Das journalistische Feld sortiert sich neu und lässt dabei Begriffe wie Mainstream oder Alternativmedien obsolet werden.
Ein „Demokratiepass“ für das Publikum: Der Staat und seine Träger geben sich immer weniger Mühe, die Abhängigkeit von Funk und Presse zu verschleiern. Selbst wenn das eine Schnapsidee bleiben sollte, zeigt der Vorschlag von Björn Staschen, dass das Mediensystem im Umbruch ist. Für Portale wie Manova ist damit Klarheit verbunden. Sie bieten ihren Unterstützern eine Heimat und kommen nur dann über diesen Kreis hinaus, wenn sie mit anderen Milieumedien Pingpong spielen.
Ein Standpunkt von Michael Meyen.
Dieser Text ist auf der Margareteninsel gewachsen, im Herzen von Budapest, wo es Ende September noch richtig Sommer war. Mittags knapp 30 Grad, der Himmel strahlend blau und der Rasen nicht nur grün, sondern auch leer. Abstand hilft. Plötzlich passen Dinge zusammen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. In einem Satz: Die deutsche Medienlandschaft erlebt gerade ein Beben, das unseren Blick auf Journalismus und Öffentlichkeit verändern wird.
Nach einer Stunde auf dieser ungarischen Wiese schien mir alles ganz einfach. Auf der einen Seite werden wir Sprachrohre des Staates haben und auf der anderen Milieumedien. Vorbei die Zeit, in der Redaktionen auf Objektivität, Neutralität, Unabhängigkeit schwören und Forscher wie ich mühsam erklären müssen, warum am Ende trotzdem immer die Position der Konzern-Parteien-Koalition gewinnt (1).
Vorbei auch das Rumeiern bei den Begriffen. Leitmedien oder Mainstream hier, Alternativmedien, freie Medien, neue Medien, Gegenöffentlichkeit dort. Richtig zufrieden war ich mit alldem nie. „Staatsmedien“ trifft es zwar auch nicht ganz, weil westliche Staaten in aller Regel auf Medienbesitz verzichten, um sich von Russland, Uganda oder auch der DDR abgrenzen und in Rankings zur Medienfreiheit punkten zu können, die wundersamerweise genau das zum Kriterium machen. „Abzüge überall da, wo der Staat, Politiker oder Parteien selbst Medien betreiben“, habe ich in einem Manova-Text geschrieben. Überschrift: „Der Westen gewinnt immer“. Dieser Westen hat einfach behauptet, nichts mit der Medienrealität zu tun zu haben, und den Leuten das von klein auf eingetrichtert. Dieser Schleier kann jetzt fallen, weil eine kritische Masse ohnehin nicht mehr an die Mär von der vierten Gewalt glaubt.
Staats- und Milieumedien: Die einen geben Themen, Sprachregeln und Moral vor — das, was ich kennen und oft auch öffentlich vertreten muss, wenn ich mich jenseits von Freunden, Familie, Blase nicht isolieren will. Die anderen helfen mir, mit dem Anpassungsdruck klarzukommen.
Konkret: Tagesschau, Süddeutsche Zeitung und Lokalblatt sagen uns, was die anderen wissen und für so real halten, dass sie Verhalten und Entscheidungen daran ausrichten. In den Maskenmonaten hat das jeder Manova-Leser spätestens dann bemerkt, wenn er oben ohne in den Supermarkt ging. Dieses Portal wiederum hat ihn gerettet, wenn er nach Hause kam: Ich bin nicht allein und auch nicht verrückt. Milieumedien bringen Gleichgesinnte zusammen und sorgen so für Zugehörigkeit, für Stabilität, für Identität.
Noch einmal anders: Nur bei den Staatsmedien können und müssen wir unterstellen, dass alle registriert haben, was dort gemeldet wurde. Staatsmedien füllen das, was Niklas Luhmann „Gedächtnis der Gesellschaft“ genannt hat. Das Zitat stammt aus den 1990ern, als man noch „Massenmedien“ sagen konnte, ohne zwischen Staat und Milieu unterscheiden zu müssen. Bei Luhmann gibt es Massenmedien nur, weil wir so etwas wie ein Gedächtnis für alle brauchen. Einen Schatz an Gemeinsamkeiten, auf den wir selbst dann zurückgreifen können, wenn wir unser Gegenüber noch nie gesehen haben.