Wer hätte gedacht, dass dieser Satz nach einem halben Jahrtausend noch so aktuell erscheinen würde: "Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen"? Gesprochen hat ihn ein junger Professor an der damals noch jüngeren Wittenberger Universität: Philipp Melanchthon, der eigentlich Philipp Schwarzerdt hieß, und ohne den die reformatorischen Ideen Martin Luthers nicht so nachhaltig geblieben wären. Dieser Satz offenbart Melanchthons Vertrauen in die menschliche Einsichtsfähigkeit, die Toleranz, Kompromiss und Konsens möglich macht. Melanchthon war Luthers engster Vertrauter und sein Co-Autor bei unzähligen Grundsatz-Schriften, auch um das Schulsystem in Deutschland pädagogisch neu zu gestalten. Heute würden ihn manche wohl einen Coach nennen: Luther war der Charismatiker der Reformation, Melanchthon ihr Systematiker, denn er verstand es, das unterschiedliche Denken vieler auf ein gemeinsames Fundament zu stellen. Vielleicht ist deshalb eine Bekenntnisschrift bis heute sein bekanntester Text, die "Confessio Augustana" aus dem Jahr 1530, auch im 21. Jahrhundert noch Glaubensgrundlage für die evangelisch-lutherischen Kirchen in aller Welt.