Korinth wurde von den Römern einst eingenommen und zerstört; später wegen seiner strategischen Lage zum Verkehrs- und Handelsknotenpunkt ausgebaut. Menschen aus aller Herren Länder siedelten sich in der neuen Stadt an und pflegten weiterhin ihre Religion und Kultur. Der Polytheismus, die zahlreichen Händler und die ständige wechselnde Bevölkerung brachte ein Zerfall der gesellschaftlichen Werte mit sich. Die Bezähmung von Leidenschaften galt als unnatürlich. In diesem Umfeld lebten die Christen in Korinth.
An sie schrieb Paulus. Sein Dienst zeichnete sich dadurch aus, dass er mit allen Gründungen schriftlichen Kontakt pflegte und regelmässig Mitarbeiter zu ihnen sandte. So hielt er sich auf dem Laufenden, wie es um die Geschwister stand, und unterwies sie weiterhin im Evangelium, das sie zu Christus gebracht hatte. Der Brief, den wir heute vor uns haben bezieht sich auf ein Schreiben, das der Apostel aus Korinth empfangen hatte. Er gibt der Gemeinde nun Antwort und lässt sie wissen, was ihm von ihnen zu Ohren gekommen ist.
Am Anfang des Briefes dankt Paulus Gott für die Gemeinde. Durch seine Gnade wurden die Glieder in Korinth reich beschenkt. Durch Jesus Christus wurden sie in die Gemeinschaft mit ihrem Schöpfer berufen. Was machten die Beschenkten mit dem, was sie gnädigerweise empfangen haben? Sie nahmen es zum Anlass, miteinander zu streiten. Im ersten Teil des Briefes (Kapitel 1-6) schreibt der Apostel, von Spaltungen, die offenbar in Korinth herrschten. In der Gemeinschaft haben sich zwei Parteien gebildet. Die eine berief sich auf Paulus und die andere auf Apollos, der ebenfalls unterwegs war, das Evangelium zu verkünden. Man stritt sich darüber, wie Unzucht zu beurteilen sei und wie man mit ihr umgehen müsse. Die Auseinandersetzungen gingen so weit, dass sich Glieder der Gemeinde vor öffentlichen Gerichten anklagten. In diesem ersten Teil erklärt der Apostel ausführlich, wie unsinnig die Spaltungen sind.
Im zweiten und grösseren Teil des Schreibens (Kapitel 7-16) zeigt Paulus anhand praktischer Fragen, wie der Streit vermieden werden könnte. Dieser Teil kann wiederum in zwei Themenblöcke aufgeteilt werden, die wir heute Morgen genauer betrachten. Im ersten ordnet der Apostel Fragen zur Ehe und im zweiten zum Gottesdienst. In ihnen entdecken wir einige Heilmittel für die Krankheit der Spaltung.
Eheordnung
Zuerst beantwortet Paulus Fragen zur Ehe. Offenbar waren einige Geschwister in Korinth der Meinung, dass geistliche Menschen auf die Ehe verzichten. Sie wollten sich nicht um irdische Angelegenheiten kümmern, sondern sich ausschliesslich den religiösen Übungen widmen. Vermutlich verbreitete sich die Ansicht, Verheiratete sollten sich voneinander trennen, um ein wahrhaft gottesfürchtiges Leben zu führen. Der Apostel erklärte, dass Gottes Reich die Ordnung der Schöpfung auf Erden nicht aufhebt. Deshalb sollen Eheleute nach Gottes Weisung leben. Ihnen gilt das Wort: Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.
Nun stellte sich die Frage, was jene tun sollen, die nicht verheiratet sind – Ledige und Witwen. Der Apostel ist zwar durchaus der Meinung, dass es gute Gründe gibt, ledig zu bleiben. Allerdings nutzt er dazu nicht die Argumente jener, die ein rein geistliches Leben führen möchten. Er wünscht sich, dass Gottes Reich gefördert wird und sich die Geschwister in den schwierigen Zeiten nicht durch eine Ehe belasten. Diese praktischen Empfehlungen sind nicht das oberste Gebot. Noch viel wichtiger ist, dass Gottes Kinder nicht zur Unreinheit versucht werden. Die Ehe gibt eine Ordnung, die Schutz bietet. Ein Mann soll seine Frau und eine Frau ihren Mann haben. Deshalb gibt es auch guten Grund zu heiraten. Alle Christen sollen sich selbst prüfen, welchen Empfehlungen sie folgen können, ohne der Versuchung zu erliegen.
