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CL055 Gravitationswellen: Erschütterungen der Raumzeit


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Die Episode über den Blopp! im Universum.

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Gravitationswellen, Verzerrungen der Raumzeit, einst von Albert Einstein theoretisch vorhergesagt, sind eine der aufregendsten Entdeckungen der modernen Physik. Ihr Nachweis stellt eine enorme Präzisionsleistung dar. Doch was genau sind Gravitationswellen? Wie entstehen sie? Und warum dauerte es mehr als hundert Jahre, bis ihr Nachweis gelang?

In dieser Episode tauchen wir tief in die Welt der Gravitationswellen ein und erkunden, warum ihre Erforschung für die Astronomie so wichtig ist.

Einleitung

In Folge 53 haben Eva und Jana über die Kollision Schwarzer Löcher gesprochen. Bei der Kollision solch massereicher und kompakter Objekte entstehen Gravitationswellen.

Gravitationswellen sind Verzerrungen der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Sie entstehen immer dann, wenn massereiche Objekte beschleunigt werden - wie eben bei der Kollision Schwarzer Löcher oder bei Supernova-Explosionen. Grund genug, ihnen eine eigene Episode zu widmen und genauer zu untersuchen, was sie sind, wie sie entstehen und warum es so lange gedauert hat, sie nachzuweisen.

Im Allgemeinen werden drei Arten von Gravitationswellen unterschieden:

  1. Inspiral-Gravitationswellen: Werden von zwei massereichen Objekten erzeugt, die sich umkreisen - etwa zwei Neutronensterne oder Schwarze Löcher, die sich langsam spiralförmig annähern, bevor sie verschmelzen.

  2. Kontinuierliche Gravitationswellen: Werden von rotierenden Neutronensternen erzeugt, die aufgrund ihrer extremen Dichte winzige Unregelmäßigkeiten aufweisen und dadurch kontinuierliche Wellen aussenden.

  3. Explosive Gravitationswellen: Sie entstehen bei extremen kosmischen Ereignissen wie Supernovae oder anderen Prozessen, die noch nicht vollständig verstanden sind.

  4. Die Geschichte der Gravitationswellen

    Bereits 1916 sagte Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie die Existenz von Gravitationswellen voraus. Seine Theorie beschreibt die Gravitation nicht als klassische Kraft (wie bei Isaac Newton), sondern als Krümmung der Raumzeit. Er verstand die Gravitation als eine Eigenschaft des Raumes selbst, wobei jedes Objekt mit Masse den Raum krümmt. Nach Einstein ist die Gravitation also die Art und Weise, wie wir die Krümmung des Raumes wahrnehmen. Im Gegensatz zu Newton folgt daraus, dass sich eine Änderung der Gravitationskraft nicht unendlich schnell ausbreitet, sondern mit Lichtgeschwindigkeit. Und genau das beschreibt eine Gravitationswelle, eine sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitende Änderung der Raumkrümmung.

    Allerdings ist der Effekt so schwach, dass selbst Einstein skeptisch war, ob er jemals nachgewiesen werden kann.

    Trotz der geringen Erfolgschancen, begannen ab den 1970er Jahren Experimente zum Nachweis von Gravitationswellen. Der amerikanische Physiker Joseph Weber begann erste Versuche mit massiven Aluminiumzylindern. Seine vermeintlich positiven Ergebnisse konnten jedoch nicht reproduziert werden und wurden in der Fachwelt mit Skepsis betrachtet. Seine Versuche ebneten jedoch den Weg für weitere Forschungen in der Physik.

    Laserinterferometrie und LIGO

    Ab den 1990er Jahren begann die Entwicklung und der Bau von LIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory), das schließlich den Durchbruch bringen sollte. Im Gegensatz zu Weber wurde hier der Nachweis der Messung von Gravitationswellen mittels Laserinterferometrie verfolgt.

