Share Episoden der Mediation (INKOVEMA-Podcast)
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By Dr. Sascha Weigel
The podcast currently has 22 episodes available.
Das Merkmal der Freiwilligkeit ist ein konstitutives Merkmal der Mediation und Konkretisierung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips, das die Mediation als Konfliktbearbeitungsverfahren überragt. Ohne Eigenverantwortlichkeit ist Mediation nicht durchführbar und damit auch nicht ohne Freiwilligkeit. ABER - und das ist wichtig - Mediation ist kein hedonistisches Verfahren. Für den Hedonismus ist das höchste ethische Prinzip das Streben nach Sinneslust und Sinnesgenuss. Und davon kann bei Mediation nicht die Rede sein.
Auch in einer Welt, die den Individualismus fördert, z.B. durch individuelle Rechte, Menschen- sowie auch Grundrechte, in dieser Welt, die sich granulär ausnimmt, singuläre Persönlichkeiten produziert, generell die Persönlichkeitsentfaltung und vor allem -entwicklung fordert, die das Selbstmanagement bis hin zur Selbstoptimierung belohnt, auch in dieser Welt ist Mediation keineswegs nur denjenigen vorbehalten, die darin Lust verspüren, an ihren Konflikten zu wachsen und Mediation als transformative Veranstaltung interpretieren.
Mediation findet im Prinzip auch dann freiwillig statt, wenn die Beteiligten Unlust, Unbehagen, ja mitunter auch Ekel und Entsetzen empfinden. Vergleichbare Phänomene, die Menschen freiwillig, wenn auch mit Unbehagen ausführen, ist das schlecht schmeckende Mittagessen, das sich gekauft wurde (aber Essen muss der Mensch ja!); die Ehe, die zwar aufgelöst werden könnte, zuweilen - aus medizinischer, Kindeswohl oder sonst dritter Sicht auch müsste, aber dennoch fortgeführt wird; ebenso das Arbeitsverhältnis, das keineswegs ein Zwangsverhältnis ist, erst recht nicht in einem Sozialstaat, in dem sich zunehmend mehr ein Arbeitnehmermarkt etabliert. Die Auflistung könnte noch um viele ähnliche Phänomen fortgeführt werden. Deutlich wird jedoch bereits hier, dass der Begriff der Freiwilligkeit nicht allein an subjektiven Empfindungen in einem subjektiv definierten Zeitmoment geknüpft werden kann, sondern sich diese Empfindungen in einem objektiven Korsett einfügen müssen. Oder kurz: Mediation ist keine hedonistische Veranstaltung, ich sage es gern noch einmal an dieser Stelle.
So hat schon die europäische Mediations-Richtlinie 2008/52/EG in Art. 3 betont, dass ein richterlicher Vorschlag, eine richterliche Anordnung oder eine gesetzliche Vorgabe zu einer Mediation möglich und rechtmäßig ist.
Und in der Praxis ist dieses Thema ebenso relevant wie verwirrend, fordert die Mediator*innen ebenso wie die Auftraggeberpersonen und Konfliktparteien gleichermaßen heraus. Bei mir jedenfalls sind die Mediationen schlichtweg ungezählt, bei denen ich mit den Konfliktparteien darüber sprechen musste, was Freiwilligkeit im Sinne des Gesetzes meint - und inwiefern sie freiwillig mitmachen (müssten).
Ebenso ist das Merkmal als gesetzliches Merkmal des § 1 Abs. 1 MediationsG umstritten. Danach ist die Mediation ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren ist, bei dem die Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konfliktes anstreben. Und nach § 2 Abs. 2 MediationG hat sich die Mediationsperson zu vergewissern, ob die Konfliktparteien freiwillig an der Mediation teilnehmen. Also Gespräche zur Freiwilligkeit fordert das Mediationsgesetz!
Unter Jurist*innen ist dieses gesetzliche Merkmal auch umstritten - und Gerichte hatten bisher nicht viele Möglichkeiten, die Auslegung dieses Merkmals zu praktizieren und damit zu vertiefen.
Und unter Mediator*innen ist dieses Merkmal wohl noch mehr umstritten.
Deshalb ist es wichtig, die Fragestellungen klar zu definieren und sich über das Verhältnis von Recht und Mediation bewusst zu bleiben: Die Frage nach der Freiwilligkeit ist
Auch wenn das Gesetz noch Freiwilligkeit erkennt, bedeutet das nicht, dass alle Mediatorinnen die Mediation auch durchführen würden. Unter professionellen Aspekten kann man als Mediatorin durchaus höhere Ansprüche an die Verfasstheit der Konfliktparteien stellen als das das Mediationsgesetz macht. Nur eben geringere Ansprüche reichen nicht aus. Das ist die Logik des Gesetzes.
Ich möchte mich in diesem praxisorientierten Lehrpodcast den unterschiedlichen Facetten dieses Merkmals in den kommenden Episoden nähern, anhand von Praxisfällen, soweit möglich, das Verständnis vertiefen.
Heute beginne ich damit, Fallkonstellationen zu verdeutlichen, in denen - soweit ich die Literatur und Meinungsvielfalt dazu überblicke - unzweifelhaft Unfreiwilligkeit gegeben ist. Widersprüche und andere Meinungen sind freilich erlaubt - und in den Kommentaren auf der Webseite oder in den Sozialen Medien bzw. per E-mail erwünscht.
Fall 1) Trennungs- und Scheidungsmediation
Fall 2) Arbeitswelt
Generell muss bei Arbeitsplatzkonflikten und der Frage nach der Mediation im Ausgangspunkt unterschieden werden, ob es sich
Fall 3)
Fall 4)
Fall 5)
Hier sind allerdings die Grenzen schwierig zu ziehen zu der Tatsache, dass im Hintergrund des Direktionsrechts steht derartige vertragliche Sanktionen lauern. Denn im Grundsatz ist anerkannt, dass der Arbeitgeber (auch aus Fürsorgepflichten heraus, die gegenüber den Arbeitnehmern bestehen!) Konsequenzen aus der ungelösten Konfliktsituation ziehen muss - und Mediation ein milderes Mittel für Arbeitnehmerpersonen ist, soweit sie dadurch diese Veränderungen mitbestimmen und Einfluss darauf nehmen können. Hier werden wir in den nachfolgenden Episoden näher drauf eingehen müssen. Das ist ganz praktisch der Nebel- und Graubereich der Theorie. Zunächst lässt sich jedoch festhalten, dass die Androhung konkreter Nachteile die Unfreiwilligkeit in der Regel begründen.
