Der Börseninvestor - Aktien, Börse & Geldanlage mit Ulrich Müller

#330 Die Wahrheit über die Jahresendrallye: Das kann jetzt passieren!


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Steht uns die Jahresendrallye noch bevor?

Wir schauen zurück auf einen Monat, in dem die Luft an den Höchstständen dünner wurde, und wagen einen Blick nach vorne: Gibt es noch eine Jahresendrallye? Welche Rolle spielen Zinsen, Inflation und der geopolitische Frieden? In dieser Folge analysiere ich die aktuelle Marktlage, zeige die Gewinner und Verlierer des Novembers auf und erkläre, warum die „Big Seven" den Markt immer noch dominieren. Außerdem teile ich meine persönliche Einschätzung und Strategie für den Jahreswechsel.

Das erwartet Dich in dieser Folge:

  1. November-Bilanz: Die Tech-Luft wird dünner, Rohstoffe und Gold glänzen

  2. Mein Ausblick für Dezember

  3. Diese Bereiche und Einzeltitel haben Potenzial

November-Bilanz: Die Tech-Luft wird dünner, Rohstoffe und Gold glänzen

Der November war ein spannender Monat. Die Märkte liefen nicht mehr so dynamisch weiter und blieben ein wenig auf sehr hohem Niveau hängen. Man könnte sagen, die Atemluft wurde knapper.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt ein gemischtes Bild:

  • Dow Jones: Ein leichtes Plus.

  • S&P 500 und Nasdaq: Leichte Verluste.

  • Bitcoin: Ein ganz großer Verlierer mit fast 17 % Minus.

Wir schauen auf den Dezember voraus. Historisch gesehen ist das letzte Quartal, und besonders der Dezember, ein sehr positives Börsenjahr. Es gibt sogar die „Januar-Regel": Wie sich die ersten Tage im Januar bewegen, so soll oft das ganze Jahr werden. Das werden wir eventuell sehen.

Ich denke, wir haben nach wie vor eine gewisse Abkopplung von der Realwirtschaft. Die Inflation hat wieder angezogen, gerade in Deutschland deutlich. Die letzten Zahlen zeigen eine erhöhte Tendenz. Die Inflation in der Eurozone ist unerwartet auf über 2,2 % gestiegen und liegt damit über der Zielmarke der Europäischen Union.

Gleichzeitig gibt es andere Signale: Die Ukraine baut eine Rüstungsfabrik in Dänemark. Die EU hat signalisiert, offen für alle Technologien zu sein, was — den unter Druck stehenden deutschen Automobilherstellern wie VW, Mercedes und BMW — massive Probleme bereitet. Der Standort Deutschland ist laut BDI-Chef „im freien Fall", und die Industrieproduktion sinkt im vierten Jahr in Folge. Man kann nur hoffen, dass sich diese Entwicklung umkehrt.

Und was machen unsere Aktien? Da wir auch in amerikanischen Titeln unterwegs sind, sei beispielhaft Starbucks erwähnt. Das Unternehmen soll Verstöße gegen das Arbeitsrecht gehabt haben und hat sich mit einer Zahlung von rund 35,5 Millionen Dollar an die Angestellten gütlich geeinigt.

Wenn wir uns die Märkte anschauen, müssen wir zunächst festhalten: Der Markt steht extrem hoch. Wir bewegen uns nach wie vor in einem Tech- und KI-dominierten Umfeld. Die Old Economy läuft dagegen nicht so gut.

Im Healthcare-Bereich sehen wir etwas Bewegung; er ist ein Stück weit hinterhergekommen. Da gibt es Aktien, die Gas gegeben haben, aber auch Nachzügler mit noch viel Potenzial nach oben. Ein Beispiel aus diesem Sektor: Eli Lilly ist in den letzten Wochen und Monaten extrem gelaufen und mittlerweile über eine Billion Dollar wert. Der große Mitbewerber Novo Nordisk dagegen ist „nur" etwa 200 Milliarden Dollar wert. Ich persönlich habe Novo Nordisk gerade aufgestockt – das ist natürlich keine Kaufempfehlung. Meine Überlegung dahinter: In den nächsten drei bis fünf Jahren werden schätzungsweise 300 Millionen weitere Diabetiker dazukommen, die Insulin benötigen werden. Ich glaube, dass davon auch Novo Nordisk stark profitieren wird.

