Jesus lehrt Menschen im Tempel. Dort befinden sich zum einen das Volk, das ihm an den Lippen hängt, und zum anderen die einflussreichen Schriftgelehrten und Ältesten, die ihn ausschalten wollen, weil er ihre Stellung und Lebensweise hinterfragt. Jesus hält ihnen unverblümt vor, dass sie sich nach außen gern fromm und respektabel geben, in Wahrheit aber die einfachen Leute ausnutzen. (Lukas 20,46-47) Als sein Blick auf die Menschen fällt, die Geld in den Opferstock legen, macht er an dem Geschehen dort deutlich, worum es ihm geht.
Viele reiche Leute kommen, die große Geldbeträge in den Opferstock legen. Es ist gut, dass es reiche Leute gibt, die viel spenden. Mit ihren Spenden kann viel bewirkt werden. Das war damals schon so. Von den Spenden werden der religiöse Betrieb finanziert, aber auch die Gemeinschaft gestützt und Bedürftige sozial abgesichert.
Auch heute bringen Spenden in Kirchen und Gemeinden viel Gutes hervor. Kirchen und Gemeindehäuser werden davon gebaut und instandgehalten, damit das Kirchenvolk einen Ort hat, um sich zum Gottesdienst zu versammeln. Pfarrerinnen und Pfarrer, Diakoninnen und Diakone, KirchenmusikerInnen und KüsterInnen und anderes Personal erhalten für ihren Dienst Lohn zum Lebensunterhalt. Krankenhäuser, Altenheime, Jugendeinrichtungen, Kindergärten, Sozialstationen, Beratungsstellen, … viele Menschen können so unterstützt werden. Wie gut, dass es Reiche gibt, die spenden. Ich bin sehr dankbar dafür!
Und dann sieht Jesus eine arme Witwe, die zwei Scherflein in den Opferstock einlegt. Wahrscheinlich ist die Witwe schon an ihrer Kleidung erkennbar. Vielleicht trägt sie eine besondere Witwentracht, vielleicht ist die Kleidung auch ärmlich und ließ ihre Bedürftigkeit erkennen.
Witwen werden oft in der Bibel zusammen mit Waisen und Fremdlingen genannt. Sie stehen am Rand der Gesellschaft, obwohl die israelitische Gesellschaft eigentlich sehr sozial ausgerichtet ist. Das Gesetz sieht einige Möglichkeiten der Fürsorge vor. Dennoch muss Gott sich immer wieder zum Anwalt der Witwen und Waisen und Fremdlinge machen (5. Mose 10,17-18). Das mit der Fürsorge funktioniert wohl nicht so recht. Propheten ermahnen das Volk im Namen Gottes, auf die Rechte der Witwen und Waisen und Fremdlinge zu achten (z.B. Jesaja 1,23; Maleachi 3,5). Auch Jesus kritisiert die Übervorteilung der Witwen (Markus 12,40).
Wer sind für Sie heute die Benachteiligten? Wir leben in einem Sozialstaat, in dem die meisten Menschen in relativem Wohlstand leben, oder zumindest sozial abgefedert sind. Aber ich höre auch immer wieder von Menschen, die am äußersten Rand stehen oder sogar durchs Netz fallen: Geringverdiener, Rentner, Langzeitarbeitslose, Flüchtlinge, Asylanten, …. „Vergesst die Bedürftigen nicht!“, mahnt Gott.
Jesus sieht nun die arme Witwe zwei Scherflein in den Opferstock legen. Dabei handelt es sich um die kleinste denkbare Münzeinheit. Der Betrag macht deutlich, wie arm diese Witwe ist. Gerade noch hat Jesus so viele Leute gesehen, die viel Geld eingeworfen haben, und nun diese zwei Scherflein.