Fall 6)
Fall 7)
Fall 8)
Diese Grundstruktur der Konstellation - Dreiecksverhältnisse - lässt sich in etliche Bereiche gesellschaftlichen Lebens und einer sozialen Teilhabe dazu übertragen:
Fall 9) Kommunalbereich/Nachbarschaftskonflikte
Fall 10) Schulwesen
Fall 11) Vereinswesen
Fall 12) Erzwungene Mediation im Bankwesen
Fall 13) Erzwungene Mediation bei öffentlichen Aufträgen
Fall 14) Erzwungene Mediation im Hochschulbereich:
Fall 15) Erzwungene Mediation in religiösen Gemeinschaften:
Das war's für dieses Mal, vielen Dank fürs Zuhören, und vielleicht konntest Du die ein oder andere Idee für einen Deiner Fälle entwickeln, weiterspinnen und Entscheidungen treffen. Dafür wünsche ich gutes Gelingen!
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Für den Moment verabschiede ich mich bei dir mit den besten Wünschen. Bis zum nächsten Mal!
Komm gut durch die Zeit!
Herzlich Willkommen zu den Episoden der Mediation,
dem Podcast von INKOVEMA zu den praktischen Fragen der Mediation und des Konfliktmanagements.
Ich bin Sascha Weigel und erläutere in diesem Podcast Fallfragen aus meiner Mediations- und konfliktberaterischen Praxis. Ich stelle Konzeptionen und Modelle der Mediation vor und ordne unterschiedliche Perspektiven und Entscheidungsmöglichkeiten ein.
Das ist Folge 21 – Konfliktmediationen mit Arbeitnehmervertretungen
Unterschiedliche Mediationskonstellationen im Kontext von Betriebsräten, Personalräten oder Mitarbeitervertretungen.
In der vergangenen Episode bin ich auf die Herausforderungen eingegangen, die die strukturellen Besonderheiten von AN-Vertretungen in Organisationen bei der mediativen Konfliktbearbeitung mit sich bringen.
Dabei habe ich den Ausgangspunkt, dass es sich um Organisationsmediation handelt, bei denen es letztlich nur eine Auftraggeberin gibt, namentlich die Organisation. Das würde für den Auftragsklärungsprozess dazu führen, dass eben dieser Klärungsprozess, was die Organisation, vertreten durch die GF/HR mit der Mediation, erreichen will, den Mediationsgesprächen im engeren Sinne, den eigentlichen Vermittlungsgesprächen vorgeschaltet werden muss- anders als bei einer klassischen Mediation.
Jedoch würde diese Vorgehensweise, die für eine Organisationsmediation bedeutsam ist, die besonderen (kollektivbezogenen) Rechte und damit die Stellung des Betriebsrats missachten. Für die Mediation und Organisationsberatung ist es daher ganz praktikabel, soweit der Betriebsrat Konfliktpartei ist(!), die Vorgehensweise einer klassischen Mediation zu wählen, bei der zwei gleichberechtigte Partner eine Mediation wünschen (oder auch nicht, was aber im Auftragsklärungsprozess, also in der Kontraktphase – Episoden 13 und 14). Der Betriebsrat kann also unter praktischen Erwägungen für eine Prozessberatung i.S.d. Mediation und Organisationsberatung als eine eigenständige Organisation der Organisation angesehen werden. Zwar gibt es den Betriebsrat nicht ohne die Organisation, aber dennoch führen die Rechte des Betriebsrats, die das Betriebsverfassungsgesetz verleiht, dazu, dass es sich im Rahmen dieser Rechte um eine eigenständige Organisation handelt, die auch so von externen Beratungspersonen behandelt werden können.
Zusammenfassend: Bei Organisationsmediationen, bei denen die Arbeitnehmervertretungen Konfliktpartei sind, kann man im Wege einer Klassischen Mediation vorgehen, also eine Mediation zwischen zwei gleichberechtigten oder besser nicht gegenseitig weisungsbefugten Konfliktparteien ansetzen.
So bin ich aktuell in einem Industriebetrieb für die Standortleitung und den Standortbetriebsrat als Mediator tätig, die diese Mediation ausgehandelt haben, um den eskalierenden Schritt zur Einigungsstelle zu verhindern. In diesem Spannungsfeld ist auch die Motivation zur Mediation anzusiedeln, denn keineswegs alle Personen in diesen Gremien und Personenkreisen sind von diesem Weg überzeugt – und bringen das auch zum Ausdruck.
Ich möchte aber noch auf eine weitere Besonderheit aufmerksam machen, auf die mich in den vergangenen Wochen die Praxis gestoßen hat: Ein Mitarbeiter hat in einer großen Wissenschaftsinstitution eine Mediation mit Kollegen und besonderen Beauftragten verlangt, nachdem Beschwerden über sein Verhalten dazu geführt haben, dass er formelle Anweisungen von seinem Arbeitgeber erhalten hat, die die Ausführung seiner gewohnten Arbeitsweise beschränkten. Diesen Anweisungen hat er sich, anwaltlich beraten und vertreten, entgegengestellt und eine Mediation mit den Beschwerdeführer*innen angeregt.
Der Fall weist in der Tat noch viele Aspekte auf, die ganz unterschiedlich gedeutet werden und für die Mediation selbst nicht ganz unproblematisch sind. Hier kommt es mir auf folgenden Punkt an: Die formelle Anweisung steht den anvisierten Mediationsgesprächen zwischen den unmittelbaren Kolleg*innen zunächst im Wege, denn diese Gespräche können diese Anweisungen nicht aus der Welt schaffen, deren Autorität aber durchaus untergraben.
Deshalb bin ich hier dem Weg gefolgt, zunächst zwischen den Vertreter*innen des Arbeitgebers und der angewiesenen Person Vermittlungsgespräche anzuberaumen, bei denen diese Konfliktparteien die Möglichkeit haben, sich gegenseitig ins Bild zu setzen, Ihre Ansprüche aneinander und auch Interessen darzulegen, vor allem aber auch die Leitplanken zu verdeutlichen, die möglicherweise, wenn auch unwissentlich übertreten wurden.
