CIW - Folge 120 - 22.01.2025 - Asocial Media Flucht
- Wir begrüssen alle Sozialen zur Folge 120 von "Captain it's Wednesday", dem Podcast über Freie Software und Freie Gesellschaft von GNU/Linux.ch, aufgenommen am 20. Januar von Lioh Möller und Ralf Hersel. Heute sprechen wir über die Flucht von asozialen Medien zu den sozialen Medien.
Hausmitteilungen
- Wir haben uns lange nicht mehr bei den Mastodon-Followern bedankt. Die Zahl der Folgenden wächst langsam, aber stetig. Heute haben wir die Marke von 7400 überschritten. Vielen Dank dafür und empfehlt uns weiter.
Thema: Flucht von asozialen Medien
- Sozial, asozial, unsozial - was heisst das denn?
- Das Adjektiv sozial wird oft als Synonym zu „gesellschaftlich“ verwendet und im erweiterten Sinn zu „gemeinnützig, hilfsbereit, barmherzig“.
- Asozialität ist eine Zuschreibung für Verhaltensweisen, die von gesellschaftlichen Normen abweichen und die Gesellschaft schädigen.
- Unsozial bedeutet: gegen die Interessen sozial Schwächerer gerichtet
- Während wir aufnehmen, wird Donald Trump als 47. Präsident der USA inauguriert. Damit nimmt erstmalig ein verurteilter Krimineller dieses Amt ein. Er tritt an, um das Project 2025 umzusetzen, welches Nordamerika in eine Feudalgesellschaft umbauen will.
- Seine TechBros haben in vorauseilendem Gehorsam schon begonnen, ihre Lehen zu bezahlen. Die gesamte GAMAM-Bande hat ihre Fahnen frühzeitig nach dem neuen politischen und wirtschaftlichen Wind ausgerichtet. Es wurden Millionen bezahlt, um das Wohlwollen des neuen Feudalherren zu erkaufen. Man möchte jegliche Regulierung einschränken bzw. zurückdrehen.
- Daran sieht man deutlich, dass pseudo-ethische Aussagen der TechBros keinen Pfifferling wert sind: Green-IT, Inklusion im Betrieb, Eintreten für soziale Rechte, Schutz von Frauen, Umweltschutz, Moderation von Inhalten ... das ist alles Bullshit und diente lediglich dazu, die Firmen gemäss den aktuellen gesellschaftlichen Strömungen möglichst gut aussehen zu lassen. Das waren alles Lügen, die nur der Gewinn- und Machtsteigerung galten.
- Doch in dieser Folge geht es um die Gründe und Auswirkungen für Fluchtbewegungen in den digitalen Medien. Meta-Chef Zuckerberg will seine Dienste Facebook, Instagram, Threads und Whatsapp künftig an der Philosophie von Elon Musk ausrichten. Wie auf der Plattform X, soll es auch bei den Meta-Diensten bald keine Faktenchecks und Inhalts-Moderation mehr geben.
- Das informelle Kartell, zu dem sich Microsofts Satya Nadella, Metas Mark Zuckerberg, Apples Tim Cook, Alphabets Sundar Pichai und Amazon-Gründer Jeff Bezos zusammengetan haben, um dem designierten 47. US-Präsidenten zu schmeicheln, ist kein Zufall. Für alle wird Trumps Mann fürs Grobe - Elon Musk - die Regeln diktieren.
- In einem solchen Umfeld könnte man Wanderbewegungen vermuten: weg von den GAMAM-Produkten, hin zu freien und selbstbestimmten Diensten. Die Möglichkeiten dafür sind gross und reichen von Betriebssystemen, Software, Cloud-Angeboten bis zu den sozialen Medien. Wir haben Letztere betrachtet.
- Ein Blick auf die Fediverse-Statistiken zeigt diese Zahlen:
- 11 Mio. User (+ 147 k im Januar)
- 1.1 Mio. aktive User im Januar (+ 104 k im Januar)
- 28000 Server (- 164 im Januar)
- Die fünf grössten Dienste im Fediverse sind:
- Mastodon (7.7 Mio. User auf 10'180 Servern) - Microblogging
- Misskey (1.0 Mio. User auf 1'245 Servern) - Microblogging
- PeerTube (491 t User auf 1'300 Servern) - Videos
- Lemmy (470 t User auf 577 Servern) - Link Aggregator
- Pixelfed (400 t User auf 580 Servern) - Bilder
- Auf den Kurven der Statistikseite FediDB.org kann man kaum Sprünge entdecken. Dennoch berichtet der Pixelfed-Gründer Daniel Supernault am 14. Januar auf Mastodon von über 11'000 neuen Nutzer:innen innerhalb von 24 Stunden. Für mich klingt das eher wie das Pfeifen im Walde, statt nach einer Fluchtbewegung.
