Eine einfache Melodie und ein simples harmonisches Gerüst lassen Platz für Gedankenspiele: John Lennon und Yoko Ono tagträumen von einer Welt ohne Besitz, ohne Religion und Nationen – das, was ihrer Ansicht nach Menschen voneinander trennt und zu Gewalt führt. Obwohl Produzent Phil Spector noch Streicher, Bass und Schlagzeug in den Mix brachte, waren es vor allem das Klavier und die Stimme von John Lennon, die "Imagine" so eindrücklich machten. Es entstand der Eindruck eines sehr persönlichen Stücks, das so schließlich auch die Berichterstattung über Lennons Ermordung 1980 begleitete. "Imagine" gab der Fassungslosigkeit einen Ausdruck. Zur Zeit des Vietnamkriegs nannten reaktionäre Kritiker das Stück "naiv" oder gar "anarcho-kommunistisch". Vorgetragen von einem Mann, der jeglichen Bezug zur harten Realität der 70er Jahre verloren hätte. Auch nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 passte "Imagine" nicht in die kriegsschwangere Vergeltungsrhetorik der US-Regierung – und verschwand von den Playlists. Doch Lennon und Ono forderten gar nicht den sofortigen Weltfrieden, sie forderten ihre Zuhörerinnen und Zuhörer auf, sich mit einer Utopie auseinanderzusetzen. Nach vielen internationalen Konflikten taucht "Imagine" – auch fünfzig Jahre nach der Veröffentlichung – immer wieder in den Charts auf.