Und erst im Anschluss ist es dann möglich, soweit dann auch noch nötig, zwischen den Kolleginnen und besonders Beauftragten, ggf. auch den Organisationsklientinnen, also den Kundinnen der Organisation unmittelbare Vermittlungsgespräche zu führen. Spezifischer kann ich hier nicht darauf eingehen, weil es mir um die Strukturvermittlung in diesem Lehrpodcast geht, nicht um Gossip. Ich hoffe aber, ich konnte die Strukturen deutlich vermitteln und die Fragen, die sich für die Mediatorinnen hier stellen, verdeutlichen und beantworten.
Eine dritte und letzte Konstellation mit einer Arbeitnehmervertretung will ich noch einbringen in diese Episode: Ein traditionsreiches Familienunternehmen, aufgestellt als weltweit agierender Konzern, hat einen Produktionsstandort, der auch in der Zentrale mit Sorge betrachtet wird. Die Konflikte am Standort, in deren Gemengelage keineswegs nur die Standortleitung und der Standortbetriebsrat involviert sind, sondern auch große Teile der Belegschaft, führen dazu, dass vor Ort eine Mediation zwischen Unternehmensvertreterinnen und dem Betriebsratsgremium erwünscht sind und auf Wunsch aller auch anberaumt werden. Ein recht aufwendiger Such- und Entscheidungsprozess führte dann dazu, dass ich und mein Team als Mediatorinnen tätig werden dürfen und wollen.
Auch wenn hier die kollektivbezogenen Rechte des Betriebsrats durchaus in Rede standen, also zumindest konfliktär in die Konfliktkommunikation geführt wurden, haben ich und mein Team die Situation nicht konzeptionell so strukturiert, dass wir von einer klassischen Mediation zwischen zwei gleichberechtigten bzw. – wie weiter oben benannt – gegenseitig nicht weisungsberechtigten Konfliktparteien (Arbeitgeber und Betriebsrat) ausgegangen sind, sondern empfahlen, die Standortleitung einerseits und den Betriebsrat andererseits als Konfliktparteien zu behandeln – und die Konzernleitung, also die Führungsfiguren in der Zentrale als auftraggebende Personen(gruppe) zu konzipieren, die ebenjenen Standort-Konfliktparteien eine Mediation gewährt, mit dem Wunsch und Auftrag, die Konflikte zu klären und gemeinsame Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen; d.h. die Bedingungen dafür auszuhandeln.
Das war’s für dieses Mal, vielen Dank fürs Zuhören, und vielleicht konntest Du die ein oder andere Idee für einen Deiner Fälle entwickeln, weiterspinnen und Entscheidungen treffen. Dafür wünsche ich gutes Gelingen!
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Dr. Sascha Weigel
Eine Mediation zwischen der Vertretung der Arbeitnehmerschaft (BR, PR, MAV) und dem Arbeitgeber (Geschäftsleitung bzw. Personalleitung) ist keineswegs ungewöhnlich, aber in ihrer Anlage und Durchführung auch keineswegs selbstverständlich. Zudem kommt, dass die AN-Vertretung auch lediglich am Spielfeldrand des Konflikts steht, aber jederzeit bereit, genau dieses zu betreten. Arbeitnehmervertretungen können sich faktisch selbst einwechseln.
Um dieses strukturell bedingte Konfliktverhältnis zwischen Arbeitnehmervertretungen und den jeweiligen Organisationen soll es in dieser Episode gehen. Denn wir können an diesen Konfliktverhältnissen Grundideen der Mediation sowie gängige Praktiken der Mediation auf den Prüfstand stellen. Ich möchte also Einblick in meine Praxis mit diesen Konfliktkonstellationen geben, andererseits aber auch Grundbausteine und Praktiken der klassischen Mediation reflektieren und ihre Anwendungen lehren.
Wenn Du im Zuge der Episode Fragen hast, sende mir doch eine Sprachnachricht - und ich werde sie in der nächsten Sendung bzw. im Podcast Gut durch die Zeit beantworten, bei dem ich regelmäßig, namentlich wöchentlich veröffentliche.
Die Inhalte dieser Episode stammen aus Beispiele aus meiner beraterischen und mediatorischen Praxis der vergangenen Jahre und umfassen hier ca. knapp drei Dutzend Konfliktberatungen, bei denen Betriebsräte direkt involviert waren bzw. durch meine Intervention involviert wurden.
Hier deutet sich schon eine erste Erkenntnis an, wenn wir zu Konflikten in Unternehmungen und Organisationen hinzugerufen werden: Arbeitnehmervertretungen sind keineswegs immer Konfliktpartei, aber infolge Ihrer „kollektivbezogenen Rechte“ stets im Einzugsgebiet des Konflikts. Gerade weil die von der Organisation initiierte mediative Konfliktbearbeitung den BR auf den Plan ruft bzw. rufen sollte, ist es für Mediatoren nicht die schlechteste Idee, sie immer mitzudenken, auch wenn sie nicht vom Auftraggeber benannt werden. Dann müssen wir proaktiv im Auftragsklärungsprozess nachfragen, ob es eine AN-Vertretung gibt, inwiefern sie informiert ist oder es überlegenswert ist, diese aktiv einzuschalten - proaktiv von Seiten der GL oder PL! Das erscheint für uns Externe mitunter riskant, lohnt sich aber in aller Regel und in jeder Hinsicht. Wenig ist ärgerlicher und fällt auf uns Externe zurück, wenn sich im Laufe des Mediationsprozesses oder gar erst im Anschluss der BR oder die MAV einschalten würde und all die bereits getane Arbeit in Frage stellt, in Frage stellen muss, weil AN-Rechte nicht beachtet wurden. Das ist auch für die beauftragende Organisation in aller Regel ärgerlich.
Welche Herausforderungen stellen sich bei Organisationsmediationen mit Blick auf die AN-Vertretungen (Betriebsräte und Personalräte, MAV)?