Aktuell halte ich es für sehr spannend, die Cash-Quote ein Stück weit hochzufahren. Der Markt hat im November nicht mehr viel Performance gebracht. Es gab aber auch deutliche Ausreißer nach unten. Die Aktie von Meta (aus dem Kreis der „Big Seven") hat beispielsweise eine ganze Ecke verloren. Viele, die bei 700, 750 oder 800 Dollar nicht mehr einsteigen wollten, sehen sie jetzt deutlich günstiger. Ich bleibe bei meiner Einschätzung, die ich seit fast einem Dreivierteljahr vertrete: Der KI-Bereich befindet sich meiner Meinung nach in einer Blase. Gleichzeitig werden Bereiche der „Old Economy" wieder spannend.

Ich glaube, dass ein Rücksetzer oder sogar ein Crash, der auf lange Sicht gesund wäre, den KI-Bereich deutlich treffen würde. Im Gegenzug wäre die Old Economy wahrscheinlich entspannter unterwegs, und wir könnten dort sogar steigende Kurse sehen. Für den Healthcare-Bereich bleibe ich relativ entspannt. Den Rohstoffbereich und die Old Economy finde ich nach wie vor interessant. Ich werde nicht müde, das zu betonen, denn gegessen und getrunken wird immer. Bei einer wachsenden Weltbevölkerung werden dort die Schnäppchen zu finden sein, über die man in ein paar Jahren sagt: „Hätte ich damals beim Podcast nur richtig zugehört und es umgesetzt."

An dieser Stelle ist die Frage entscheidend: "Bist Du mehr Investor oder mehr Trader?" Als Investor hast Du jetzt die Möglichkeit, Top-Aktien mit einer Perspektive von drei bis fünf Jahren zu günstigeren Preisen einzukaufen.

Ich selbst bin Value-Investor mit Trading-Ansatz. Mich jagen nicht alle kurzfristigen Trends „durchs Dorf". Wenn Aktien weiter runtergehen, fragen mich manchmal Leute: „Ulli, wie kannst Du so ruhig bleiben?" Die Antwort ist einfach: Ich kann abwarten. Innerhalb von ein paar Monaten, Jahren oder auch mal zwei, drei Jahren gehen solche Aktien in der Regel wieder nach oben.

Ein gutes Beispiel dafür ist Netflix. Netflix ist von rund 700 Dollar – durch Corona und die Zeit danach – auf ein Tief von etwa 160 bis 170 Dollar gefallen. Mittlerweile steht die Aktie wieder bei weit über 1000 Dollar (nach einem Split sind das nur noch etwa 100 bis 110 Dollar). Man sieht also, dass sie granatenmäßig nach oben gegangen ist.

Das ist eine wichtige Lektion für Dich als Investor: Wenn Du wirklich Investor bist, versuche den Vogelblick einzunehmen und Dich nicht von Deinen Emotionen wahnsinnig machen zu lassen.

Ein genauerer Blick auf die November-Performance:

  • Dow Jones: Von 47.562 Punkten (31.10.) auf 47.700 . Eine minimale Veränderung von rund

+0,2 %. Faktisch unverändert, weiterhin auf Allzeithoch-Niveau.

  • Nasdaq: Von 25.858 auf 25.434 gefallen. Ein Verlust von -1,8 %. Die Old Economy machte ein kleines Plus, die Nasdaq verlor.

  • S&P 500: Von 6.840 auf 6.849. Faktisch unverändert bei 0 %. Gleichgewichtet betrachtet liegt er bei +1,7 %. Warum diese Diskrepanz? Ganz klar: In Indizes wie dem S&P 500 und der Nasdaq sind die Big Seven extrem stark gewichtet. Der Abfall einer Meta (mit über 20 % Verlust) hat daher massive Auswirkungen auf den gesamten Index, obwohl es vielen anderen Unternehmen vielleicht besser ging.

  • Russell 2000: von 2.479 auf 2.500; leicht im Plus bei +0,7 %.

  • MSCI World: von 4.390 auf 4.398; leicht im Plus bei +0,5 %.

  • DAX: von 23.900 auf 23.800; ein Verlust von -0,5 %.

  • Öl (Brent): von 60 auf 58 USD gefallen. Das hängt sicherlich mit der abkühlenden Weltwirtschaft und dem daraus resultierenden geringeren Bedarf zusammen. Hinzu kommen strukturelle Veränderungen wie Wärmepumpen und weniger Verbrenner, die den Öl- und Gasverbrauch langfristig nach unten bringen.

Weitere wichtige November-Bewegungen:

  • Euro/US-Dollar: von 1,15 auf 1,16 – faktisch unverändert.

