Vera Rosenbusch & Lutz Flörke präsentieren die ersten Minuten aus "Franz Müllers Drahtfrühling" von Kurt Schwitters.
Schwitters collagiert Alltagsjargon, Reklame, Trivialroman und Klassikerzitat zu eigenwilligen Sprachkunstwerken.
Wie auf Schwitters Bildern, wo er alte Fahrkarten, Bindfäden, den Deckel einer Konservendose … einmontiert, verwendet er auch hier Material, das andere weggeworfen haben, also Müll.
Deswegen heißt die Hauptfigur Franz Müll-er.
Eigentlich ganz einfach: Da steht ein Mann. Viel mehr ist nicht. Die zahlreichen Wiederholungen jedoch erzeugen die Frage, ob es wirklich bloß um diesen Mann geht.
Wörter und Sätze werden mit einer noch neuen, unbekannten Bedeutung aufgeladen, wenn man sie oft wiederholt. Dann kann man sich fragen: Was soll das?
Bei Schwitters wird die selbstverständliche Rezeption des Textes gestört. Das stellt den Sinn infrage. Der Text spielt mit mir, lockt mich, fordert mich, ärgert mich vielleicht ein bisschen - und am Ende kann ich lachen.
Ich kann aber auch erschrecken darüber, wie aggressiv das Publikum reagiert, wenn es etwas nicht versteht. Man stelle sich vor, der fremde Mann wäre ein modernes Kunstwerk. Oder ein Ausländer. Dann ist der Text plötzlich viel weniger harmlos, als er im ersten Moment erscheint.
Einen wesentlichen Teil ihrer Wirkung gewinnen Schwitters Texte erst, wenn sie gesprochen werden. Was beim Leiselesen dunkel und verwirrend erscheinen mag, wird beim Hören hell und klar.
Um Schwitters zu verstehen, muss man mindestens drei Gedanken auf einmal denken: einen klugen, einen dummen und einen zufälligen.
Aus unserem Bühnenprogramm "Anna Blume - Ich liebe Dir".