1. Im Grundsatz handelt es sich um eine Organisationsmediation, d.h. es gibt nur eine Auftraggeberin - anders als bei einer klassischen Mediation, bei in aller Regel zwei Auftraggeberseiten die Mediation beauftragen. Dennoch ähnelt in Mediationen, bei denen ein BR eine Mediationspartei ist, die Grundstruktur einer klassischen Mediation. Denn die GL oder PL kann den BR/PR nicht die Mediation, genauer gesagt, den Beginn einer Mediation anordnen. Die BR-Mitglieder sind mit besonderen Rechten ausgestattet, weshalb der Start einer Mediation nicht im Einzugsbereich des arbeitgeberrechtlichen Direktionsrecht liegt. Wie bei einem klassischen privaten Konflikt startet die Mediation überhaupt nur dann, wenn „vorab“ beide Konfliktparteien zugestimmt haben, also von der Mediation als Verfahren und dem Mediator als Vermittler überzeugt sind. Sie können nicht erst in der Mediation überzeugt werden! Dort verlieren sie allenfalls ebenjene wieder. Was heißt das für die Praxis? Halte als angefragte Vermittlungsperson so früh wie möglich danach Ausschau, wenn sich eine passende Gelegenheit ergibt, nach der Existenz, der Involviertheit oder Einbindung der ANVertretung zu fragen, ohne aber freilich taktlos und herumpolternd aufzutreten! Verwende mit der Auftraggeberperson ausreichend Zeit für die Frage, was die klügste und passendste Vorgehensweise ist, den BR anzusprechen und zur Mediation einzuladen. Zu Beginn der Coronazeit hatte ich ein IT-Team betreut, bei dem ein Mitglied auch im BR war und für den Institutsleiter zunächst kein Grund bestand, den Betriebsrat seinerseits einzubinden in seine Absicht, mit Hilfe einer Mediation die Konflikte in diesem Team beizulegen. Um jedoch die Rollenvielfalt im Blick zu behalten und die potenzielle Wirkkraft der AN-Vertretung angemessen zu würdigen, war es angezeigt, den BR formell korrekt zu informieren und einzuladen, die Mediation aktiv zu unterstützen. Es war keineswegs ausgemachte Sache, dass das Teammitglied diesen seinen Konflikt auch im Betriebsrat eingebracht hat. Es kam auf die proaktive Einbindung durch die IL an.
2. Wenn die GL und der BR gemeinsam die Mediation als Werkzeug nutzen und der BR sozusagen die Mediation mitbeauftragt, ist m.E. nach ein wirkmächtiger Rahmen für die Konfliktklärung gesetzt. Arbeitnehmer, die untereinander in Konflikt geraten sind, gehen eine mediative Klärungsarbeit disziplinierter, ernsthafter und auch konsequenter an, wenn beide Schutz- und Fürsorgeorgane diese Mediation unterstützen. Denn einerseits hat der AG gesetzliche Fürsorgepflichten gegenüber AN, ebenso aber auch der BR, wie BetrVG ausweist. Das betrifft die Konstellation, dass Mitarbeiter untereinander in Konflikt geraten sind und AG sowie BR als Organisationsvertretungen das Instrument der Mediation befürworten.
3. Ist der Betriebsrat als Gremium selbst Konfliktpartei, kommt es zunehmend mehr zu Mediationen mit der GL oder HR, obschon das kollektive Arbeitsrecht ein eigenes und wohlbekanntes KM-Programm dafür vorsieht, Stichwort: Einigungsstelle. Scheitern zwischen den Organen der Unternehmung eigenständige Verhandlungen, sieht das Recht vor, diese Einigungsstelle an- und einzuberufen. Da dieses Verfahren allgemein hin als ein enormer Eskalationsschritt gewertet wird, wird - soweit ich das überblicke - zunehmend das Instrument der Mediation „vorgeschaltet“. Das ist sicher kein großflächiges Phänomen, aber für meine Praxis kann ich das feststellen. Das Recht jedenfalls erlaubt dieses Vorgehen und sieht die eigenen Regelungen nicht als abschließendes Eskalationsprogramm an. Und für Mediatoren ist das ein gutes Arbeitsfeld, weil hier die Bedeutung des Konflikts sowie die finanzielle Ausstattung der Beteiligten wichtige Voraussetzungen schaffen für einen gelingenden Sprung über die AnfangsHürde. Das Ja zur Mediation ist der Engpass für die Mediation. Das sei hier nochmals betont.
4. Eine besondere Herausforderung für die Konfliktvermittlung besteht darin, dass der BR bzw. PR Gremien sind, die für sich per Beschluss ihren Willen kundgeben. Es stellt sich das Principal-Agent-Problem. Nimmt das gesamte Gremium an den Mediationsgesprächen teil, was m.E. nicht selten ist, vor allem, wenn der BR Konfliktpartei ist, stellt sich das Problem freilich nicht. Sind allerdings lediglich Vertreter anwesend, dann ist die Rückkopplung der Inhalte und Absprachen zu beachten, der Umfang des Verhandlungsmandats sowie die ggf. Verführungssituation, ein doppeltes Spiel zu spielen, sei es, dass das abwesende Gremium genutzt wird, um in der Mediation nichts zu entscheiden, sei es, dass das Gremium hintergangen wird bzw. das in der Mediation - vielleicht auch fahrlässig - provoziert wird.
Aber dazu in einer eigenen Episode demnächst mehr.
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3. Phase einer Mediation - Die Kreationsphase
Auch die dritte Phase, die Kreationsphase besteht aus zwei Schritten, wie bereits die anderen beiden Phasen auch.
Vorbemerkung
a) Das betrifft § 2 VI MediationsG
Die Kreationsphase lässt sich - ebenso wie die anderen Phasen - in zwei Schritten absolvieren:
Im ersten Schritt:
Im zweiten Schritt geht es darum zu entscheiden.
Was sonst noch wichtig ist!
Umsetzungsphase und -nöte.
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Das ist Folge 18 der Episoden der Mediation - Die Unkenntnis der Verhandlungspartner über die Existenz eines Verhandlungsspielraumes.