  • Gold: legte eine starke Performance hin. Von 4.002 auf 4.239, ein Plus von knapp 6 %.

  • Silber: ein regelrechter Run von 48 auf 56; ein Plus von 16 %.

  • Bitcoin: deutlicher Verlierer! Von 109.500 auf ein Tief von 91.000, ein Minus von fast 17 %.

  • UM Strategy Fund: von 93 auf knapp 96, ein Plus von über 3 % – was mich besonders freut, da die Märkte insgesamt eher verloren haben.

Was hat die Märkte bewegt? Wir stehen nach wie vor sehr hoch. Die Diskussion um China war ein Thema. Auffällig ist, dass die weltweiten Rüstungsausgaben so hoch sind wie nie zuvor. Ob man das gutheißt oder nicht – als Wirtschaftszweig generiert die Rüstungsindustrie Steuereinnahmen und Arbeitsplätze und beeinflusst so das Bruttoinlandsprodukt.

Ein Blick auf die Politik: Trump versucht gerade, zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln. Allein die Tatsache, dass Friedensgespräche im Raum stehen, hat den Markt in einigen Bereichen nach oben getrieben, wobei andere deutlich nach unten gegangen sind.

Ich bleibe bei meiner Einschätzung zu Einzeltiteln: Nvidia ist ein ganzes Stück zurückgekommen. Auch Meta ist deutlich zurückgekommen. Auf der anderen Seite gab es im November starke Quartalszahlen, beispielsweise von Google mit den besten Zahlen und einem gigantischen Wachstum. Google ist mittlerweile über 4 Billionen Dollar wert. Auch Tesla lief in den letzten Monaten gut und erreichte zeitweise über 400 Dollar.

Die Big Seven machen immer noch gefühlt 40 % der großen Indizes aus. Sie schieben die Märkte an – oder, wie im Falle von Meta und Nvidia, eben auch nach unten.

Die Schlussfolgerung kann nur sein: Der Markt wird von den Big Seven und dem KI-Bereich getragen. Die Old Economy und viele andere Bereiche sind noch weit vom All Time High entfernt. Das sieht man auch daran, wie nur wenige Aktien sich noch über ihrer 50- oder 200-Tage-Linie befinden.

Mein Ausblick für Dezember

Der Dezember ist der Jahresendspurt. Da entsteht „Window Dressing" bei Fonds und ETFs, positive Nachrichten und der allgemeine Wunsch, das Jahr gut abzuschließen. Die Weihnachtsstimmung und die Ruhe mit der Familie wirken sich ebenfalls auf die Stimmung der Investoren aus. Statistisch gesehen ist der Dezember ohnehin einer der besseren Börsenmonate.

Ich möchte mich nicht dagegenstellen. Zwar glaube ich, dass wir zu hoch stehen und eine KI-Blase existiert, aber ich glaube auch, dass die Märkte dieses Spiel momentan mitspielen und einfach weiterlaufen werden. Jetzt wird es besonders spannend wegen der Inflation.

Wir befinden uns in einem schwierigen wirtschaftspolitischen Dilemma: In Amerika und Europa zieht die Inflation wieder an, während die Notenbanken eigentlich im Zinssenkungsmodus sind. Das Problem: Senkt man die Zinsen, wird die Wirtschaft zusätzlich angeschoben und die Inflation könnte weiter springen. Das kann man nicht unbegrenzt tun. Würde die Inflation dagegen zu stark aus dem Ruder laufen, müsste man die Zinsen eigentlich anheben, um die Wirtschaft abzukühlen – das ist aber auch keine Option, da der Arbeitsmarkt (in Deutschland sind die Arbeitslosenzahlen hoch), der Immobilienmarkt und die Wirtschaft insgesamt schwächeln. Dieser Zwiespalt zeigt sich auch in der Politik. Trump fordert lautstark weitere Zinssenkungen, um der Wirtschaft „mehr Gas" zu geben, während die Inflationszahlen dagegen sprechen. Das macht die Lage unübersichtlich.