Es fällt auf, dass der Apostel ebenfalls Dinge voneinander trennt, sie unterscheidet. Allerdings richtet er nicht die Unterschiede auf, die die Welt zieht und geht auch denen auf den Leim, die sich selbst als Geistliche bezeichnen. Paulus erwähnt in der Eheordnung zwei andere Gegensätze, die nicht zueinander passen.
1. Er stellt der Lust der Welt die Ordnung von Gottes Reich gegenüber, wenn er schreibt (1. Korinther 7,8-9): «Den Ledigen und Witwen sage ich: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. Wenn sie sich aber nicht enthalten können, sollen sie heiraten; denn es ist besser, zu heiraten als sich in Begierde zu verzehren.» Falls eine geistliche Übung zur Sünde verführt, ist sie zu nichts nütze. Deshalb fordert der Apostel auf, alles dafür zu tun, Unzucht zu vermeiden. Das gefällt dem reinen Gott.
2. Paulus stellt den geistlichen Vorstellungen Gottes Vorsehung entgegen, wenn er schreibt (1. Korinther 7,17): «Nur soll jeder so leben, wie der Herr es ihm zugemessen, wie Gott einen jeden Berufen hat. Und so ordne ich es an in allen Gemeinden.» Er erklärt, dass wer verheiratet ist, nicht versuchen solle, ledig zu werden und den Ledigen, dass ihr primäres Lebensziel keine Heirat sei. Gottes Kinder sollen die Vorsehung ihres himmlischen Vaters in ihren Lebensumständen erkennen und in ihnen zu seiner Ehre leben. Das gefällt dem allmächtigen Gott.
Die Vorstellungen der Menschen führen in die Irre und in die Versuchung, die zu Fall bringt. Aber Gottes Plan, der in der Schrift offenbart wird, leitet Gottes Kinder an, dass sie etwas zum Lob ihres Vaters sein können. Das Leben auf der Erde gehört nicht vergeistlicht, sondern soll tatsächlich in allen Belangen der Ehre des Schöpfers dienen.
Gottesdienstordnung
Dieser Gedanke führt uns direkt zum nächsten Abschnitt, wo Paulus geistliche Angelegenheiten ordnet. In diesem grösseren Teil (Kapitel 8-16) behandelt er ausführlich drei Themen.
1. Paulus beginnt mit der Frage, ob man vom Fleisch essen darf, das beim Götzendienst dargebracht wurde. Es war in Korinth wohl kaum möglich, dieses Problem zu umgehen. Wer sich von heidnischen Kulten fernhalten wollte, musste vermutlich ganz auf Fleisch verzichten. In der Gemeinde gab es zwei Sichtweisen. Eine Partei meinte, zu Gottes Ehre diesen Verzicht auf sich nehmen zu müssen. Paulus gab ihnen insofern recht, dass er alle aufrief, jede Art von Götzendienst zu fliehen. Die andere Partei betonte, dass die Götzen der Heiden nichtig seien. Sie assen vom Fleisch, ohne zu befürchten, sich daran zu versündigen. Paulus gab ihnen ebenfalls recht. Gleichzeitig wies er beiden Seiten zurecht, damit sie eine Einigung finden können. Niemand soll bei allem, was er essen will, genaustens nachforschen woher es stammt, um das Gewissen nicht unnötig zu belasten. Gleichzeitig gilt, dass niemand auf seinem Recht bestehen soll, Fleisch zu essen, wenn ein Tischgenosse nicht frei ist, die Freude zu teilen. Die Einheit von Gottes Kindern ist wichtiger als Verzicht und als Genuss.
2. Nach dem Götzendienst kam Paulus über den Gottesdienst zu sprechen. In der Gemeinde in Korinth ist Einiges in Unordnung geraten. Deshalb erklärt er wie Männer und Frauen sich im Gottesdienst verhalten sollen, wie das Abendmahl zu feiern ist und wie die Gemeinde mit den Gaben des Geistes umgehen soll. «Lasst es alles geschehen zur Erbauung!» schreibt er zusammenfassend. Alles, was in der Gemeinde geschieht, soll alle Anwesenden, sowohl jene, die glauben als auch jene, die noch nicht zu Gottes Reich gehören, auf Christus hinweisen.