Problemdarstellung
Der Verhandlungsspielraum ist die Konsequenz verschiedener Referenzpunkte, die die beteiligten Verhandlungspartner je für sich festlegen. Der Verhandlungsspielraum meint nicht die Bandbreite einer Person, innerhalb derer er bereit ist, sich auf eine Einigung einzulassen und damit den Bereich, der zwischen dem Verhandlungsziel und dem minimalen Verhandlungsergebnis (Schmerzgrenze) liegt. Der Verhandlungsspielraum ist die Konsequenz eines sozialen Geschehens zwischen den Verhandlungspartnern.
Neben dem schon genannten Verhandlungsziel und dem minimalen Verhandlungsergebnis gilt es noch den dritten Referenzpunkt zu benennen, das Eröffnungsangebot, das in aller Regel besser als das Verhandlungsziel sein wird, also im Falle des Zahlenden geringer als das Verhandlungsziel. Daraus ergibt sich ein klassisches Auftaktproblem in Verhandlungen.
Das Auftaktproblem der Verhandlungspartner ist Folgendes, das in den Shownotes grafisch dargestellt ist: Die Verhandlungsparteien wissen nichts vom dem minimalen Verhandlungsergebnis der jeweils anderen Partei. Daher wissen die Verhandlungsparteien auch nicht, ob das eigene minimale Verhandlungsergebnis sich mit dem minimalen Verhandlungsergebnis der anderen Seite überschneidet und auf diese Weise ein Aushandlungszone, eine Zone of possible agreement (ZOPA) gegeben ist. Darauf werde ich in einer anderen Episode näher drauf eingehen.
Ich möchte einen Beispielsfall einbringen, den ich kürzlich in meiner Praxis, bearbeitet habe: Für ein trennungswilliges Elternpaar standen Ausgleichszahlungen an, bei denen lediglich die absoluten Beträge als faktische Begrenzungen bekannt waren. Sie lagen zwischen € 0,- und € 800,-, was die absolut niedrigste (und für sie unannehmbare) Zahlung war und die absolut höchste (und für ihn unannehmbare) Zahlung war.
Da beide Partner nicht das minimale Verhandlungsergebnis des jeweils anderen kannten, wussten sie von Beginn an nicht, ob es überhaupt einen gemeinsamen Verhandlungsspielraum gibt, also eine Zone der Einigungsmöglichkeit. Denn liegen die minimalen Verhandlungsergebnisse dergestalt auseinander, dass sie keine Überschneidungen aufweisen, gibt es keine ZOPA, keine Zone of possible Agreement.
Beispiel: Ist seine Schmerzgrenze (minimales Verhandlungsergebnis), dass er nicht mehr als 250,-€ zu zahlen bereit ist und das von Ihr eine Mindestzahlung (minimales Verhandlungsergebnis) durch ihn in Höhe von 500,-€, dann gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Auch wenn diese vielleicht dadurch zustande kommen kann, dass die Parteien von diesen persönlichen Begrenzungen gehört haben (und jeweils zu Anpassungen bereit sein, davon wird noch die Rede sein).
Welche Aufgabe kann nun einem vermittelnden Verhandlungshelfer hier zukommen? Dieses Wissensgefälle abzubauen und die Verhandlungsrisiken einzudämmen.
Lösungsansatz
Für den vermittelnden Verhandlungshelfer,
Was heißt das konkret?
2) Der Wert seiner Hilfe ist, festzustellen, ob es einen Verhandlungsspielraum gibt, ohne dass die Beteiligten ihre minimalen Verhandlungsziele einander verraten müssen. Dafür habe ich den beiden Parteien angeboten, dass sie ihr Minimalziel auf einen Zettel schreiben. Diese Zettel werden mir gegeben mit der Maßgabe, dass ich die Zahlen niemals verraten und die Zettel nach Sichtung sofort zerstören werde. Im Anschluss teile ich mit, ob es einen Verhandlungsspielraum gibt und sich die notierten Minimalziele überschneiden oder nicht. Überschneiden Sie sich, wissen die Beteiligten, dass es sich lohnt zu verhandeln. Es gibt eine ZOPA, eine Zone of possible Agreement. Überschneiden sie sich nicht, ist nicht aller Tage Abend, sondern die Beteiligten sind jetzt gefordert, ob sie doch noch ihre Schmerzgrenze verschieben oder nicht. Haben sie vorher sauber gearbeitet, dürfte das nicht eintreten, aber in der Praxis habe ich schon die dollsten Dinger erlebt.
Wichtig ist, dass die Beteiligten genau erklärt bekommen, was mit ihrem Zettel geschehen wird und was der Verhandlungs- und Konfliktvermittler mit der Kenntnis von den Minimalzielen tun wird. Und wenn Sie zu Beginn versprechen, diese Zahlen nicht zu verraten, dann sollten sie das auch im Nachgang, wenn alles gut verlaufen ist, nicht tun. Niemals.
Beim nächsten Mal
Vielen Dank fürs Anhören dieser Episode. Beim nächsten Mal widmen wir uns der dritten Phase innerhalb einer Mediation, der sog. Kreationsphase und werden alsbald wieder mit Verhandlungslehre und Verhandlungspsychologie beschäftigen.
Für den Moment bedanke ich mich, dass Sie wieder mit dabei waren.
Bleiben Sie uns gewogen und kommen Sie gut durch die Zeit.
Ihr Sascha Weigel.
Im Folgenden geht es um die zweite Phase, die Klärungsphase, nachdem ich in Episode 14 die Kontraktphase genauer dargelegt habe und in einer der nächsten Episoden die Kreativitätsphase thematisiert werden wird.
Worum geht es in der Klärungsphase und welche Fragen müssen in dieser Phase beantwortet werden - und wie kann der Mediator dabei helfen. Darum wird es nun hier in der Episode 17 gehen.
Klärungsphase
Die Klärungsphase lässt sich - ebenso wie die anderen Phasen - in zwei Schritten absolvieren:
1. SCHRITT
2. SCHRITT
Diese ungefragten, nicht abgestimmten Lösungsansätze sind die Kristallisationspunkte der Eskalation.
