Haben Sie schon einmal erlebt, dass Ihnen jemand in den Rücken gefallen ist, der oder die Ihnen nahesteht? Vielleicht ein Familienmitglied, ein Freund oder eine Kollegin, von der Sie dachten: Mit ihr kann ich durch dick und dünn gehen – und dann merken Sie plötzlich: Sie redet schlecht über mich. Ein bitteres Gefühl.
Genau das passiert Mose, dem Anführer des Volkes Israel, in dem Abschnitt, den wir eben gehört haben - in 4.Mose 12, 1-16.
Und hier sind es seine eigenen Geschwister Aaron und Mirjam. Eigentlich seine engsten Vertrauten. Aber sie reden schlecht über ihn. Erst über seine Frau Zippora, die aus einem anderen Kulturkreis stammt. Und dann auch über seine besondere Rolle vor Gott: „Spricht der Herr eigentlich nur durch Mose? Redet er nicht auch durch uns?“ Eifersucht. Neid. Vergleichsdenken. All das steckt in diesen Worten.
Und Mose? Er verteidigt sich nicht. Er schweigt. Die Bibel sagt von ihm: Er war ein sehr demütiger Mensch. Demütiger als alle anderen auf Erden.
Das klingt groß. Aber was heißt das eigentlich – demütig?
Heißt das, dass er schwach war, dass er sich nicht traute, etwas zu sagen?
Oder bedeutet es vielmehr, dass er tief in sich wusste, wer er ist – und dass er Gott an seiner Seite hat?
Genau darum geht es. Mose wusste: Ich muss mich nicht selbst rechtfertigen. Ich muss nicht auf jede Spitze reagieren. Ich muss nicht um meine Stellung kämpfen – Gott kämpft für mich.
Gott selbst ruft die drei Geschwister zur Stiftshütte. Eine Art göttliches Tribunal. Und dort macht er es unmissverständlich klar. ”Mit Propheten rede ich durch Träume oder Gesichte, also durch Visionen. Aber mit Mose rede ich direkt. Von Mund zu Mund. Ohne Gleichnisse, ohne Bilder. Mose ist mir näher als jeder andere Mensch. Ihm habe ich mein ganzes Haus anvertraut.“
Das ist eine gewaltige Zusage. Gott selbst stellt sich schützend hinter Mose.
Aber damit auch ein klares Urteil: Aaron und Mirjam haben nicht nur Mose angegriffen, sie haben Gott infrage gestellt.
Und so kommt es zum Gericht: Mirjam wird aussätzig, schneeweiß von der Krankheit. Aber warum eigentlich nur sie und nicht auch Aaron? Vielleicht, weil Aaron eben das Sprachrohr von Mose war, wenn diese die Worte Gottes an ihn an das Volk Israel weitergab? Mose traute sich selbst nicht, zum Volk Gottes zu sprechen. Aber auch so ist die Botschaft deutlich: Gott duldet es nicht, wenn Menschen schlecht übereinander reden und sich gegenseitig klein machen.
Aaron erschrickt zutiefst. Er bittet Mose, diese Schuld nicht festzuhalten. „Wir haben töricht gehandelt“, sagt er. Und Mose? Er spricht ein kurzes, eindringliches Gebet: „Ach Gott, heile sie!“ Keine langen Worte, kein frommes Ausschmücken – nur ein Hilfeschrei.
Und Gott erhört sein Gebet. Aber er lässt Mirjam noch sieben Tage außerhalb des Lagers leben, bevor sie zurückkehren darf. Es ist wie eine Zeit des Nachdenkens. Ein Denkzettel, aber auch eine zweite Chance.
Das Volk wartet. Erst als Mirjam wieder zurückkommt, ziehen sie weiter.
Was können wir aus dieser Geschichte für uns heute mitnehmen?
Demut ist kein Duckmäusertum. Demut heißt nicht: den Kopf einziehen und nichts mehr sagen. Demut bedeutet: Ich weiß, wer ich bin – und vor allem weiß ich, wer Gott ist. Ich muss mich nicht selbst groß machen, ich kann Gott groß sein lassen.
Das zeigt sich ganz praktisch: Wenn ich in einer Diskussion nicht das letzte Wort brauche. Wenn ich nicht ständig beweisen muss, wie wichtig ich bin. Wenn ich auch mal zurücktrete und einem anderen den Vortritt lasse.
Das zweite ist das Reden über andere.
Aaron und Mirjam haben über Zippora geredet, die Frau ihres Bruders, die aus einem fremden Volk stammte. Vielleicht war es Fremdenangst. Vielleicht einfach auch Neid.
Wie oft machen wir das auch? Wenn ich „Wir“ sage, schließe ich mich ein. Ich ertappe mich auch beim Reden über Menschen, die anders sind. Über ihre Eigenheiten, ihre Kultur, ihre Sitten. Und wenn wir das tun, dann meistens, ohne sie wirklich zu kennen. Dabei könnte es so bereichernd sein, wenn wir uns erst einmal bemühen, sie zu verstehen.
„Andere Länder, andere Sitten“, sagt man. Aber andere Länder bedeuten eben auch: andere Schätze, andere Erfahrungen, andere Schönheiten.
Das dritte ist das Vergleichsdenken.
„Spricht Gott nur durch Mose? Spricht er nicht auch durch uns?“ – das ist eine ganz alte Versuchung. Wir vergleichen uns mit anderen. Und dabei leidet unser Selbstbewusstsein.
Denn Vergleiche machen unzufrieden. Sie rauben uns die Dankbarkeit für das, was wir selbst haben. Sie säen Bitterkeit.
Vielleicht kennen Sie das: Der Kollege verdient mehr, die Freundin ist erfolgreicher, jemand anderes sieht besser aus oder hat mehr Einfluss. Und ehe man sich versieht, schaut man nur noch auf das, was einem fehlt – und nicht mehr auf das, was man doch hat.
Das vierte schließlich ist das Erkennen von Grenzen.
Mirjam musste aussätzig werden, damit sie verstand: Hier bin ich zu weit gegangen.
Wie ist das bei Ihnen und bei mir? Wann merken wir, dass unsere Worte andere verletzt haben? Manchmal erst dann, wenn eine Beziehung Schaden genommen hat.
Ich erinnere mich an eine Situation, die ich selbst erlebt habe. Ich war verletzt durch etwas, das Kollegen gesagt hatten. Und meine Reaktion war eine Mail – ehrlich und klar. Am Ende waren nun aber die anderen verletzt, und es brauchte Gespräche und ein Treffen, um das wiedergutzumachen.
Rückblickend wünschte ich, ich hätte mir mehr Zeit genommen. Erst einmal durchatmen. Erst einmal Gott fragen: Soll ich das wirklich so schreiben?
Genau das wünsche ich mir: mehr Demut. Mehr Ruhe, bevor ich reagiere. Mehr Vertrauen darauf, dass Gott für mich kämpft – so wie er für Mose gekämpft hat.
Denn diese Geschichte zeigt: Demut bewahrt Beziehungen.
Demut bedeutet, dass ich nicht alles selbst in der Hand haben muss. Dass ich auch einmal loslassen kann. Dass ich bereit bin, Fehler einzugestehen – und rechtzeitig um Vergebung zu bitten.
So wie Aaron es getan hat. Und vielleicht reicht es für uns, wenn wir uns an Mose erinnern – einen Menschen, der keineswegs perfekt war, der oft gezweifelt und gehadert hat. Aber der wusste: Am Ende entscheidet nicht meine Stärke, sondern Gottes Stärke.
► Mehr Informationen zum 4. Buch Mose:
Buchvideo: Numeri (4. Mose)
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