Inhaftierte im Strafvollzug stehen oft vor einer zerklüfteten inneren und äußeren Realität. Ihr Leben ist geprägt von Unsicherheit und sozialen Systemen, die sie nicht getragen haben. Ihre Ziele – wenn sie überhaupt klar definiert sind – stehen selten im Einklang mit gesellschaftlichen Erwartungen. Anerkennung, Freiheit und Selbstverwirklichung? Diese Wünsche existieren, doch die Realität zeigt ihnen oft Grenzen, die schwer zu überwinden sind.
Hier setzt Kunsttherapie an. Warum Kunst? Weil sie Mauern einreißen und Brücken bauen kann – zu sich selbst, zu anderen und zu einer Welt, die sie häufig ausgeschlossen hat. Kunst eröffnet Räume für Ausdruck, Auseinandersetzung und Veränderung. Sie gibt Insassen die Möglichkeit, sich selbst zu entdecken und in einem geschützten Rahmen neue Perspektiven zu entwickeln.
Zeithain
Die Justizvollzugsanstalt Zeithain hat mit ihrem Kreativzentrum und der fest etablierten Kunsttherapie Maßstäbe gesetzt. Seit 2008 arbeiten hier Kunsttherapeut:innen, die weit mehr tun, als Techniken zu lehren. Sie schaffen eine Umgebung, in der Menschen ohne Worte ausdrücken können, was sie bewegt.
Mit der Eröffnung einer suchttherapeutischen Station für Methamphetamin-Abhängige im Jahr 2014 wurde diese Arbeit konsequent weiterentwickelt. Die Verbindung von Kunst und Suchttherapie bietet Menschen mit komplexen Herausforderungen einen Zugang zu ihren inneren Ressourcen und eine Chance auf eine selbstbestimmte Zukunft.
Chancen
Die Arbeit mit Straffälligen ist anspruchsvoll. Viele bringen gebrochene Lebensgeschichten mit, tiefes Misstrauen und eine Unsicherheit, die sich oft hinter aggressivem Verhalten verbirgt.
Kunsttherapie begegnet diesen Herausforderungen auf besondere Weise:
- Sie bietet einen Raum ohne Bewertung.
- Sie erlaubt es, Emotionen zu äußern, die sonst keinen Platz finden.
- Sie lädt dazu ein, neue Sichtweisen zu entwickeln – jenseits von Vorurteilen und Erwartungsdruck.
Dabei geht es nicht nur um das künstlerische Ergebnis, sondern um den Prozess: Fragen wie Wer bin ich?, Was kann ich verändern? und Wie stelle ich mir meine Zukunft vor? werden im geschützten Raum thematisiert.
Eine Diskussion über Sinn und Perspektiven
Diese innovativen Ansätze standen im Mittelpunkt der Ausstellung und Podiumsdiskussion „Wo will ich hin in meinem Leben?“ im Kulturpalast Dresden. Hier kamen Expert:innen aus Justiz, Kunsttherapie und Suchthilfe zusammen:
- Mathias Weilandt (Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung) betonte die gesellschaftliche Verantwortung, Resozialisierung zu fördern.
- Prof. Doris Titze (Dozentin für Kunsttherapie) erläuterte, wie künstlerisches Arbeiten die Selbstreflexion fördert.
- Alfred Haberkorn (Leiter des Kreativzentrums in Zeithain) teilte Erfahrungen aus seiner langjährigen Praxis mit jugendlichen Straftätern.
- Mareike Münch (Suchttherapeutische Station Zeithain) zeigte die Verknüpfung von Kunst- und Suchttherapie auf.
Moderiert von Max Hobinka (KlangRaum Dresden e.V.) wurde deutlich, dass die Kunsttherapie nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Weg ist – ein Weg zu mehr Freiheit, Anerkennung und vielleicht sogar zu einem neuen Leben.
Veränderung
Die Gedanken der Inhaftierten kreisen um Freiheit, Verwirklichung und Glück. Kunst bietet ihnen die Möglichkeit, diese Themen zu bearbeiten – auf ihre Weise, ohne Vorgaben. Dabei entstehen keine neuen Mauern, sondern Wege, die Vergangenheit zu überwinden und eine bessere Zukunft zu gestalten.
YOU ASK, we explain: Weil Kunsttherapie Mauern einreißen und Brücken zu neuen Chancen bauen kann.
Musikalische Begleitung von Patrick Neumann und Jo Aldinger
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Live aufgenommen und produziert von Johannes Gerstengarbe ( Ballroom Studios ) in der Stadtbibliothek im Dresdner Kulturpalast
Ein Projekt der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden in Kooperation mit dem COSMO Wissenschaftsforum, den Städtischen Bibliotheken Dresden und der Dresdner Philharmonie.
Dieses Vorhaben wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Freistaat Sachsen im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern.