Ein Kommentar von Tilo Gräser.
Wolfgang Kubicki sieht die Meinungsfeiheit bedroht, warnt vor der Verrohung der Debatten und fordert mehr offene Diskussionen.
Das Ziel der Corona-Politik der Bundesregierung ist unbekannt. Das meint der FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki. Gesagt hat er das, als er sein neues Buch über die „Meinungsunfreiheit“ vorstellte. In dem beklagt er mangelnden Respekt für Menschen die eine andere Meinung vertreten. Widerstreitende Meinungen sind aus Sicht von Kubicki wichtig für den Fortschritt. Das sieht er grundsätzlich so, und es gilt für ihn auch in der Corona-Krise. In dieser hat die Regierung das Parlament entmachtet, meint er. Das ist für ihn ebenso eine Gefahr für die Demokratie wie die fehlende Debatte und die Angriffe auf jene mit anderen Meinungen. Kubicki will, dass mit Argumenten über verschiedene Ansichten gestritten und nicht gegen Menschen mit anderen Meinungen gekämpft wird.
Die bundesdeutschen Medien hinterfragen gegenwärtig nur noch unzureichend kritisch die Politik. Das zeigt sich für den FDP-Bundestagsabgeordneten und Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki gerade in der Corona-Krise. Er machte darauf am Dienstag in Berlin aufmerksam, als er gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, sein neues Buch „Meinungsunfreiheit – Das gefährliche Spiel mit der Demokratie“ vorstellte.
Kubicki verwies als Beispiel für seinen Befund auf den politischen und medialen Umgang mit einem Antrag der FDP-Fraktion zur Corona-Politik. Die Liberalen beantragten, die im März beschlossene „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ wieder aufzuheben. Sie scheiterten damit im September an einer Bundestagsmehrheit aus Union, SPD und AfD.
Die FDP-Fraktion hatte ihren Antrag damit erklärt, dass die Begründung für den Ermächtigungsbeschluss vom März nicht mehr gegeben ist. Das Gesundheitssystem sei ganz offensichtlich durch die Covid-19-Pandemie nicht mehr gefährdet, überlastet zu werden, wiederholte Kubicki dazu. „Und trotzdem kommt keiner auf die Idee zu sagen, die Grundlagen unserer Entscheidung sind falsch, also müssen wir sie revidieren.“
Der Bundestagsvizepräsident fügte hinzu:
„Ich weiß bis heute nicht, was momentan das Ziel unserer Corona-Politik ist. Ist es die Infektionszahl? Muss die auf einem bestimmten Level gehalten werden? Ist es die Frage der Hospitalisierung oder die Frage der Todeszahlen? Wir stellen fest, wir haben keine Übersterblichkeit in Deutschland. Die Frage vermittelt die Politik derzeit nicht: Wann ist etwas erreicht, wo wir sagen können, der Normalzustand tritt wieder ein – oder wird es den nie wieder geben?“
Entmachtetes Parlament
Wenn das nicht mit Argumenten erklärt werde, werde der Raum für „Verschwörungstheoretiker“ geebnet, „die sagen, da steckt was Böses dahinter“, meinte Kubicki. Moderator Markus J. Karsten, gleichzeitig Verleger des Buches, bemerkte, dass die Aussage über das anscheinend fehlende Ziel der Corona-Politik „nervös“ mache. Dem stimmte der Bundestagsvizepräsident zu und sagte:
„Das Parlament muss sich sein Recht zurückerkämpfen, was es momentan nicht hat, um genau diese Fragen zu debattieren und die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass die exekutiven Maßnahmen umgesetzt werden können. Wir dürfen das nicht länger der Bundesregierung und den Landesregierungen überlassen.“
Sonst werde an die Grundlagen des demokratischen Gemeinwesens „die Axt angelegt“, warnte Kubicki. Und fügte hinzu:
„Wahrscheinlich weiß das die Kanzlerin auch gar nicht, was das endgültige Ziel ist.“
Bevor er so konkret auf die aktuelle Situation einging, hatte er erklärt, warum er das Buch geschrieben hat. Dazu gehört seine Beobachtung, dass seit einigen Jahren in Debatten nicht mehr mit Argumenten gekämpft werde. Stattdessen würden diejenigen mit einer anderen Meinung als jene, die die jeweilige Deutungshoheit beanspruchen,