3. Schliesslich spricht der Apostel kurz die Geldsammlung an. In den Gemeinden wurde die Not bekannt, unter der die Geschwister in Jerusalem litten. Sie waren verarmt. Deshalb sammelte man in allen Versammlungen für sie. Paulus empfahl den Geschwistern, mit der Kollekte nicht zu warten, bis er kommen wird. Stattdessen sollen sie jeden Sonntag Geld zusammenlegen, damit es bereit ist, wenn er kommt und einige von ihnen ihn begleiten können, die Gabe nach Jerusalem zu übergingen.
Auch in der Ordnung dieser Themen macht Paulus wieder Unterschiede. Es sind in diesem Teil wiederum Gegensätze zu finden, die absolut nicht zueinander passen.
1. Der Apostel stellt dem Recht die Rücksicht gegenüber, wenn er schreibt (1. Korinther 10,23-24): «Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf. Niemand suche das Seine, sondern was dem anderen dient.» An erster Stelle steht weder das Recht auf eine Freiheit noch die Furcht, sich an der Welt zu Verunreinigen, sondern der gegenseitige Dienst. Ob du etwas tun oder lassen sollst, soll sich nicht bloss an dem entscheiden, was du von Gott und den geistlichen Dingen erkennst, sondern immer in Rücksicht auf deine Geschwister getan werden. Was ihnen dient und sie auf Christus hinweist, ist immer gut.
2. Paulus stellt der Unordnung den Frieden gegenüber, wenn er schreibt (1. Korinther 14,33): «Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.» Diese Gegenüberstellung ist deshalb so bemerkenswert, weil der Apostel nicht bloss Ordnung fordert. Es ist zu wenig, wenn Gottes Kinder sich in Auseinandersetzung zähneknirschend irgendwelchen Forderungen unterwerfen, die sie nicht nachvollziehen können. Friede bezeichnet in der Bibel einen Zustand in dem alles so ausgeglichen ist, dass keine Schuld übrig bleibt. Die Gemeinde verkündigt das Evangelium dessen, der sich für die Schuld der Menschen hingegeben und sie mit ihrem Schöpfer versöhnt hat. Diese Botschaft kann nur im Frieden geglaubt und weitergetragen werden.
3. Schliesslich stellt der Apostel das unbedachte Leben in der Gegenwart jenem entgegen, das für die Zukunft bereit ist, wenn er schreibt (1. Korinther 16,2): «An jedem ersten Tag der Woche lege ein jeder von euch bei sich etwas zurück und sammle an, soviel ihn möglich ist, damit die Sammlung nicht erst dann geschieht, wenn ich komme.» Dieses Thema scheint im Brief bloss ein Anhang zu sein. Auf den ersten Blick passt es genauso wenig wie das vornanstehende Kapitel 15, indem von der Auferstehung die Rede ist, zu den anderen Belangen, die im Brief behandelt werden. Wer genauer hinsieht, bemerkt, dass die Ausführungen der Auferstehung die Antwort zur Kollekte vorbereitet und sie in eine geistliche Dimension stellt. Die Gemeinde soll nämlich lernen, bereits auf Erden Gutes zu tun, während sie auf ihren Herrn wartet, der sie vom Elend befreien wird. Jeden Sonntag, wenn sie die Kollekte zusammenlegt, soll sich die Gemeinde erinnern, dass sie jeden Tag zu Gottes Ehre lebt, um einmal von ihm in sein Reich aufgenommen zu werden. Das ist eine Lebenshaltung, die der Hoffnung des Evangeliums entspricht.
Die Ansprüche der Menschen bringen Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen mit sich. Im Brief wird klar, dass das nicht nur dann geschieht, wenn eine böse Absicht hinter einem Tun steht. Auch das Gute kann so getan werden, dass nichts Gutes dabei entsteht. Rücksicht und Frieden stehen über dem Recht, das Gute frei zu tun, und sollen dazu anleiten, in einer verdorbenen Zeit gemeinsam zu Gottes Ehre zu leben.