Diese Lösungsansätze müssen abgewehrt werden, was als Eskalation beobachtbar wird. Deshalb erleben Konfliktparteien sich im Konflikt als Reagierende, kaum je als Agierende: Konfliktparteien wehren sich gegen die Deutungen und Beanspruchungen der anderen Konfliktparteien. Deshalb erscheinen Konfliktgegner immer auch als Verweigerer (im Hinblick auf die eigenen Lösungsansätze!) und als Eskalateure (im Hinblick auf deren eigene Lösungsvorstellungen). Deshalb stellt der zweite Schritt in der Klärungsphase infolge der Entschleunigung und Selbstreflexion vor allem eine Erhellungsphase dar. Nicht nur hinsichtlich der Motive und unbekannten Aktionen der anderen, sondern bestenfalls auch, wenn die eigenen Wirkungen erkannt werden. Dennoch muss hier betont werden, dass Konflikte keineswegs immer bloße Missverständnisse sind und Mediationen erfolgreich wären, wenn die Missverständnisse aufgeklärt und sich dann alle einig und vereinigt wären. Das ist mitnichten der Fall.
Klärend wirken generell zwei Aspekte:
Arbeitsziele in der Klärungsphase
ERSTENS Entschleunigung, ZWEITENS Enttäuschung, DRITTENS Entkrampfung.**
Wichtige Arbeitsmethoden:
Noch ein Wort zum Suchprozess, den die dritte Person initiieren und moderieren soll. Worauf ist zu achten?Die DIFFERENZLINIEN der Konfliktparteien sind vor allem in den Blick nehmen, nicht die Einigkeitsflecken und Harmonieinseln! Was das heißt, lässt sich nicht ohne die grundlegenden Strategieansätze von Mediatoren verstehen.
Wichtige Arbeitsergebnisse:
Weitere, wichtige Arbeitsmethoden:
Wer es also als Mediationsperson schafft, von den Konfliktparteien nicht vom Verhandlungstisch und des Raumes verwiesen zu werden, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit Zeuge einer Abschlussvereinbarung werden. Das ganze Arbeitsprogramm von Mediatoren könnte man auch auch den Punkt bringen: Wenn Du engagiert wurdest und Dich als Mediator verpflichtet hast, ist es Deine einzige Aufgabe, nicht rausgeschmissen zu werden, während Du den Parteien Unangenehmes zum Besprechen verabreichst.
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Herzlich Willkommen zu den EdM,
dem Podcast von INKOVEMA zu den praktischen Fragen der Mediation und des Konfliktmanagements.
Ich bin Sascha Weigel und das ist Folge 16 - Mediation und Marketing II - Paradoxien beim Mediationsmarketing
Wenn wir von der Praxis der Mediation sprechen, dass müssen wir vor allem über das sprechen, was zeitlich einer Mediation vorausgeht, nämlich die werbende Ansprache von Mediator*innen und die bejahende Entscheidung für die Mediation durch die Konfliktparteien. Denn wenn die Mediation einmal zustande gekommen ist und begonnen hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie vorzeitig und ungelöst beendet wird, vergleichsweise gering. Starten Mediationen, führen sie in den allermeisten Fällen zu gemeinsamen Entscheidungen. Oder anders gewendet: Die Praxis von Mediation scheitert an der mangelhaften Praxis von Mediation.
> Die Praxis von Mediation scheitert an der mangelhaften Praxis von Mediation.
Deshalb müssen wir hier in diesem Lehrpodcast über Marketing sprechen.
Heute möchte ich Zwei wichtige Fehlannahmen im Mediationsmarketing ansprechen und zur Überlegung und Debatte stellen.
**1. Wer sich um Mediationen bewirbt, sollte das nicht bei Konfliktparteien tun. Konfliktparteien sind die denkbar ungünstigsten Adressaten für die Mediationsansprache.
Zur ersten Fehlannahme, dass Konfliktparteien denkbar ungünstige Marketingadressaten sind: Bei Konfliktparteien um Mediation zu werben ist wie Weihnachten ein Ostergedicht vorzutragen: nett, aber wirkungslos. Menschen, die in einem eskalierten Konflikt sind, sind von einer verengten Sichtweise geprägt, suchen eher Bestätigung ihrer Sichtweise, Koalitionspartner, statt neutrale Dritte, die sich auch um die Sichtweise der anderen Seite bemühen. Konfliktparteien suchen keine Mediation. Das unterscheidet sie von präsentationswilligen Fahrerlaubnisbesitzern, die sich nach einem Luxusauto umsehen, von Smartphone-Besitzern, die eine App benötigen und von Hungrigen, die das kochende Vorspiel genießen wollen. Konfliktparteien suchen Bestätigung, weshalb die Klage bei Freunden und bei Gericht ganz probate Problemlösungsansätze sind. Hilfreich ist es vielmehr, das soziale Umfeld eines eskalierten Konflikts in den Blick zu nehmen, um Mediation zu bewerben. Also die Elternteile und Nachbarn des scheidungsunentschiedenen Ehepaares oder die erwachsenen Kinder derart zerstrittenen Eheleute. Diese haben genügend sozialen Einfluss und ausreichende Bindekraft in der Beziehung, die Mediationsidee derart zu unterbreiten, dass sie erfolgreich injiziert werden kann. In Arbeitsplatzkonflikten wären das z.B. die Personalabteilung, die Vorgesetzten und Teammitglieder, die für ein erfolgsversprechendes Mediationsmarketing in Frage kämen.
Zur zweiten Fehlannahme, dass die eigene Begeisterung und Liebe im Mediationsmarketing beseelt Ausdruck finden sollte: Wie schon erwähnt, Mediation ist kein Produkt wie eine gehypte Smartphone-App, eine schicke Luxuskarre oder ein hipes Kochrezept. Mediation ist eher wie eine Lebensversicherung, bei der es um den eigenen Tod geht, dessen Gegenwert man selbst nicht mehr verkonsumieren kann und das überhaupt zeitlich versetzt zur eigenen Geldleistung erbracht wird. Kurz; Lebensversicherungen, deren Anlass kaum ein Party-Thema ist, dessen Gegenleistung abstrakt, nicht anfassbar und anderen zugute kommt, sind schon ein schwieriges Marketing-Thema. Mediationen hingegen sind der Endgegner. Hier kann man nicht mal seine Liebsten beglücken - und auch nicht nach dem eigenen Ableben, bei der man die tatsächlichen Wirkungen nicht mehr miterleben muss. Mediationen fordern von den Konfliktparteien, dass sie Geld an jemanden zahlen sollen, der betont keine Konfliktentscheidung mitbringt, sondern ein Verfahren empfiehlt, dessen Ausgang offen, also ungewiss ist und selbst im Falle einer gemeinsamen Lösungsfindung in der Regel nicht einmal eine vollstreckbare und damit Sicherheit spendende Konfliktentscheidung zum Ergebnis hat. Ehrlich, da kann die eigene Liebe und Begeisterung durch die Mediationsperson nix ausgleichen und zur Beauftragung beitragen. Ganz im Gegenteil, sie wirken unglaubwürdig, empathielos und zuweilen regelrecht abstoßend. Etwas anderes mag gelten, wenn die Mediationsperson damit werben kann und würde, sie hätte selbst auch schon Mediation in den eigenen Konflikten durchgeführt und könne berichten, dass es sich lohne, diesen Versuch zu starten. Aber selbst in diesem Falle erscheint mir das Risiko zu groß, diese Ansprache ins Feld zu führen.
