In Begleitung eines weiteren Gastes begibt sich Bruno auf eine literarische Exkursion, während Jakob in Elternzeit ist. Gemeinsam erkundet er mit einem Pfadfinder geistiger Hochebenen das mysteriöse Terrain des Zauberbergs, dem Jahrhundertroman von Thomas Mann, der just in diesen Tagen sein 100-jähriges Jubiläum feiert. Die Geschichte eines durchschnittlich begabten angehenden Schiffbauingenieurs, der seinen lungenkranken Vetter im Sanatorium “Berghof” für wenige Wochen besuchen will, um schließlich ganze sieben Jahre “dort oben” zu verweilen, ist Vieles in Einem: ein geistiges Epochenpanorama der klassischen Moderne, ein letzter Blick auf die bürgerliche Welt vor ihrem Untergang, die Vorgeschichte des ersten Weltkriegs und der intellektuelle wie libidinöse Reifungsprozess eines jungen Mannes. Hans Castorp, so der Name des Protagonisten, ist Verführungen aller Art am Zauberberg ausgesetzt: geistiger, politischer, ästhetischer und schließlich erotischer. Er ist das bürgerliche Individuum unter den Bedingungen der Moderne: ohne Bindung an tradition und Familie befindet er sich im freien Fall. Die Vernunft und die Ideale und Errungenschaften vermögen ihn nicht mehr zu erden, nachdem er seine Disposition zur Krankheit entdeckt hat. Sie öffnet ihm den Weg der Selbsterkenntnis, auf dem er nicht geradlinig wie aus Platons Höhle herausklettert, sondern auf dem er mehrfach anhält, an Abbiegungen zögert, sich umdreht, nach hinten schaut, kehrt macht und im Kreis läuft, um schließlich einen Schritt vorwärts zu machen.
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