Schluss
Eine gespaltene Gemeinde ist ein grosses Elend in der Welt. Es ist ihr nämlich nicht möglich, glaubhaft den Frieden zu verkünden, den Christus geschlossen hat, als er die Sünden der Menschen auf sich nahm. Wo Spaltungen in der Gemeinde bleiben, wird nicht mehr verkündigt, was die Not derer lindern kann, die sich in Ungerechtigkeit verstrickt haben. Dazu gehören nicht bloss jene Menschen, die Jesus noch nicht kennen, sondern auch gerade die Gemeindeglieder. Wie in Korinth täuschen wir uns leicht und meinen, durch eigene Frömmigkeit, Erkenntnis und Enthaltung sicher zu sein. Die Wahrheit ist, dass Christus die Seinen hält und seine Gemeinde auf seinen Wegen zur Ewigkeit führt. Einigkeit und Frieden ist nötig, damit wir einander auf unseren Heiland hinweisen können.
Der Apostel gibt uns in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth drei Heilmittel gegen Spaltungen.
1. Die Weisheit des Evangeliums. Sie übertrifft alle gescheiten Ansichten der Welt, die oft auch in den Gemeinden gepflegt werden. Aus menschlicher Warte ist es töricht und schwach, sich im Bezug auf die Ewigkeit auf jemand anderen zu verlassen. Gottes Kinder sollen gemeinsam erkennen, dass ihr Herr Jesus Christus sie von aller Unreinheit reinigt und sie von der Sünde erlöst. Wenn wir ihn haben, ist uns geholfen. Statt von unseren Ansichten, Erkenntnissen und Werken zu sprechen, berichtet doch dankbar von dem, was euch durch Christus geschenkt ist.
2. Die Grösse der Liebe. Das 13. Kapitel aus dem Korintherbrief ist eines der meistzitierten Abschnitte der ganzen Bibel. Es schliesst mit den Worten (1. Korinther 13,13): «Nun aber bleiben, Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die Liebe ist die grösste unter ihnen.» Der Apostel beschreibt zuvor, von welcher Art Liebe er spricht. Es ist jene, die sich nicht über andere erhebt, sondern es sogar erträgt, auf gewisse Freiheiten dem Nächsten zuliebe zu verzichten. Es ist die Liebe die nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere glaubt und hofft. Diese Art der Liebe steht über allem. Es ist die Liebe, die unser Herr gelebt hat. Dank seiner Zuneigung, können unsere Sünden vergeben werden. Dank seiner Barmherzigkeit können Sünder zum himmlischen Vater und zueinander in der Gemeinde gehören. Das ist nicht unser Verdienst, nicht das Werk eines Verkündigers oder das Resultat unserer Erkenntnis. Gottes Liebe, die in Christus deutlich wurde, hat heilsamen Glauben ermöglicht. Lasst uns beten, dass wir die Liebe unseres Herrn immer deutlicher erkennen und ihn bitten, dass er uns seinen Geist gibt, der seine Liebe in unsere Herzen giesst. So ausgerüstet können wir dann Gott und unsere Nächsten wahrhaft lieben. Die Liebe, die von Gott ausgeht, wird niemals aufhören und Gottes Kinder sicher zum Vater leiten.
3. Die Hoffnung der Auferstehung. Dass Christus auferstanden ist, ist eine historische Tatsache, die zur Zeit, als der Brief verfasst wurde, von vielen bezeugt werden konnte. Sie haben es mit eigenen Augen gesehen, dass Jesus lebt. Die Auferstehung ist aber nicht bloss eine historische Tatsache, sondern auch eine feste Hoffnung, die das Leben von Gottes Kindern prägt. Sie erwarten ihren Herrn. Solange sie auf Erden sind, geben sie sich nicht der Welt hin, sondern suchen, das Gute zur Ehre ihres Heilands zu tun, der sie von der Strafe für die Sünde erlöst hat. Weil der eine Herr uns erlöst hat, können wir uns nicht voneinander trennen. Wer hofft, kann auch unter Schwierigkeiten zusammenbleiben.
Alle drei Heilmittel sind in Christus zu finden, «der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung (1. Korinther 1,30).» Lasst uns darum beten, dass Gott uns die Gnade zur Einheit gibt, damit wir unseren Heiland erkennen, in der Liebe wachsen und in der Hoffnung leben.
Amen.
Fragen zum Lesen des Briefes
1. Wie definiert Paulus das Evangelium?
2. Wie wendet Paulus das Evangelium in den Schwierigkeiten an?
3. Weshalb ist es so wichtig, dass die Gemeinde nicht gespalten ist?