    Ein Laserinterferometer arbeitet mit einer Laserlichtquelle. Das Laserlicht wird in zwei Strahlen aufgeteilt, die im rechten Winkel zueinander die gleiche Strecke zurücklegen, bevor sie an einem Spiegel reflektiert werden und so zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren. Da beide Strahlen exakt den gleichen Weg (mit Lichtgeschwindigkeit) zurückgelegt haben, treffen sie gleichzeitig wieder ein. Das Interferometer wird nun so eingestellt, dass sich die beiden Laserstrahlen dort gegenseitig auslöschen, also nichts mehr zu sehen ist.

    Läuft nun eine Gravitationswelle durch den Detektor, verursacht sie eine Längenänderung, die gemessen wird. Die Abstände ändern sich, ein Laserstrahl legt eine etwas andere Strecke zurück und die beiden löschen sich nicht mehr aus.
    Und genau das ist am 14. September 2015 passiert: LIGO ist erstmals der direkte Nachweis von Gravitationswellen gelungen!

    Warum war der Nachweis so schwierig? Das Prinzip der Messung ist zwar einfach, aber die Umsetzung erfordert eine extrem hohe Präzision.

    Gravitationswellen sind extrem schwach: Die von LIGO gemessene Verzerrung der Raumzeit beträgt nur ein Zehntausendstel des Durchmessers eines Protons!

    LIGO ist riesig! Es ist kein Gerät, sondern im Grunde ein Gebäude: Es besteht aus zwei 4 km langen Laserarmen, die im rechten Winkel zueinander stehen. Eine Gravitationswelle verändert die Länge dieser Arme nur minimal, was durch Interferenzmessungen erfasst wird. Störungen durch seismische Aktivitäten oder Temperaturschwankungen mussten herausgefiltert werden, um sicher zu sein, dass es sich tatsächlich um eine Gravitationswelle handelte.

    Die erste entdeckte Gravitationswelle: GW150914

    Die von LIGO 2015 nachgewiesene Welle entstand vor 1,3 Milliarden Jahren, als zwei Schwarze Löcher mit 29 und 36 Sonnenmassen kollidierten und zu einem neuen Schwarzen Loch mit 62 Sonnenmassen verschmolzen. Die restliche Energie - das Äquivalent von 3 Sonnenmassen - wurde in Form von Gravitationswellen abgestrahlt.

    Für diesen bahnbrechenden Nachweis erhielten Rainer Weiss, Kip Thorne und Barry Barish 2017 den Nobelpreis für Physik.

    Gravitationswellen lassen sich als Frequenzverschiebung wahrnehmen - das berühmte „Blopp!“ wurde zur akustischen Signatur verschmelzender Schwarzer Löcher.

    Die Zukunft: Gravitationswellenforschung im All mit LISA

    Während LIGO auf der Erde arbeitet, plant die ESA mit LISA (Laser Interferometer Space Antenna) ein Gravitationswellen-Observatorium im Weltraum (Start ca. 2034).

    Warum im Weltraum?

    Dort gibt es keine seismischen Störungen, es können niedrigere Frequenzen gemessen werden, was den Nachweis von supermassiven Schwarzen Löchern und frühen kosmischen Ereignissen ermöglicht, und schließlich können Millionen Kilometer lange Laserarme (!) noch präzisere Daten liefern.

    Gravitationswellenastronomie: Ein neues Fenster zum Universum

    Gravitationswellen sind nicht nur eine neue Art, das Universum zu „sehen“, sondern auch ein völlig neuer Informationskanal:

    • Kollisionen von Schwarzen Löchern und Neutronensternen sichtbar machen - auch wenn dabei kein Licht ausgesandt wird.
    • Die Frühgeschichte des Universums erforschen: Gravitationswellen könnten Hinweise auf den Urknall und die kosmische Inflation liefern.
    • Die Entwicklung von Galaxien besser verstehen
    • Literatur und weiterführende Links:

      Collins, Harry: Gravity’s Kiss, The Detection of Gravitational Waves (Engl.)

      Boblest, Sebastian; Müller, Thomas; Wunner, Günter: Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie, 2. Auflage, Springer Spektrum; Kapitel 15 Gravitationswellen

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