Kurt Georg Kiesinger war der Bundeskanzler mit der kürzesten Amtszeit – und auch der umstrittenste Regierungschef: Kiesinger war der einzige Bundeskanzler, der in der Nazizeit Mitglied der NSDAP gewesen war. Nur knapp drei Jahre war der Christdemokrat zwischen 1966 und 1969 im Amt, die Kritik an seiner Mitgliedschaft in der NSDAP wurde Kiesinger jedoch nie los. Beate Klarsfeld gab ihm dafür öffentlich eine Ohrfeige. Seine nationalsozialistische Vergangenheit hat Kiesinger zwar nie bestritten, doch seine Selbstdarstellung als Widerstandskämpfer innerhalb des NS-Systems war unglaubwürdig. 1947 trat Kurt Georg Kiesinger in die CDU ein, 1949 wurde er bereits Abgeordneter im Bundestag. Obwohl als exzellenter Debattenredner und Mitglied des CDU-Bundesvorstandes hochgeachtet, war es geradezu verblüffend, was er alles nicht wurde. Deshalb zog es ihn 1958 als Ministerpräsident nach Baden-Württemberg. Als die FDP im Herbst 1966 die Koalitionsregierung von Kanzler Ludwig Erhard verließ, wurde er der Kompromisskandidat der Union, der dann mit Willy Brandts SPD die erste große Koalition im Bund schmiedete – der vor den Nazis geflohene Sozialdemokrat und der Ex-NSDAP-Mann reichten sich versöhnlich die Hand. Nach der Bundestagswahl 1969 trennten sich ihre Wege jedoch wieder. Brandt wurde Bundeskanzler der ersten sozial-liberalen Koalition. Kiesinger bliebe noch bis 1971 Bundesvorsitzender der Union und bis 1980 auch Bundestagsabgeordneter, danach zog er sich aus der Politik zurück.