ERF Plus - Bibel heute

Die Verhandlung vor Festus


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Paulus sitzt in der Zelle. Und das nicht erst seit kurzem. Zwei Jahre sitzt er nun in Gefangenschaft. Es ist still. Vielleicht hört Paulus Stimmen von außen, doch hier drinnen herrscht Ungewissheit. Ich stelle mir vor, wie er aus der Zelle gezogen und vor den römischen Statthalter Festus gebracht wird. Jetzt steht Paulus vor Gericht. Wieder einmal. Die Anklage? Haltlos. Umringt ist er von hitzigen Anklägern. Seine Gegner, die Hohenpriester und führenden Männer sind entschlossen: sie wollen ihn loswerden. Nicht durch ein offenes Verfahren, sondern heimlich auf dem Weg nach Jerusalem. Paulus wird beschuldigt, ein Unruhestifter unter den Juden zu sein. Ein Verbrechen gegen den Frieden. Sie wollen ihn in einen Hinterhalt locken. Ganz schön klug. Dafür müssen sie nur noch den Statthalter überzeugen, ihn dorthin zur Verhandlung verlegen zu lassen. Die Anklage ist schwer.

Paulus kann jetzt alles tun, um sich selbst zu verteidigen. Er kann sich in seiner Not wehren, sich herausreden, die Ungerechtigkeit anklagen. Dazu würde ich wohl schnell neigen. Doch Paulus weiß auch, dass er nichts verbrochen hat. Er tut etwas anderes. Er beruft sich auf den Kaiser. Das ist sein gutes Recht als römischer Bürger und doch ein mutiger Schritt. Er fordert eine faire Verhandlung in Rom. Das ist vermutlich die einzige Chance, hier lebendig rauszukommen.

Trotz Verfolgung und falschen Anklagen sagt Paulus im zweiten Korintherbrief in Kapitel vier, Verse acht und neun: „Wir sind in allem bedrängt, aber nicht erdrückt; ratlos, aber nicht verzweifelt; verfolgt, aber nicht verlassen; niedergeworfen, aber nicht zerstört.“

Paulus erlebt nicht nur einmal was es heißt, bedrängt und verfolgt zu werden. Und doch ist er zuversichtlich: In Gott hat er alles, was er braucht. Was gibt mir Halt in Momenten, wenn ich nicht weiterweiß? Was hilft mir, nicht die Hoffnung zu verlieren? Paulus weiß: Gott führt. Nicht immer so, wie er es erwartet. Aber er lässt ihn nicht allein.

Diese Wahrheit gilt auch für mich. Gott verspricht kein einfaches Leben. Aber er versorgt mich, in meinen Lebenslagen. Der Bibelvers bedeutet für mich: Gott schenkt mir Frieden, selbst wenn ich bedrängt werde. Er schenkt Rat, wenn ich an meine menschlichen Grenzen komme. Er steht mir bei, wenn ich verfolgt werde. Er beschützt mich, wenn ich niedergeworfen werde. Diese Wahrheiten spricht Gott seinen Kindern zu.

Als Missionskind bin ich in einem Land aufgewachsen, in dem Christen bis heute unterdrückt sind. Einige von ihnen werden von ihren Familien ausgestoßen und verspottet. Sie werden buchstäblich vor die Haustür gesetzt. Wenn ich sehe, dass jemand ungerecht behandelt wird, fällt es mir schwer, positiv zu bleiben. Die Frage lässt mich nicht los, warum sich Menschen ungerecht behandeln. Aber ich habe auch erlebt, wie diese Christen einander ermutigen und trösten. Denn sie sind zuversichtlich: „Wir haben die beste Botschaft der Welt. Gott trägt uns durch.“ Ein Christ in Nordkorea sagte: „Sie können mich ins Gefängnis stecken, aber nicht das Evangelium.“ Von ihrer Hoffnung und ihrem Mut kann ich viel lernen. Ich möchte zuversichtlich glauben, dass Gott mitten im Leid da ist. Seine Hoffnung und Liebe verbreiten sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Welt.

Paulus hat das für sich verstanden. Er zeigt mir eins: Es gibt einen Weg. Es ist vermutlich nicht der leichte und nicht der schnelle - aber der richtige. Denn Gott öffnet Türen, selbst durch Gerichte und durch ungerechtes Verhalten anderer. Paulus behält seinen Fokus auf dem, was zählt. Sein Auftrag steht fest und es scheint mir so, als kann niemand ihn ins Wanken bringen. Dieser Auftrag endet nicht in einer dunklen Zelle. Denn in Rom will er weiter von Jesus erzählen und von dem, was ihm widerfahren ist. Jesus und seine Botschaft haben ihn verändert. Nicht nur das, er wird von Saulus in Paulus umbenannt. Eine 180 Grad Wende, mit der er vermutlich nicht gerechnet hat.

Schon im Alten Testament Jesaja 55,8-9 spricht Gott: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“

Diese Worte berühren mich. Wenn ich an meine menschliche Grenze komme, bin ich froh, dass es jemanden gibt, der es besser weiß als ich. Der mich und andere selbst in ausweglosen Situationen begleitet. Denn ich darf klagen und meine Not vor Gott aussprechen. Gott ist meine Anklage nicht egal. Aber ich kann auch still werden und wissen: Gott ist da. Er ist mit dabei. Ein Gebet des Theologen Reinhold Niebuhr hilft mir, mich neu zu fokussieren:

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,

den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Diese Worte hängen auf einem kleinen Zettel an meiner Wand neben meinem Esstisch. Es ist eine gute Übung, sich damit auf den Tag einzustellen. Das Gebet begleitet mich über den ganzen Tag. Ich frage mich, ob Paulus diese Worte auch für sich sprechen würde:

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.“

Schon zwei Jahre sitzt Paulus in Haft. Und nun - mitten im Gerichtsprozess – muss er sich vor seinen Feinden behaupten.

„Gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.“

Diese Worte spiegeln sein Verhalten wider. Er steht für sich ein und macht von seinem römischen Bürgerrecht Gebrauch.

„Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Paulus weiß, dass die Falle seiner Feinde ihm das Leben kosten kann. Er überlegt es sich gut, welche Option nun die beste ist. Denn sobald er nach Rom kommt und freigelassen wird, kann er seinem Auftrag wieder nachgehen. Er weiß, dass Gott ihn führt – nicht immer so, wie er es erwartet, aber doch mit einem Ziel.

Können Sie diese Worte auch in Ihrer Situation sprechen? Welche Dinge möchten Sie gelassen hinnehmen? Und wo braucht es Mut, um etwas zu verändern?

Diese Fragen sind nicht immer leicht zu beantworten, besonders wenn Ungerechtigkeit und Leid das Leben prägen. Paulus erlebt genau das. Er gerät unter Druck, doch er hat seine Mission vor Augen. Er erkennt, wie er in seiner Situation handeln muss. Gott geht mit.

Er versorgt mich und öffnet Wege, die ich noch nicht sehe. Auch ich will meinen Fokus auf dem behalten, was wirklich zählt: Das Miteinander mit Gott. Und darauf vertrauen, dass Gott mich mit seinen Zusagen ausrüstet. Denn vielleicht ist das, was wie ein Ende erscheint, in Gottes Augen erst der Anfang.

► Mehr Informationen zur Apostelgeschichte:

Buchvideo: Apostelgeschichte Kap. 13-28

 

Autor: Nicole Zweininger

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