Die equine rezidivierende Uveitis (ERU) ist eine entzündliche, autoimmun-mediierte Augenerkrankung bei Pferden, die im Endstadium zur
Erblindung führt. Unter verschiedenen Namen ist sie seit Jahrhunderten bekannt und mit einer Prävalenz von etwa 10% weltweit einer der häufigsten Gründe für eine Erblindung bei Pferden.
Die Bedeutung der ERU ist aber nicht nur auf den veterinärmedizinischen Bereich
beschränkt, da sie auch als Modell für die autoimmune Uveitis des Menschen
eingesetzt wird. Für die Erkrankung des Menschen ist die ERU das einzige spontane
Tiermodell. Charakteristisch für die ERU sind spontan auftretende und wieder
abklingende Entzündungsschübe, in deren Verlauf die Retina als Zielgewebe progressiv geschädigt wird. Verschiedene Proteine der Retina konnten in den letzten Jahren schon als Autoantigene identifiziert werden, darunter Interphotorezeptor
Retinoid bindendes Protein (IRBP), S-Antigen, Recoverin und Zelluläres Retinaldehyd-bindendes Protein (CRALBP). Um aber die Pathogenesemechanismen der ERU in ihrer ganzen Komplexität verstehen zu können, ist ein möglichst
vollständiges Wissen über das ganze Autoantigenspektrum nötig. Deshalb ist es
wichtig, nach neuen, bisher unentdeckten Autoantigenen zu suchen und diese zu
identifizieren. Im Rahmen dieser Dissertation sollte deshalb zum einen die Frage geklärt werden, ob die Spezifität intraokulärer Autoantikörper über das bereits bekannte Spektrum hinausgeht und ob möglicherweise
andere, bisher nicht entdeckte retinale Autoantigene gebunden werden. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit war es, die Spezifität autoreaktiver, intraokulärer IgM-Antikörper zu untersuchen, die bisher im Rahmen der ERU Forschung noch nie charakterisiert wurde. Autoreaktive IgM könnten besonders im Zusammenhang mit inter- und intramolekularem Epitop-Spreading, das bei der ERU beschrieben ist, interessant sein. Hierbei kommt es im
Verlauf der Erkrankung zu einer Veränderung des targetierten Autoantigenspektrums. Die Abklärung der Spezifität intraokulärer IgM könnte dazu
beitragen, zukünftige Zielstrukturen frühzeitig zu
erkennen. Um potenzielle Autoantigene zu identifizieren, die von intraokulären IgM Antikörpern targetiert werden, wurde zunächst das Bindungsmuster auf dem retinalen Proteom
mit 2D Western Blots untersucht. Während bei Proben augengesunder Tiere keine
Reaktionen auftraten, zeigte sich bei Proben, die von ERU-Patienten stammten, dass innerhalb eines insgesamt großen Spektrums verschiedener Reaktionen ein Proteinspot sehr häufig gebunden wurde. Mittels Massenspektrometrie konnte dieses
Protein als Neurofilament-M (NF-M) identifiziert werden. Im ELISA konnte die NF-M Spezifität intraokulärer IgM bestätigt werden, zudem wurde für die ERU-Gruppe eine Prävalenz von 44% ermittelt. Die Prävalenz für intraokuläre IgG der gleichen Spezifität war ungleich niedriger, sie lag bei 8% bei ERU. Kontrollproben augengesunder Pferde zeigten hingegen keinerlei Reaktion auf NF-M. Der große Unterschied in der Prävalenz von IgM und IgG weist darauf hin, dass die
Autoimmunantwort auf NF-M wahrscheinlich eine persistierende IgM-Reaktion ist. Im physiologischen Zustand wird NF-M im Pferdeauge vor allem von retinalen Ganglienzellen und ihren Fortsätzen exprimiert, sowie von Horizontalzellen. Dagegen konnte bei 89% der ERU-Retinae eine deutliche Reduk tion des NF-M-Signals festgestellt werden. Gründe dafür könnten eine Herunterregulierung von NF-M als
zelluläre Reaktion auf Stress sein oder aber eine Zerstörung NF-M exprimierender Strukturen im Zuge einer Autoimmunreaktion auf das Protein. Die in dieser Studie gewonnenen Ergebnisse zeigen, dass das Antigenspektrum bei der ERU über das bisher bekannte hinausgeht und dass auch weiterhin nach neuen Autoantigenen gesucht werden sollte. Die IgM-dominierte Reaktion auf das neu identifizierte Autoantigen, NF-M, zeigt zudem auf,
dass das Bindungsspektrum von intraokulären IgM-Autoantikörpern sich nicht immer mit dem von intraokulären IgG überschneide