Ein Standpunkt von Christian Kreiß.
Der vorliegende Aufsatz gibt zum großen Teil Aussagen des Buches: „Das Ende des Wirtschaftswachstums“ wieder, das gerade erschienen ist.
Top Autokonjunktur
Am 28.8. veröffentlichte Ernst & Young (EY) eine Studie zur Automobilbranche, die in den Medien stark aufgegriffen wurde. Demnach erreichten Umsatz und Gewinn der größten 16 Autokonzerne der Welt neue Höchstwerte. Die Umsätze stiegen im zweiten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent, die Gewinne gar um 31 Prozent auf etwa 40 Milliarden Dollar. Unter den drei margenstärksten Herstellern waren zwei deutsche: Mercedes auf Platz eins mit einer Gewinnmarge von 13 Prozent, BMW lag mit 11,7 Prozent auf Platz drei. Werfen wir daher einen Blick in die Bilanzen der beiden deutschen Premium-Autohersteller Mercedes-Benz und BMW.
Jahrhundertgewinne bei Mercedes-Benz
2022 war das beste Jahr für Mercedes-Benz in der Unternehmensgeschichte. Bei einem um 12% gegenüber dem Vorjahr von 150 auf 168 Milliarden Euro gestiegenen Umsatz wurde ein EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern) von 20,5 Milliarden Euro erzielt. Das waren 28% mehr als im bisherigen Spitzenjahr 2021. Der Nettogewinn aus fortgeführten Aktivitäten nach Steuern betrug 14,8 Milliarden Euro, ein Plus von 34% Prozent gegenüber 2021.
In den Jahren 2011 bis 2020 hat das EBIT zwischen rund 4 und 14 Mrd. Euro gelegen, das Konzernergebnis nach Steuern zwischen 2,7 und 10,6 Mrd. Euro. Daran gemessen waren die beiden Corona-Jahre 2021 und 2022 also wirklich herausragend.
Wohin flossen die ungewöhnlich hohen Dividendenauszahlungen?
Entsprechend hat der Konzern 2022 auch die Dividenden erneut angehoben, und zwar von 5,0 auf 5,20 Euro pro Aktie. Das ist die höchste Dividende, die der Konzern jemals ausgeschüttet hat. Die Dividenden wurden Anfang Mai 2023 ausgezahlt. Da Daimler derzeit etwa 1,07 Milliarden Aktien hat, wurden also etwa 5,56 Milliarden Euro Dividendenzahlungen ausgeschüttet.
Wer bekam das viele Geld? Die größten Aktionäre von Mercedes sind die chinesische BAIC Group mit 9,98% aller Aktien sowie der chinesische Anleger Li Shufu, der über eine Holdinggesellschaft (Tenaciou 3) 9,69% an Mercedes hält. Also etwa ein Fünftel der Dividendenzahlung, etwa 1,1 Milliarden Euro, flossen an die beiden chinesischen Groß-Aktieninhaber. Drittgrößter Aktieneigentümer ist die Kuwait Investment Authority mit 5,57% aller Mercedes-Aktien. Ihr ginge Anfang Mai 2023 etwa 317 Millionen Euro zu. Weitere 47,37% oder 2,63 Milliarden Euro der Dividenden flossen an so genannte Institutionelle Investoren, das sind internationale Großanleger wie Blackrock, Vanguard, DWS usw.
Wer hat Gewinn und Wertschöpfung erarbeitet?
Mercedes-Benz beschäftigte 2022 im Jahresdurchschnitt etwa 171.000 Menschen. Die Lohn- und Gehaltssumme belief sich auf 16,5 Milliarden Euro. Die Beschäftigten sind die Menschen, die die Autos hergestellt haben, die die Wertschöpfung des Konzerns erbracht und für den Gewinn gesorgt haben. Hätte man die Dividende statt an die weit entfernt lebenden Aktionäre an die Werktätigen ausgezahlt, hätte jeder Mercedes-Mitarbeiter eine Lohnerhöhung oder eine Einmalzahlung von 33,7% bekommen können. Jede und jeder.
Hätte man gar den ganzen Nachsteuergewinn von 14,8 Milliarden Euro an die Beschäftigten ausgezahlt, hätte jede und jeder Beschäftigte 90% Prozent mehr Lohn und Gehalt haben können, also fast eine Lohnverdoppelung. Das ist natürlich unrealistisch, denn man sollte als vorausschauendes Unternehmen einen guten Teil der Gewinne als Eigenkapital einbehalten. Das hat Mercedes in der Vergangenheit auch gemacht. In der Regel wurden in den letzten sechs Jahren etwa 40 Prozent des Nettogewinns als Dividende ausgeschüttet.
Der Beitrag, den die Aktionäre leisten, besteht darin, dass man einmalig für einen Geldbetrag Aktien kauft und dann, solange das Unternehmen existiert, einen Dividendenstrom bekommt.