- Schaut man auf die Einzelstatistiken von Mastodon und Pixelfed, wird das Bild klarer. Hier zeigt sich ein sprunghafter Anstieg in fast allen Messgrössen ab November 2024. Doch wie korrelieren diese Zahlen mit dem Speichellecken der BigTec-Firmen? Erst Anfang 2025 haben sich die Bros zum neuen Feudal-Regime bekannt. Eine mögliche Antwort wäre, dass die US-Präsidentschaftswahl am 5. November stattfand und viele Nutzer:innen das Wahlergebnis als Fluchtanlass gesehen haben, was mich erstaunen würde.
- Doch meine These erhält Rückendeckung, wenn man sich die Berichte über die X-to-Bluesky Migration anschaut. Die Zeitung Rheinische Post schrieb am 7. Januar:
- Seit der US-Präsidentschaftswahl Anfang November hat sich die Plattform explosionsartig entwickelt. Statt nach Kanada umzuziehen, verlegt das andere Amerika seinen Wohnsitz im Netz.
- Nach Angaben von Bluesky-Chefin Jay Graber verzeichnet der Dienst derzeit ein Wachstum von einer Million neuen Nutzern pro Tag. Innerhalb weniger Wochen stieg die Nutzerzahl von zehn auf mehr als 25 Millionen. Angetrieben wird das Wachstum durch den demonstrativen Wechsel prominenter Nutzer.
- Ich nenne das einen unbedachten Umzug innerhalb der Aufmerksamkeitsökonomie. Doch schauen wir erneut auf die Zahlen, um X, Bluesky und das Fediverse, bzw. Mastodon in Relation zu setzen:
- X hat 600 Mio. Nutzer:innen
- Bluesky hat 20 Mio. Nutzer:innen
- Mastodon hat 8 Mio. Nutzer:innen
- Ganz grob gesagt, unterscheiden sich diese Dienste um den Faktor 10 voneinander.
- Ist es eine gute Idee, von X auf Bluesky umzusteigen? Bluesky ist eine Public Benefit Limited Liability Company mit unverdächtigen Führungskräften. Kürzlich hat Bluesky eine A-Finanzierungsrunde in Höhe von 15 Mio. US-Dollar abgeschlossen. Geleitet wurde die Finanzierung von Blockchain Capital, hinter welcher sich Investoren aus der libertären Tech-Ecke versammeln: Brock Pierce, Steve Bannon, u. a.
- Ist es eine gute Idee, von asozialen Medien auf das Fediverse umzusteigen? Das hängt von deinen Zielen und deiner Ethik ab. Politiker, grosse Firmen und Medienschaffende hadern immer noch mit den Phantomschmerzen. Die Aufmerksamkeitsökonomie hält sie mit eisernem Griff gefangen. Sie wollen die Aufmerksamkeit ihrer Audienz nicht um den Faktor 100 reduzieren. Ihr Argument ist: "Wenn ich mich korrekt verhalte, hört mich keiner mehr." Dieses Argument ist grundfalsch. Es erinnert mich an das Dilemma zwischen dem rechtsstaatlichen Verhalten der EU gegenüber Putin und Trump, denen internationales Recht dermassen egal ist.
Links
- https://de.wikipedia.org/wiki/Project_2025
- https://de.wikipedia.org/wiki/Feudalismus
- https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/mark-zuckerberg-kuendigt-richtungswechsel-bei-facebook-und-instagram-an-a-8639e621-2866-495c-888e-de50eb42c32a
- https://fedidb.org/
- https://futurezone.at/apps/instagram-konkurrent-alternative-pixelfeld-app-ios-android-meta/402998621
- https://rp-online.de/politik/deutschland/x-alternative-bluesky-eine-million-neue-nutzer-pro-tag_aid-122609311
- https://bsky.social/about/blog/10-24-2024-series-a
- https://en.wikipedia.org/wiki/Blockchain_Capital
Outro
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