Ich glaube tatsächlich, dass die Big Seven im Dezember noch einmal outperformen werden. Ich halte einen großen Zusammenbruch für unwahrscheinlich, auch wenn ein gesunder Dampfablasser wünschenswert wäre. Ich denke auch, dass die KI die Welt verändern wird und irgendwann damit Geld verdient wird. Ich habe ja immer gerne gesagt, dass die Dotcom-Krise mit der KI-Blase zu vergleichen ist, dass da irgendwann der Knall kommt. Ich glaube auch, dass es irgendwann ein Stück weit zurückgeht. Aber momentan sind dies ganz normale Marktmechanismen, die aus dem Ruder gelaufen sind. Denn wir haben natürlich damals in der Dotcom-Krise noch andere Zinsen gehabt. Wir haben dann die Zinsen danach, als die Krise war, massiv senken können. Heute haben wir natürlich ein anderes Bild. Wir drucken schon fleißig Geld, wir haben schon sehr günstige Zinsen gehabt, die dann wieder angestiegen sind und jetzt wieder ein ganzes Stück runtergekommen sind. Die Situation ist also schon eine etwas andere.

Diese Bereiche und Einzeltitel haben Potenzial

Das hat mich etwas vorsichtig werden lassen und ich habe meine Cash-Quote auf etwa 25–27 % erhöht. Im KI-Bereich halte ich nach wie vor gute Aktien, habe aber auch etwas reduziert. Einen großen Teil meines Kapitals habe ich weiterhin im Healthcare-Bereich investiert und betreibe klar Stockpicking.

Aus schulischer und langfristiger Investorensicht gibt es mit Sicherheit noch Aktien mit gutem Potenzial. Obwohl ich niemals eine Kaufempfehlung ausspreche, lohnt es sich, bestimmte Bereiche und Unternehmen im Blick zu behalten.

Das können Unternehmen wie PayPal sein, aus der Old Economy, vielleicht Nike oder Disney, aber auch Konsumgüterhersteller wie Hormel Foods und General Mills oder diverse Healthcare-Unternehmen. Für mich sind das alles sehr spannende Unternehmen, die aus fundamentaler Bewertungsperspektive über die Jahrzehnte betrachtet momentan eher günstig dastehen.

Natürlich spielt die Musik derzeit im KI-Bereich. Aber KI wird die Welt komplett verändern, und viele andere Unternehmen werden daran partizipieren können. Daher lohnt es sich, hinter die Fassade zu schauen. Ein besonders spannender Ansatz ist heute, auf Unternehmen zu achten, die KI aktiv in ihre Geschäftsabläufe integrieren.

Denn durch die Nutzung von KI werden die Margen steigen: Mitarbeiter können für wertschöpfendere Aufgaben freigesetzt werden, Prozesse automatisiert und Recherchen optimiert werden. Ich glaube, Unternehmen, die neuen Technologien gegenüber sehr offen sind, haben exzellente Chancen, in Zukunft zu performen.

Ein konkretes Beispiel ist Meta. Die Aktie ist stark umkämpft, umstritten und deutlich zurückgekommen. Viele wollten sie beim Allzeithoch kaufen. Vor Monaten sprach ich von einem Ziel von 1000 Dollar, jetzt liegt sie bei rund 600 Dollar.

Interessanterweise sind es oft dieselben Menschen, die bei 800 Dollar sagten „Die muss man kaufen!" und sich jetzt bei 600 Dollar fragen, ob der Trend vorbei ist. Das ist die große Kunst des Value-Investors mit Trading-Ansatz: Die Chancen zu nutzen, wenn Märkte oder Titel weit unten sind, und ein Stück gegen den Strom zu schwimmen.

Bei Meta ist nicht alles Gold, was glänzt, aber das Unternehmen erreicht Milliarden Menschen täglich. Die Story geht mit KI und Metaverse weiter. Daher könnte der aktuelle Preis von rund 600 Dollar – ein Rabatt von etwa 25 % zum früheren Hoch – eine Chance bieten. Ich erwarte noch etwas steigende Kurse. Bis zum 31. Dezember werden wir meiner Meinung nach höher stehen als heute. Die Big Seven werden wohl weiterlaufen. Meta könnte mit ihrem Aufholpotenzial eine Chance sein (aus rein schulischer Idee). Der Rohstoffbereich bleibt interessant; Aluminium ist beispielsweise zwischendurch deutlich angesprungen.

Da könnte die Rallye schon gelaufen sein, aber so gibt es immer gewisse Aktien, die durchaus spannend sind. Also, Du wirst im Dezember nicht mehr die Performance machen, um das ganze Jahr rauszureißen. Da hast Du aber schon eine gute Performance gemacht. Dann sage ich herzlichen Glückwunsch. Ich glaube, im Dezember werden wir noch ein paar Kursgewinne sehen und darauf bin ich sehr gespannt.

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