und verbessern die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Pharmaunternehmen dürfen unter bestimmten Bedingungen auf diese Daten zugreifen, was die Arzneimittelforschung erheblich beschleunigen kann.
Deutschland beteiligt sich aktiv an Pilotprojekten für den europäischen Gesundheitsdatenraum. Das Ziel: eine vernetzte, grenzübergreifende Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und Versorgung.
Das BfArM war weltweit eine der ersten Behörden, die digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) als „Apps auf Rezept“ zugelassen hat. Der Start war holprig: Die Industrie kritisierte hohe Anforderungen, Krankenkassen sahen sie als zu niedrig an. Mittlerweile ist das System etabliert und ermöglicht Patienten eine selbstbestimmte Gesundheitsversorgung.
Ein wesentlicher Unterschied zu klassischen Arzneimitteln: DiGA unterliegen ständiger Weiterentwicklung. Das BfArM musste daher neue Bewertungsprozesse etablieren, die iterative Verbesserungen zulassen.
KI wird zunehmend eingesetzt, um Routineaufgaben zu automatisieren, etwa bei der Überprüfung von Anträgen oder der Auswertung von Vorkommnismeldungen zu Medizinprodukten. So kann das BfArM effizienter arbeiten, ohne zusätzliches Personal einstellen zu müssen.
Mit der europäischen KI-Verordnung entstehen neue regulatorische Herausforderungen. Gleichzeitig bietet KI die Möglichkeit, Prozesse zu vereinfachen, etwa durch Echtzeit-Feedback für Antragsteller. Das BfArM setzt auf enge Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten wie Fraunhofer, um KI-Regulierungen optimal zu gestalten.
Broich prognostiziert, dass klassische Massenmedikamente durch personalisierte Therapien ersetzt werden. Besonders in der Onkologie und Neurologie entstehen hochindividualisierte Arzneimittel, die auf spezifische Patientengruppen zugeschnitten sind.
Die personalisierte Medizin bringt neue Herausforderungen für die Finanzierung. Digitale Register sollen helfen, Kosten-Nutzen-Analysen transparenter zu gestalten. Digitale Gesundheitsanwendungen können Therapieprozesse begleiten und so die Versorgungseffizienz steigern.
Mit dem neuen Medizinforschungsgesetz werden bürokratische Hürden abgebaut. Dazu gehören vereinfachte Vertragsverhandlungen für klinische Studien und eine zentrale Ethikkommission für besonders innovative Forschungsansätze.
Dr. Karl Broich betont, dass die Industrie nicht mehr als Gegner, sondern als Treiber von Innovation betrachtet werden muss. Fortschritte in der Onkologie zeigen, dass moderne Arzneimittel Leben retten – und das BfArM spielt eine entscheidende Rolle, um diese Innovationen schnell und sicher in die Versorgung zu bringen.
Prof. Karl Broich hat das BfArM von einer klassischen Zulassungsbehörde zu einem aktiven Gestalter der Gesundheitsversorgung transformiert. Durch Digitalisierung, datenbasierte Forschung und agile Regulierungen will Deutschland seine Rolle als Innovationsstandort stärken. Die nächsten Jahre werden von personalisierter Medizin, KI-gestützten Zulassungsverfahren und einer neuen Datenkultur geprägt sein.
Die Herausforderung bleibt: Wie kann das System bezahlbar bleiben, während es gleichzeitig immer individuellere und teurere Therapien ermöglicht? Das BfArM und Dr. Karl Broich setzen auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und Politik – und bleibt offen für Veränderung.
Der Beitrag Prof. Dr. med. Karl Broich – Wie er mit dem BfArM Innovation voran treiben will erschien zuerst auf Visionäre der Gesundheit.
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