Haben Sie schon mal genauer in die Klingelbeutel geguckt? Ich kann nicht leugnen, dass ich gelegentlich leicht abfällig kommentiert habe: „Da hat wohl wieder jemand das Kleinzeug aus seinem Portemonnaie ausgekippt.“ Ich glaube, so haben auch andere schon gedacht. Der Gedanke dahinter: „Das lohnt doch nicht.“ „Das ist nichts wert.“
„Kleinvieh macht auch Mist“, sagt der Volksmund, und: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht Wert.“
Auf dem Vertiko in unserem Esszimmer steht ein großes Glas mit Pfennigen, das wir zu unserer Hochzeit geschenkt bekamen, insgesamt ein Wert von 100 DM. Ein Pfennig war auch damals nicht viel, aber 100 DM, davon bekam man schon allerlei. Wir haben die Pfennige nicht eingetauscht, weil sie einen ideellen Wert für uns haben und weil wir es auch noch nicht nötig hatten, auf diese Notration zurückzugreifen.
Ja, es lohnt sich, auch die kleinen Beträge zu ehren. Viele kleine Beträge ergeben einen großen Betrag. Und wer weiß, vielleicht hatte ja bei der Kollekte, von der ich erzählt habe, jemand nicht mehr zu geben und hat alles gegeben, was er im Portemonnaie hatte.
Offensichtlich berührt es Jesus, was er beobachtet. Er schaut hinter die Fassade. Jesus sieht das Herz an. Er verändert den Blick für das Offensichtliche. Die viel geben, haben auch viel zu geben. Sie geben von ihrem Überfluss. Es tut ihnen nicht weh. Und hinter der Fassade des ein oder anderen Spenders verbirgt sich womöglich eher Heuchelei, er will nur auf sich aufmerksam machen: „Seht her, wie toll ich bin, dass ich so viel gebe! Bringt doch bitte ein Sponsorenschild am Kirchenbau, an der Orgel, wo auch immer an, damit jeder weiß, was für ein Wohltäter ich bin!“ Ja, solche Leute gab und gibt es. Macht und Reichtum können Menschen verführen.
Die arme Witwe aber hat nichts zu geben. Die zwei Scherflein sind alles, was sie zum Leben hat. Aber sie gibt auch die noch weg in die Kollekte, für Gott. Nun hat sie gar nichts mehr, nicht einmal eine Hand voll Mehl im Topf und keinen Tropfen Öl im Krug, wie damals die Witwe, die den Propheten Elia versorgte (1. Könige 17). Welche Hingabe zeigt diese Frau! Welchen Glauben! Welche Liebe zu Gott! Welches Vertrauen auf Gott, von dem es heißt: Ein Vater der Waisen und ein Helfer der Witwen ist Gott in seiner heiligen Wohnung. (Psalm 68,6)
Das Lukasevangelium platziert die Geschichte von der armen Witwe zwischen Jesu Reichenkritik und seinen Endzeitreden. „Das letzte Hemd hat keine Taschen“, sagt der Volksmund. Wir können letztlich nichts mitnehmen. Aller irdische Reichtum wird vergehen. Aber der Herr kommt wieder und vollendet sein neues Reich. Von dieser Hoffnung, in diesem Vertrauen leben Christen.
Die Witwe im Tempel ist keine Nachfolgerin Jesu, aber sie lebt vor, was Jesus schon in der Bergpredigt gesagt hat, dass wir uns keine Sorgen machen sollen über unseren Lebensunterhalt, weil Gott weiß, was wir zum Leben brauchen. Viel wichtiger ist es, im Glauben zu leben und sich nach Gottes Reich auszurichten. (Matthäus 6,31-34)
Die Witwe im Tempel zeigt uns: Macht euch keine Sorgen, was übrigbleibt, wenn die Energiepreise und die Lebenshaltungskosten steigen und der Lohn und die Rente nicht mitkommen. Macht euch keine Sorgen, wenn Klimawandel und Kriege in der Welt euch bedrohen. Gott weiß um all dies. Liebt Gott, den Vater, und hofft auf ihn! Vertraut ihm! Gott weiß, was wir bedürfen.
Und die Witwe im Tempel zeigt mir, dass auch ich mein Scherflein beitragen kann: Geld für die Aufgaben unserer Kirche und die Nöte anderer, aber auch geistliche, indem ich Salz und Licht der Welt bin. Die arme Witwe im Tempel ist jemand, die ihr Licht nicht unter den Scheffel stellt und ihre Hoffnung und Zuversicht auf Gott setzt. Tun Sie es ihr gleich!
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