ERF Plus - Bibel heute

Gottes Güte ist besser als Leben


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David schreibt diesen Psalm nicht in einem schönen Tempel, sondern in der Wüste – körperlich erschöpft, auf der Flucht, einsam, vielleicht auch verzweifelt. Und mitten in dieser Trockenheit, da, wo alles karg und leer ist, wächst ein tiefer Ruf:

„(Gott) Es dürstet meine Seele nach dir.“

David erlebt: Nicht nur sein Körper ist durstig – seine Seele dürstet. Nach Nähe, nach Trost, nach Gott.

Die Wüste Juda ist eine Region östlich von Jerusalem, die zum Toten Meer abfällt. Sie diente in der Frühgeschichte oft als Zufluchtsort, auch für David. David floh vor König Saul in die Wüste Juda. Die genauen Umstände seiner Flucht werden im 1. Buch Samuel beschrieben. Dort wird erzählt, wie David von Saul und seinen Männern gejagt wird. Es gibt Situationen, in denen David fast gefasst wird. Und in all der Bedrohung höre ich David, wie er betet: Deine Güte – Gottes Güte – ist besser als Leben.

Was für ein Bekenntnis! Er sagt damit: Selbst, wenn ich alles verliere – und das ist in Davids Situation wirklich alles: Sicherheit, Familie, Gesundheit – deine Nähe, Gott, ist mehr wert als all das. Nicht die schwierige Situation steht in diesem Gebet im Mittelpunkt, sondern das Glück der Gemeinschaft mit Gott.

Und was mich dabei überrascht: David nimmt in diesem Psalm schon das Danklied vorweg, das er Gott singen will, wenn er von seinen Feinden errettet wird. „Meine Lippen preisen dich. Ich will dich loben mein Leben lang und meine Hände in deinem Namen aufheben.“

Es sind schreckliche Jahre, in denen er durch Saul verfolgt wird. Vielleicht zweifelt David schon manchmal an seiner Berufung, die er durch Gott schon in frühen Jahren seines Lebens bekommen hat. Damals salbte der Prophet Samuel den kleinen David zum König. Und alle begriffen durch diese Handlung: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.“

Und diese Erkenntnis zieht sich durch Davids Leben.

Aber dann sieht David in seinem Gebet schon das Todesgeschick seiner Feinde voraus. Gott zeigt ihm die Wahrheit über seine Feinde. Sie werden umkommen. Und auch die Lügenmäuler werden gestopft.

Getröstet und vertrauensvoll kann er in der größten Gefahr zu Bett gehen. Und er ist Tag und Nacht mit seinem Gott im Gespräch. Innig und ganz persönlich ist dieses Gespräch mit Gott. Denn da ist er sich sicher – Gott ist sein Helfer. Mit seiner wunderbaren Bildsprache gehen die Psalmworte beim Beten auch direkt in mein Herz. „Unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich“.

David hat es geschafft, in bildreichen Worten auszudrücken, was er im Herzen fühlt und wonach er sich sehnt. Diese Worte haben Kraft. Und auch wenn es zur Zeit Davids den Tempel noch nicht gibt – und auch keine Kirche – seine Worte werden bis heute an diesen Orten gebetet. Warum ist das so?

Weil die Psalmen uns ins Beten mit hineinnehmen. Sie bringen andere zum Beten. Und auch wenn meine Seele keine Worte findet für das, was sie bedrückt und beschäftigt: hier kann sie sich Worte leihen, die Kraft haben.

Und was für ein Segen ist es, die Psalmen gemeinsam laut zu beten! Das wird in vielen Gottesdiensten so gemacht. Ich höre die Stimme des anderen neben mir, der Gott mit denselben Worten lobt, der mit mir zusammen Klage und Dank vor seinen Thron bringt. Ich stimme ein in das Gebet der Gemeinde und spüre, wie ich getragen werde, auch wenn meine Stimme an manchen Stellen schwach ist.

Die Psalmworte geben Raum, Gott selbst das Herz zu öffnen. Sich in den Bildern, sich in die Klage und das Lob einzufühlen. Auch wenn ich heute in einer anderen Lage bin, kann ich im Beten des Psalms meine persönliche Not einfügen. Gott meinen Dank bringen. Ermutigung zum Gebet finden.

Der Psalm 63 ist wie eine Einladung an Sie und mich. Ich kenne solche Wüstenzeiten auch:

Wenn das Leben sich trocken anfühlt. Wenn Sorgen, Krankheit oder Verlust mich auszehren. In solchen Zeiten kann mein Glaube wie vertrocknet scheinen. Doch genau dort – in der Wüste – beginnt dieser Psalm. David betet nicht erst, als alles gut ist. Er sucht Gott während der Dürre. Und darin liegt eine starke Ermutigung: Die Wüste ist kein gottloser Ort. Sie kann sogar ein heiliger Ort werden – ein Ort der Begegnung mit dem lebendigen Gott.

In unseren Wüstenzeiten können wir ehrlich mit Gott reden. Wir müssen nichts beschönigen. Wir dürfen sagen: „Gott, ich sehne mich so nach dir. Ich spüre dich kaum. Aber ich glaube, du bist da.“

Und in genau solchen Momenten schenkt Gott eine neue Tiefe, eine heilige Gewissheit, die stärker ist als jede äußere Not. Und dann kann ich manchmal beten: „… unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich in der Hitze meines Alltags…“

David sagt: „Wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach. Denn du bist mein Helfer.“ Viele kennen das nächtliche Wachliegen – wenn Sorgen nicht schlafen gehen. Wäre es nicht weise, dann das zu tun, was David hier zeigt: Er erinnert sich. Er ruft sich in Erinnerung, wie Gott schon geholfen hat. Er lebt nicht aus der Angst, sondern er erinnert sich an Gottes Güte und an Gottes Treue.

Das heißt, in schlaflosen Nächten ist Raum und Zeit diesem einmal nachzugehen: Wie oft hat Gott schon getragen? Wie oft hat er schon Türen geöffnet, wo kein Weg mehr war? Wann hat er Frieden gegeben, wo alles dunkel war?

David sagt: „Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich.“ Wieder ein Bild: Unsere Seele – wie ein Kind, das sich an die Hand klammert. Aber es ist nicht nur unser Halten. Gottes Hand hält uns. Auch wenn unser Glaube schwach ist – seine Hand lässt uns nicht los.

Das ist das Entscheidende: Nicht unsere Stärke zählt – Gottes Hand hält uns. Auch wenn wir schwach sind, müde oder am Ende – er lässt uns nicht los.

Autor: Pfarrerin Dorit-Christina Thielmann

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