Das war's für dieses Mal, vielen Dank fürs Zuhören, und vielleicht kannst Du die ein oder andere Idee für Dich und Deine Vorgehensweise aufgreifen. Laß’ es mich gern wissen - ich würde mich freuen, davon zu hören. Und auch, wenn Du andere Ideen verfolgst, dann freue ich mich, von Dir zu hören.
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Inhalt (Transkript)
Und da ist ein interessantes Missverständnis zwischen uns zur Sprache gekommen: Ich brachte meine Skepsis gegenüber einigen verbreiteten Ansichten zur Mediation zum Ausdruck, so dass sich meine Gesprächspartnerin an den Diskurs zum Drachentötermarkt erinnert fühlte. In diesem Diskurs geht es um die Problematik, dass allem Anschein nach zu wenig Mediationen in Deutschland durchgeführt werden. Zu wenig, jedenfalls,
Ich finde, darüber kann man sich ja streiten. Doch vor allem unterliegt meines Erachtens dieser Diskurs einem Missverständnis, dass sich auch in dieser Metapher widerspiegelt.
Ich habe diese Metapher in diesem Podcast erstmals überhaupt verstanden! Ich dachte immer, es besagte, dass es halt mehr Drachentöter gibt als Drachen, aber Susanne machte mich darauf aufmerksam, dass die Metapher vor allem deshalb benutzt wird, dass es ja gar keine Drachen gibt und deshalb Mediatoren dumm rumstehen, weil es eben keine Mediationen gibt.
Aber für jemanden wie mich, der in einer erzgebirgischen Kleinstadt aufgewachsen ist, die das Drachentötermotiv im Stadtwappen hatte und der als Kind nahezu täglich ins Kino über den Drachenfelsen laufen musste, ist es nicht sofort einleuchtend zu behaupten, es gäbe keine Drachen.
Nur, weil Konflikte, eskalierte Konflikte zumal, sich wie Drachen in den Lebens- und Arbeitsbeziehungen aufführen, folgt daraus noch nicht, dass Mediator*innen oder Mediationen allgemein die Drachentöter sind oder das Bild des Drachentötermarktes den Mediationsmarkt erfasst.
Dazu gibt es viel zu sagen. Und einiges möchte ich dazu auch in diesem Podcast sagen, obschon sich dieser Podcast im engeren Sinne mit Episoden der Mediation befassen will. Doch wenn es wirklich „zu wenige solcher Episoden gibt“, dann gehören hier auch die Dinge angesprochen, die zu solchen Episoden hinführen.
Zugegeben, die Anzahl an Mediationen pro Jahr hat sich in Deutschland - mit Sicherheit - in den vergangenen 30 Jahren vergrößert, vielleicht sogar stetig und zuweilen exponentiell. Belastbare Zahlen gibt es kaum, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch. Erst recht, wenn man ein weites Verständnis von Mediation an den Tag legt, wie es Prof. Trenczek nahelegt, nachzuhören im Podcast Gut durch die Zeit, Episode #68.
Ich bezweifle allerdings ausdrücklich, dass diese - wenn auch zahlenmäßig ansteigenden Mediationen - überwiegend Konfliktfälle betrafen, die ansonsten vor Gericht gelandet wären. Dafür spricht auch der exorbitante Rückgang an Klagen bei den Zivilgerichten, der sich in den vergangenen 18 Jahren ereignet hat und der sich keineswegs in einem entsprechenden Anstieg an Mediationen widerspiegelt. Womöglich ist Mediation in der Tat für Konfliktparteien, die überlegen zu Gericht zu gehen, gar keine Alternative. Vielleicht ist Mediation einfach eine Methode, für die sich (ganz andere) Konfliktparteien in ganz anderen Konflikten entscheiden - oder auch nicht.
Wie erklärt sich dann der Anstieg an Mediationen? Abgesehen von den zahlenmäßig dürftigen Verfahren der Güterichter an den Gerichten, die wir hier ausklammern; … Womöglich ist der Anstieg von Mediationen vielmehr damit zu erklären, dass die Mediation Geschwisterverfahren ihres Beratungsansatzes kannibalisiert hat: Die Mediation ist zwar staatlich, vor allem justizpolitisch gefördert worden, um den Klagewellen, die in den 1980ern und 1990ern über die deutschen Zivilgerichte hereinbrachen, Herr zu werden: Es war ja nicht nur die Zeit, als Manne Krug, kurz bevor er die Telekom-Aktie anpries, als Liebling Kreuzberg die Advocard anpries, es war auch noch die Zeit, als der Gang zum Gericht als Ausdruck von Standfestigkeit, Rechtschaffenheit und persönlicher Verpflichtung zu sozialen Normen galt.
Mediation hat mit Justizpolitik so wenig zu tun wie Allparteilichkeit mit Neutralität. Wenig, aber es lässt sich gut verwechseln.
Dass also Mediation justizpolitisch gefördert, staatlich gewollt und gesellschaftlich ersehnt war und mitunter auch noch ist, trotz der Absage an die Mediationskostenhilfe, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mediation in einer gänzlich staatsfernen Sphäre wurzelt.
