Ihren Doktortitel hat die Medizinerin Ingeborg Rapoport im Alter von 102 Jahren verteidigt. Da ist die Kinderärztin längst eine verdiente Forscherin und Kämpferin gegen die Säuglingssterblichkeit. Dass Säuglinge ihren ersten Geburtstag nicht erleben: Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte war das völlig normal. Ingeborg Rapoport will sich damit nicht abfinden. An der renommierten Charité findet sie zu DDR-Zeiten für ihre Forschung fast ideale Bedingungen vor. Sie gründet den ersten europäischen Lehrstuhl für für Neu- und Frühgeborenenmedizin und versucht unermüdlich, Forschung, Behandlung und Pflege besser miteinander zu verzahnen. Dabei hilft, dass sich die DDR die Senkung der Säuglingssterblichkeit zum politischen Ziel gemacht hat. Ingeborg Rapoport ist überzeugte Sozialistin; in der DDR, ihrer "dritten Heimat", fühlt sie sich angekommen. Geboren wird sie in am 2. September 1912 in Kamerun – und muss das Deutsche Reich, ihre erste Heimat, 1938 verlassen: Wegen ihrer jüdischen Großeltern wird sie als angehende Medizinerin nicht zur Promotion zugelassen. In den USA wiederum, ihrer zweiten Heimat, gerät sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Biochemiker Samuel Mitja Rapoport, wegen ihrer sozialistischen Überzeugungen zunehmend in Schwierigkeiten. Ihre Promotion, die ihr die Nazis einst verweigert hatten, hat sie in der DDR nie nachholen müssen, um forschen und praktizieren zu können. 2015 schließlich darf sie an ihrer ehemaligen Universität in Hamburg ihre Doktorarbeit von einst verteidigen – und wird mit 102 Jahren endlich auch ganz offiziell promoviert.