Der Tegernsee: Paradies für Großinvestoren und Altherren-Träume? Zumindest wirkt es so, als würden sich hier einige ein Denkmal setzen, wenn man sich die Bauwut hier so ansieht: Hier das Seegut, dort das Severin’s, hier handgezeichnete Kohler-Träume, drüben in Tegernsee eine Almdorf-Vision, die noch händeringend ihren Investor sucht.
Ganz schön verzwickt; schließlich entscheiden die Baugenehmigungen von heute auch darüber, wie sich das Tegernseer Tal langfristig entwickeln wird. Gelt?! Vielleicht ja zu einem Exklusiv-Ressort für Reiche? Zu einem Sammelsurium an Gated-Communities für gestresste Großstädterinnen? Zu Luxus-Dörfern mit eigener Infrastruktur?
Shownotes
SZ 2024: Bad Wiessee: Deutschlands größtes Hotelprojekt entsteht am Tegernsee - Bayern - SZ.de
Architekten DTFLR: Seegut am Tegernsee
Architekten DTFLR | Auszeichnungen
Merkur 2025: Seegut am Tegernsee: Statt Wohnungen sollen mehr Hotelzimmer entstehen
Merkur 2023 : Bad Wiessees neue Schokoladenseite
Tegernseeerstimme 2022: Wiesseer Ortsteil "Strüngmann" wächst weiter - Tegernseerstimme
Julia und Laura sind sich da weder einig noch sicher. In der Folge 6 von Tisch&Tacheles widmen sich die beiden der größten Baustelle im Tegernseer Tal. Sie gilt als das größte deutschlandweite Bauprojekt, wenn man der Süddeutschen Zeitung glauben darf: Es geht um das Seegut in Bad Wiessee, auch Strüngmann-Areal genannt.
Auf über 38.000 Quadratmetern will hier eine hochmoderne und zugleich dörfliche Luxushotel-Infrastruktur entstehen – mit viel Nachhaltigkeitsblimblim dank Holzbau-Optik, thermischer Seewassernutzung und PV-Anlage auf dem Dach.
Altes Spielbank-Areal mit viel Schotter, jetzt wird hier das Seegut geplant. Quelle: Bayern-Atlas
Geplant und finanziert wird das Seegut von den milliardenschweren Pharma-Strüngmann-Zwillingen, die durch ihren Verkauf von Hexal und ihrem Geschick für Biontech-Aktien milliardenschwer(er) geworden sind.
Doch was bedeutet das Seegut für den Tegernsee und vor allem für Bad Wiessee? Entsteht hier ein Dorf im Dorf und eine weitere Ortsmitte? Das fragen sich die beiden und zeigen die Historie des ehemaligen Spielbank-Areals auf und auch das was viele längst unter den Tegernseer Seeton kehren wollten: Hier war ein Landschaftsschutzgebiet und alle hundert Jahre läuft hier der See g’scheid über. Doch Großbauträume können Grenzen, wie sie etwas das Baugesetzbuch eigentlich vorsieht, durchaus biegen. Stichworte: Hochwasserrisiko und Landschaftsschutz.
Großprojekt Seegut mit Fragezeichen
Das Seegut ist architektonisch und finanziell ein Gigant, an die 200 Millionen sollen hier reinfließen, offizielle Zahlen gibt es dazu nicht. Ein Luxushotel, aufgesplittet in 25 Einzelgebäude, die unterirdisch miteinander verbunden sind. Die Vision des Seeguts wirkt fast märchenhaft: ein Ort mit Spa, Gastronomie, Kultur und Landschaftsarchitektur. In der Mitte eine Kulturscheune für alle, daneben ein Biergarten.
Doch wie dörflich darf es werden, wenn hier vor allem die finanzstarke Oberschicht angesprochen werden soll?
38.000 m² – was bedeutet das eigentlich?
Um die Größe des Seegut-Projekts greifbar zu machen, vergleichen die beiden es mit Fußballfeldern und dem bekannten Severin’s Resort in Rottach-Egern: Das passt mehr als sechsmal in das neue Seegut-Areal – ein Vergleich, der das Ausmaß der Planung plastisch macht und auch zeigt, wie viel Strategie dahinter liegt, um so ein Areal aufzukaufen. Denn hier standen das Ledererhotel, das Haus des Gastes und einst eben auch die Spielbank, die jetzt im Norden an den Toren von Bad Wiessee zum Roulette einlädt.
Was auf den ersten Blick wie ein nachhaltiges Zukunftsmodell erscheint – Holzbauweise, Seethermie, begrünte Dächer – verdient einen zweiten Blick. Denn wie nachhaltig ist so ein Großbauprojekt, wenn das Alte gehen muss und das neue sich immer weiter und größer entwickelt?
Korrektur: Und da erkennt man, dass die beiden nicht regelmäßig auf dem Fußballfeld unterwegs sind; drei bis vier Fußballfelder haben auf dem Gelände Platz, nicht 38 wie es in der ersten Fassung des Podcasts heißt (9. Mai 2024 / 09:17 Uhr).
Nachhaltig oder Greenwashing?
Die Architekturbüros rund um Dietrich Untertrifaller setzen auf Nachhaltigkeit: Holz, Hybridbauweise, öffentlicher Zugang, Gastronomie, Kulturscheune. Das klingt toll und sieht vielversprechend aus, doch wie authentisch sind diese Versprechen, wenn dafür auch der Landschaftsschutz übergangen wird und das Hochwasserrisiko in Kauf genommen wird.
Risiko Versiegelung – Hochwasser, Landschaft, Lebensqualität
Besonders kritisch diskutieren die beiden die Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Wie stark wird die Fläche versiegelt? Was ist von den 3000 Quadratmeter-Versprechen im Umweltbericht zu halten? Welche Konsequenzen hat das in einem Gebiet, das bereits jetzt hochwassergefährdet ist.
Denkmal oder Investment?
Zum Schluss diskutieren die beiden noch: Was treibt Investoren wie die Strüngmanns an? Ist das Seegut ein Denkmal ihrer Vermögensgeschichte – und damit ein Beispiel, wie sich zunehmend Millionäre und Multimillionäre im Tegernseer Tal selbst verwirklichen? Oder ist es der klassische Versuch, in einem wankenden Markt Kapital clever anzulegen? Und was bedeutet es für Gemeinden, wenn Einzelne bestimmen, wie sich das Tal weiterentwickelt und dank ihrer Milliarden das Tal nach ihren Vorstellungen prägen?
Hier findet ihr noch das vollständige Transkript zu Sendung.
Disclaimer
Dieser Podcast ist eine Produktion von Alois.live. Alle Angaben, insbesondere zu Preisen, Öffnungszeiten oder Angeboten in der Gastronomie, sind ohne Gewähr und können sich jederzeit ändern. Wir bemühen uns um sorgfältige Recherche – übernehmen jedoch keine Haftung für die Richtigkeit oder Aktualität der genannten Informationen. Wir freuen uns deswegen narrisch über zeitnahe Hinweise, wenn wir Fehler machen und berichtigen sie zügig in der nächsten Folge oder hier auf der Webseite.