Mediation hat ihre Wurzeln in der Beratung ohne Ratschlag, wie es Prof. Wandhoff in seinem phänomenalen Werk „Geschichte der Beratung“ dargelegt hat. Mediation ist eine Form der Konfliktberatung, bei der eben kein Ratschlag erteilt wird - abgesehen davon, dass Mediation als Verfahren empfohlen wird. In der Sache rührt die Mediation aber aus dem gesellschaftlichen Impuls, der Autonomie des Einzelnen, seiner Eigenverantwortlichkeit und Selbstwerdung, den Vorrang einzuräumen vor dessen Verpflichtetheit gegenüber der Allgemeinheit. Während Recht also geronnene Sozialnormen sind und die Pflichtenwerte repräsentiert, steht die Mediation kultursoziologisch in der Tradition der Selbstoptimierung, des Autonomiegedankens und der Self Growth Bewegung, wie sie Andreas Reckwitz beschrieben hat.
Wenn man sich diesem Gedankenstrang nicht verschließt, dann wird schnell einsichtig, dass Mediation eben gerade nicht die Konfliktparteien anspricht, die auf dem Weg zu Gericht waren, sondern diejenigen vor allem, die ihren Konflikt - ganz im Sinne der Selbstoptimierung - utilisieren und nach einem Konfliktbearbeitungsverfahren gieren, dass dieses kulturell bedingte, aber höchst persönliche Moment bedient. Oder kurz: Ganz überwiegend finden Konfliktparteien, die einst klagewillig waren, nicht den Weg in die Mediation, sondern diejenigen, die auch früher schon nicht zu Gericht gegangen wären, sondern viel eher im Privaten eine Paartherapie gemacht hätten und im beruflichen eine Teamentwicklung, eine Teamsupervision und ein Teamcoaching, die sogleich zu einer Organisationsentwicklung eingeladen hätten. Alles, was - ganz im Stile des selbstverantwortlich zu organisierenden Selbstlernprozess - zu Selbstoptimierung geführt hätte. Man kann ja immer was lernen. Auch und gerade in Konflikten.
Aber, und das zum Schluss für heute, all das ist keineswegs pessimistisch für die Mediation gemeint: Ganz im Gegenteil. Der Zeitgeist, jedenfalls bis in unsere Tage, steht in dieser Tradition, so dass im Ganzen Mediation von einem weiteren Wachstum ausgehen kann. Und die Zeichen stehen m.E. günstig, dass Mediation den Weg des Coachings geht und zu einer etablierten Institution zur Bearbeitung von Konflikten wird, dem eine Tendenz zur sozialen Distinktion beiwohnt. Kurz, etwas Elitäres. Aber dazu ein andermal mehr.
Das war's für Heute, vielen Dank fürs Zuhören, und vielleicht konntest Du die ein oder andere Idee für Deine Fallpraxis (weiter-)entwickeln. Laß’ es mich gern wissen - ich würde mich freuen, davon zu hören.
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Für den Moment verabschiede ich mich bei dir mit den besten Wünschen. Bis zum nächsten Mal!
Komm gut durch die Zeit!
Dein Host von INKOVEMA - dem Institut für Konflikt- und Verhandlungsmanagement in Leipzig und Partner für professionelle Mediations- und Coachingausbildungen.
Einführung
Die Kontraktphase umfasst den Zeitraum von der Kontaktaufnahme bis hin zum Abschluss eines Mediatorvertrags, der freilich auch mündlich zustande kommen kann.
Regelmäßig bedarf es zusätzlich eines Mediationsvertrages, also die Abrede der Konfliktparteien, dass sie ihren Konflikt mit Hilfe eines Mediators in einer Mediation bearbeiten wollen. Meistens wird das konkludent mit erklärt, wenn eine Mediationsperson angefragt und beauftragt wird. Hier sei es aber ausdrücklich mit benannt.
Manchmal, aber viel zu selten, haben die Konfliktparteien diese Absprache bereits getroffen, ganz selten auch bereits vor dem Konfliktaufkommen. In diesem Falle haben sie eine Mediationsabrede, eine sog. Mediationsklausel getroffen und in ihre vertraglich geregelte Lebens- oder Arbeitsbeziehung als präventive Maßnahme für einen möglichen Konflikt vorab geregelt.
Fallpraxis Mediationsklauseln:
Kontextsituation
Ziel ist es, das beste KM-Verfahren zu wählen.
Es lohnt sich, hier in aller Nüchternheit mit einer Offenheit in die Kontraktphase zu gehen, statt mit persönlicher Verliebt- und Fokussiertheit für die Mediation.
Die Besonderheit dieser Kontraktphase wird genau an dieser Stelle deutlich: Die dritte Person ist Verhandlungspartner in einem Beratungsgespräch, bei dem ihre eine besondere Fachkompetenz für KM-Verfahren zugeschrieben wird - und dass sich in ein Verkaufsgespräch zu einem bestimmten KM-Verfahren entwickeln und eben diese dritte Person auch persönlich durchführen darf. ABER DAS IST KEINE SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT.
Hilfreiches TA-Konzept für diese Rolle:
Welche Fallkonstellationen sind denkbar:
1. Was ist das passende Verfahren?
2. Sofern Mediation das Verfahren der Wahl ist: Wie ist die anvisierte Mediation konkret auszugestalten?*
Vielschichtigkeit dieser Phase:
Episoden der Mediation. Ein Podcast von INKOVEMA zu den praktischen Fragen der Mediation und des Konfliktmanagements.
Ich bin Dr. Sascha Weigel, Mediator, Organisationsberater und Ausbilder, und erläutere in diesem Podcast Fallfragen und bestimmte Situationen aus meiner Mediations- und konfliktberaterischen Praxis.
Problemdarstellung: Wer praktisch in Konflikten vermitteln will, muss sich auf weit mehr vorbereiten als auf das Vermitteln in Konflikten.
Wer vermitteln will, muss sich als Verhandlungspartner von Konfliktparteien bewähren und seine eigenen Interessen vertreten können – ebenso wie er später die Konfliktparteien, die bestenfalls im Wege der Vermittlung wieder verständigen konnten, zu neuer Kreativität verhelfen soll und deren Absprachen abzusichern helfen.
Mehr zu INKOVEMA: www.inkovema.de
Mehr zu Mediation: www.elemente-der-mediation.de
Aus- und Fortbildung: https://inkovema.de/mediationsausbildung/
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