Ein Anfang in der Fremde – Folge 1 der Palästina-Reihe von Diaphotiso
Dies ist die erste Folge einer Podcast-Serie, die zurückblickt auf den Anfang einer folgenreichen Entwicklung – den Beginn des zionistischen Siedlungsprojekts in Palästina. Wir schreiben das Jahr 1878. Die Welt kennt noch kein Israel, keinen Nahostkonflikt, keine UN-Resolutionen, keine Waffenstillstandslinien. Doch genau hier, in einem unscheinbaren Sumpfgebiet bei Jaffa, beginnt die Geschichte: mit der Gründung von Petah Tikva – dem „Tor der Hoffnung“.
Was auf den ersten Blick wie eine einfache Auswanderung aus Osteuropa erscheinen mag, war in Wahrheit ein politischer und ideologischer Aufbruch. Juden aus Litauen, Rumänien oder Russland – oft traumatisiert durch Pogrome, Entrechtung und soziale Ausgrenzung – suchten nicht nur Schutz. Sie suchten Souveränität. Und sie fanden beides nicht im Westen, sondern in Palästina – einer damals überwiegend von arabischen Bauern und Handwerkern bewohnten Region des Osmanischen Reiches.
Diese erste Folge erzählt von der Umwandlung eines kollektiven Traumas in ein nationales Projekt. Sie zeigt, wie aus Opfern politische Akteure wurden. Und wie sich in der Hoffnung auf ein sicheres Leben bereits das nächste Unrecht ankündigte.
Wir sprechen über die Pogrome im Zarenreich, über die ersten Siedlungen wie Petah Tikva, Rishon LeZion und Rosch Pina – aber auch über die Rolle wohlhabender Förderer wie Edmond de Rothschild oder Moritz Freiherr von Hirsch, die den Siedlungsprozess mit Kapital, Struktur und Ideologie ausstatteten. Dabei stellen wir die Frage: War das wirklich eine Rückkehr ins „Land der Väter“ – oder doch der Beginn eines kolonial motivierten Anspruchs auf fremdes Land?
Die Folge beleuchtet außerdem eine oft übersehene Perspektive: die der arabischen Bevölkerung. Schon früh warnen zionistische Intellektuelle wie Ascher Hirsch Ginsberg (Achad Ha’am) vor Verachtung und Gewalt gegenüber den „Eingeborenen“. Und 1886 schreibt Ilja Alfonsowitsch Rubanowitsch, ein jüdischer Sozialrevolutionär aus Russland, warnend: „Was soll dann mit den Arabern geschehen? Werden etwa die Juden einwilligen, Fremde unter den Arabern zu sein, oder sollten sie die Araber zu Fremden unter ihnen machen wollen?“
Diese und andere Stimmen zeigen: Der Widerspruch war früh erkannt – und wurde dennoch verdrängt. Denn aus der Erfahrung der Ohnmacht erwuchs eine neue Logik: Wenn wir jemals sicher leben wollen, müssen wir herrschen. Wenn wir ein Zuhause wollen, müssen wir definieren, wer dazugehört – und wer nicht.
So begann ein Projekt, das mit Sprache arbeitete: Die Begriffe „Aliya“ (Aufstieg), „Heimstätte“ und „Rückkehr nach Zion“ klangen spirituell – meinten aber politisches Eigentum, nationale Kontrolle und Exklusivität. Ein „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ – dieser Satz begleitete die Bewegung, obwohl in Palästina bereits Hunderttausende arabische Menschen lebten.
Diese erste Podcastfolge möchte nicht werten, sondern verstehen. Sie verfolgt, wie sich eine nationale Idee entwickelte, wie sie gedacht, erzählt und legitimiert wurde. Und sie legt das Fundament für das, was in den kommenden Folgen zur Sprache kommt: die ideologische Radikalisierung, die politische Institutionalisierung und schließlich die militärische Umsetzung der zionistischen Idee.
„Ein Anfang in der Fremde“ fragt nicht nur, was geschah – sondern warum es geschah. Und sie fragt: Könnte man die Geschichte auch anders erzählen? Ohne Mythos. Ohne Auslassung. Ohne moralische Überhöhung.
Wenn du verstehen willst, warum die Gegenwart in Israel und Palästina so ist, wie sie ist – dann ist dies der richtige Ort, um anzufangen.
Willkommen bei Diaphotiso. Wir schauen hin.