Musiker wollte er werden, nach dem Krieg arbeitete er zunächst als Journalist – bekannt aber wurde er als "der Mann an seiner Seite": Egon Bahr war der Kopf hinter Willy Brandts Ostpolitik, von ihm stammt die Maxime "Wandel durch Annäherung". Statt die DDR weiter zu ächten, sollte 1969 mit dem Machtantritt der sozialliberalen Koalition die Beziehung beider Staaten auf eine neue Grundlage gestellt werden. Ein kompliziertes Unterfangen, galt es doch zunächst, bei der Sowjetunion um Vertrauen zu werben – denn ohne den großen sozialistischen Bruder aus Moskau konnte die Ost-Berliner Nomenklatura kaum etwas entscheiden. Dann musste mit eben jener Nomenklatura eine tragfähige Verhandlungskultur geschaffen werden. Über ein Jahr habe es gedauert, so Bahr, bis er mit DDR-Chefunterhändler Michael Kohl überhaupt ein normales Gespräch habe führen können. "Tricky Egon", so sein Spitzname, war schließlich erfolgreich, unter seiner Regie entstanden etwa der Moskauer und der Warschauer Vertrag, der Grundlagenvertrag und das Transitabkommen: Meilensteine der Entspannungspolitik, die dabei halfen, aus dem Kalten Krieg keinen heißen werden zu lassen. Nicht verhindern konnte Bahr jedoch, dass seinem politischen Weggefährten und engen Freund Willy Brandt von den eigenen SPD-Parteigenossen übel mitgespielt wurde. Brandts parteiinternen Gegenspieler Herbert Wehner bezichtigte er der Heuchelei; bei Brandts Rücktritt brach er in einen Weinkrampf aus. Dass die beiden deutschen Staaten sich eines Tages wiedervereinigen würden, daran habe er stets geglaubt. Dass er es auch noch erleben durfte, sagte er kurz vor seinem Tod 2015, sei eines der großen Geschenke seines Lebens gewesen.