Ein Podcast von und mit Thomas Kabel & Michael Habecker.
Gibt es ein Ich oder ist das nur eine Illusion? Muss man erst ein Jemand werden, bevor man ein Niemand sein kann? Ist das Ich etwas gutes und hilfreiches, oder wäre es besser von einem schlechten Ego zu sprechen, welches es loszuwerden gilt? Was ist ein „höheres Selbst“?
Zu einem Verständnis dieser Fragen hilft eine dreifache Unterscheidung, und zwar die von 1. (psycho-physischem) Organismus (bodymind), 2. dem Ich-Konstrukt (der Ichhaftigkeit) und 3. dem aufgewachten Sein. (Diese Unterscheidung haben wir von dem spirituellen Lehrer Christian Meyer übernommen, ohne ihn darauf festlegen zu wollen).
Einen psycho-physischen Organismus … haben alle empfindenden Wesen; er kann in „Körper“ als Träger von Erfahrungen unterschieden werden: physischer Körper, Emotionalkörper, Mentalkörper; er strebt an, zu Überleben (Selbsterhalt, Gruppenerhalt), strebt nach Ausdruck und – als Mensch – nach Erkenntis/Wahrheit/Aufwachen; er lernt durch Training/Feedback/Reflektion Fähigkeiten, Fertigkeiten und entwickelt sich; er hat Bedürfnisse, Wünsche und Intentionen/Ausrichtung („wollen“ bzw. „nicht wollen“); er hat/ist „Persönlichkeit“ mit persönlichen Eigenschaften; er denkt, fühlt, handelt, ist kreativ, hat eine Selbstwirksamkeit und braucht kein selbstreflektierendes „Ich“ um zu wirken. Tiere und Pflanzen haben und brauchen offensichtlich kein „Ich“ um ihr Leben mit und durch ihren Organismus zu leben.
Das Ich, Ich-Konstrukt oder Selbstbild des Menschen … ist Ergebnis der Reflektion auf die eigene Individualitätswahrnehmung; bildet sich schon ganz früh beim Kleinkind; gibt Sicherheit, Orientierung, Wahrnehmungsstruktur, Zusammenhang, Kontinuität und Kausalität gegenüber der Existentialität des Lebens; „verstärkt“ und erweitert die Bedürfnisse und Ausrichtung des Organismus. Aus den „will“ und „will nicht“ des Kleinkindes entstehen mit dem Ich-Konstrukt zahllose „ich muss …“, „wir sollten …“, „ich brauche …“, „du musst …“; mischt sich in das natürliche Wirken des Organismus ein, kann und wird ab da zum Hindernis und zur Ursache vieler Probleme, weil mit dem Ich-Regime das – oft unangenehm erlebte – Fühlen als der unmittelbare Kontakt zum Leben mehr und mehr verlorengeht und der Mensch nur von sich, seinen Mitmenschen und der Welt entfremdet in seiner eigenen virtuellen Welt lebt; kommentiert, plustert sich auf, verurteilt, überhöht, verzerrt und erweitert Bedürfnisse und Intentionen des Organismus (Geltung, Macht, Einfluss) – aus der Freude des Organismus wird Stolz, aus einem Tun oder Geschehen werden endlose Ich-Geschichtenerzählungen, aus einer Handlung wird Heldentum oder Versagen, aus einem Leben mit Wünschen werden Ansprüche gegenüber dem Leben als Hauptleidensquelle, aus organismischer Selbstwirksamkeit wird Rechthaberei und Ich-Durchsetzung; ist Träger und Ausdruck der Entfremdetheit des Erwachsenen
Das aufgewachte Sein ist die Erfahrung des Seinsgrundes, bei der, idealerweise, das Ich-Konstrukt ganz in den Hintergrund tritt, und der aufgewachte Mensch über seinen psycho-physischen Organismus kreativ und konstruktiv in der Welt wirkt.