Wir knüpfen nochmals an unsere Folge über Glanz und Elend der Aufklärung an und blicken genauer auf das Leben eines Mannes, auf dessen Anschauung der griechischen Antike die Epoche des Klassizismus gründete:
Johann Joachim Winckelmann, Begründer der modernen Kunstgeschichte und Wegbereiter der Klassischen Archäologie. Dabei kommt es Winckelmann darauf an, das Empfinden von Schönheit vernunftmäßig zu begründen und scheint in seinen Arbeiten seine eigene Vorliebe für jugendliche männliche Körper durch.
Von Stendal über Nöthnitz nach Dresden1717 in
Stendal geboren, entkommt Winckelmann seinen bescheidenen Herkunftsverhältnissen durch Bildung und Ehrgeiz. Eine entscheidende Etappe ist seine Zeit als Bibliothekar beim
Grafen Bünau auf Schloss Nöthnitz bei Dresden. Dort hat er Zugang zu einer umfangreichen Bibliothek und vertieft sein Wissen über die Antike. Später wechselt er nach Dresden, wo die dortigen Kunstsammlungen – besonders die Antiken – seinen Sinn für klassische Formen schärfen und zu seiner ersten Veröffentlichung führen. Der päpstliche Nuntius in Dresden,
Alberico Achinto, verschafft Winckelmann die Kontakte für eine Anstellung in Rom.
Konversion und Karriere in RomUm in Rom überhaupt eine Anstellung zu erlangen, konvertiert Winckelmann 1754 zum Katholizismus. Er arbeitet schließlich für den einflussreichen
Kardinal Alessandro Albani, der eine bedeutende Antikensammlung besitzt. Ein weiterer wichtiger Kontakt ist der englische Agent und Antikenkenner
Baron Philipp von Stosch, dessen Sammlung von Gemmen und Skulpturen Winckelmann katalogisiert.
„Edle Einfalt und stille Größe“Der Kern von Winckelmanns Ideal: Die antike Kunst – insbesondere die
griechische Skulptur – verkörpere „edle Einfalt und stille Größe“. Winckelmann war überzeugt, dass die griechischen Künstler eine perfekte Balance zwischen Natürlichkeit und idealisierter Form gefunden hatten. Insbesondere der
Apoll von Belvedere oder die
Laokoon-Gruppe dienten ihm als Leitbilder.
Die Ästhetik des Körpers – und Winckelmanns eigene VorliebenWinckelmann schwärmte vor allem von männlichen Körpern – nicht nur aus wissenschaftlicher Perspektive. Seine homosexuelle Orientierung, die in seiner Zeit nicht nur gesellschaftlich tabuisiert, sondern kriminalisiert war, schwang in seiner Bevorzugung antiker männlicher Heldendarstellungen immer mit. In der Folge liest Daniel ausführlich aus der berühmten Beschreibung des
Torso vom Belvedere – ein Text, in dem Winckelmanns sinnliche, ja fast erotische Begeisterung für den männlichen Körper deutlich wird. Hier zeigt sich, wie sehr seine persönliche Orientierung sein Verständnis antiker Kunstwerke prägte.
Archäologie als WissenschaftNeben seiner Rolle als Kunsttheoretiker legte Winckelmann auch methodische Grundlagen für die Archäologie. Er war einer der Ersten, der Funde nicht nur sammelte, sondern systematisch beschrieb, datierte und in einen historischen Kontext einordnete. Seine Berichte über Ausgrabungen in
Herkulaneum und
Pompeji machten die antike Welt für ein breites Publikum lebendig.
Ein tragisches EndeWinckelmanns Leben endete abrupt: 1768 wurde er von
Francesco Archangeli in Triest ermordet – vermutlich in einem Raubmord. Die Hintergründe sind bis heute nicht ganz geklärt und bieten Stoff für Spekulationen zwischen Kriminalgeschichte und Historiendrama. Dieser Geschichte folgen wir in unserem
NACHKLAPP zu dieser Folge.
Winckelmanns ErbeOb als „Vater der Archäologie“ oder als stilprägender Kunsttheoretiker – Winckelmanns Einfluss reicht bis heute in Kunstgeschichte, Museumswesen und die europäische Ästhetik-Debatte. Seine Ideen prägten nicht nur Generationen von Wissenschaftlern, sondern auch Künstler wie Anton Raphael Mengs und Angelika Kaufmann, Johannes Wiedewelt und Bertel Thorvaldsen, Goethe und Herder. Winkelmann wurde zum Propheten des Klassizismus.
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