Das Klima

DK138 - Quallen essen für das Klima?


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Und: Wie kriegt man die Qualle knusprig?

DK138 - Quallen essen für das Klima?

Und: Wie kriegt man die Qualle knusprig?

"Das Klima”, der Podcast zur Wissenschaft hinter der Krise. Wir lasen den sechsten Bericht des Weltklimarats und erklären den aktuellen Stand der Klimaforschung.

In Folge 138 geht es um ein mögliches Nahrungsmittel für eine klimafreundliche Zukunft. Quallen gibt es jede Menge im Meer, es wäre besser für die Ökosysteme wenn es weniger davon gibt und sie sind prinzipiell sinnvolle Lebensmittel. Wir müssen aber auch sinnvolle Wege finden, sie nachhaltig zu fischen und vor allem so zuzubereiten, dass sie auch den Menschen außerhalb von Asien schmecken. Wie das geht und was es da für Rezepte gibt, hört ihr in der neuen Folge.

Wer den Podcast unterstützen will, kann das gerne tun: https://steadyhq.com/de/dasklima/ und https://www.paypal.me/florianfreistetter.

Das Klima und die Qualle auf dem Teller

Wenn wir über Essen und Klima sprechen, landen wir schnell bei einem riesigen Thema: Landwirtschaft, Emissionen, Methan aus der Tierhaltung, Regenwald für Soja – kurzum: ein komplexer Klima-Megabereich. Doch heute geht es nicht um das große Ganze, sondern um ein scheinbares Randthema, das überraschend viel Potenzial bietet: Quallen als Lebensmittel.

In Asien sind Quallen schon lange Teil der traditionellen Küche. Die dort verwendeten essbaren Arten gehören zu den Wurzelmundquallen, die übrigens nicht nur im Pazifik, sondern auch im Mittelmeer und in der Nordsee vorkommen. In Europa allerdings gelten Quallen bisher vor allem als lästiger Beifang – sie verstopfen Fischernetze, nerven Badegäste und bringen Kühlkreisläufe in Kraftwerken durcheinander.

Dabei könnten sie eine Chance für nachhaltigere Ernährung sein. Denn: Die Zahl der Quallen nimmt weltweit zu – begünstigt durch Überfischung ihrer Fressfeinde (z. B. Thun- und Schwertfische) und steigende Meerestemperaturen, die wiederum das Wachstum von Mikroalgen fördern – der Lieblingsspeise vieler Quallen. Zu viele Quallen können allerdings das maritime Ökosystem stören. Warum also nicht mehr davon essen?

Die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN) hat bereits 2022 dazu aufgerufen, neuartige Lebensmittel wie Quallen stärker zu nutzen. Und tatsächlich: Quallen sind ernährungsphysiologisch gar nicht so uninteressant. Sie sind:

  • Kalorienarm: 75 g enthalten etwa 36 kcal – ähnlich wie Salat.
  • Eiweißreich: Rund 4 g Protein auf 75 g.
  • Fettarm, dafür aber mit Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien.
  • Wir haben uns drei aktuelle Studien angesehen:

    “Jellyfish as Food: A Narrative Review”, eine Arbeit von 2021: “„Jellyfishing in Europe: Current Status, Knowledge Gaps, and Future Directions towards a Sustainable Practice“. Und “Jellyfish from Fisheries By-Catches as a Sustainable Source of High-Value Compounds with Biotechnological Applications”

    Ein Zitat aus der ersten Arbeit lautet: _”“Die umfassende Nutzung von Quallen kann zur blauen Bioökonomie beitragen – dank ihrer ernährungsphysiologischen und gesundheitlichen Vorteile. Wenn sie durch geeignete politische Maßnahmen unterstützt wird, können Quallen helfen, unsere wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Zudem kann ihre Nutzung zur Abfallvermeidung beitragen und die Biodiversität mariner Ressourcen fördern, indem bislang ungenutzte lokale Ressourcen eingebunden werden.”

    Aber auch: “Da Quallen in Europa ein neuartiges Produkt darstellen, ist es entscheidend, sicherzustellen, dass alle daraus entwickelten Lebensmittel eine hohe Qualität aufweisen und von den Verbraucher*innen akzeptiert werden.”_

    Klassisch werden Quallen in Asien mit Aluminiumsalzen behandelt und getrocknet, um sie haltbar und knusprig zu machen – ähnlich dem Gerben von Leder. Problematisch daran: Aluminiumsalze können gesundheitsschädlich sein.

    Doch es gibt Alternativen! Eine vielversprechende Methode stammt aus der Arbeit “Soft matter physics meets the culinary arts: From polymers to jellyfish” des Max-Planck-Instituts Mainz. Dort werden Quallen in Ethanol eingelegt, was die Proteine und Polysaccharide vernetzt. Beim anschließenden Trocknen entsteht ein Glasübergang – Ergebnis: knusprige, chipartige Quallen, ganz ohne schädliche Zusätze.

    Und wie schmeckt das? Das hat eine neue Studie getestet: “Effect of Jellyfish Body Parts and Presentation Form on Consumers Liking, Sensory Perception, Emotions, and Food Pairings”. 106 Personen in Italien probierten verschiedene Quallen-Zubereitungen – naturbelassen, ohne Gewürze. Ergebnis: Gehackte oder in Streifen geschnittene Quallen kamen deutlich besser an als große Stücke. Der Körperteil (Schirm oder Mundarme) spielte kaum eine Rolle. Fazit: Akzeptanz ist möglich, wenn die Textur stimmt.

    Quallen gelten aber in Europa als "Novel Food" – also als neues Lebensmittel, das eine Zulassung braucht. Die ist teuer: Laut Andreas Kunzmann vom ZMT Bremen kostet allein die Inhaltsstoff-Analyse rund 50.000 Euro. Ohne Kooperation mit einem Lebensmittelhersteller ist das kaum zu stemmen. Rechtlich sind Quallen in Europa daher noch nicht als Lebensmittel zugelassen.

    Quallenprodukte kann man auch jetzt schon in Europa in Asia-Shops oder online kaufen – meist getrocknet, gesalzen und mit Alaun behandelt. Daher auf jeden Fall immer gründlich wässern und spülen, um Rückstände zu entfernen (oder dann vielleicht lieber doch nicht probieren.

    Auch das EU-Projekt“GoJelly” hat ein eigenes “European Jellyfisch Cookbook” veröffentlicht – mit Rezepten wie Tagliatelle mit Qualle und Tintenfisch oder frittierte Qualle „alla pizzaiola“. Wichtig: Nicht improvisieren, solange Quallen in Europa nicht offiziell zugelassen sind.

    Die britisch-taiwanesische Köchin Ching He Huang hat für die Deutsche Welle einen Quallensalat mit Huhn und Sesam-Dressing vorgestellt.

    Fazit: Quallen könnten ein überraschend nachhaltiges Lebensmittel der Zukunft sein: Kalorienarm, proteinreich, in rauen Mengen vorhanden – und potenziell entlastend für die Fischerei. Damit sie wirklich zum klimafreundlichen Lebensmittel werden, braucht es jedoch Forschung, Zulassungen, gute Zubereitungsmethoden – und vor allem: kulinarische Offenheit. Denn die wichtigste Frage bleibt am Ende: Schmeckt das?

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