Ein Standpunkt von Kerstin Chavent, Elisa Gratias, Isabelle Krötsch.
Unsere Welt befindet sich in einem Prozess tiefgreifender Veränderungen. Eine ganze Zivilisation taumelt ihrem Ende entgegen. Noch scheint das Trennende, Ausbeutende und Zerstörerische die Oberhand zu behalten.
Noch mag es so aussehen, als hätten wir keine Überlebenschance gegenüber einer Maschinerie, die jedes Leben missachtet. In allen Bereichen wird versucht, das Lebendige zu manipulieren, zu kontrollieren, zu zerstören oder zu ersetzen. Die Spuren, die die Gier nach Macht und Geld hinterlassen, sind heute derart spürbar, dass auch bei den Optimistischsten die Hoffnung auf eine bessere Welt schwindet.
Ob in den Mainstream- oder den Enthüllungsplattformen der alternativen Medien — wir werden mit der Tatsache konfrontiert, dass es den Menschen vermutlich nicht mehr lange geben wird. Doch parallel zu den schlechten Nachrichten bildet sich ein neues Bewusstsein, das sich nicht in die Tiefe ziehen lässt, sondern das den zerstörerischen Kräften entgegenwirkt. Dieses Bewusstsein achtet das Lebendige und führt die Menschen wieder zusammen. In seinem Zentrum steht nicht die Angst, sondern die Liebe.
Es erfordert Mut, in Zeiten der allgemeinen Verwirrung und Verunsicherung, wie in Platons Gleichnis aus dem Dunkel der Höhle herauszutreten, um sich dem Licht der Sonne zuzuwenden. Jens Wernicke, der Herausgeber des Internetmagazins Rubikon hatte Mut, als er Anfang 2018 die Redaktion Aufwind ins Leben rief. Er wagte es, in seinem Online-Magazin mit hauptsächlich politischen Themen im Fokus ein Forum für psychologische, philosophische und spirituelle Themen zu schaffen.
Also mussten wir, die Verantwortlichen dieser Redaktion, den Mut entwickeln und nach echten Alternativen und Visionen suchen. Wir wollen weder Realitäten schönfärben noch uns in künstliche Paradiese flüchten. Wir wollen mithelfen, unsere Welt neu zu gestalten. Um Lösungsansätze zu finden, können wir nicht darauf warten, dass sich alles schon irgendwie wieder einrenken wird, wenn wir nur optimistisch genug sind und ökologisch angebauten Tee trinken. In der Epoche eines grundsätzlichen Wandels zu leben ist kein Sonntagsspaziergang. Denn um die gigantischen Probleme zu lösen, mit denen wir konfrontiert sind, gibt es nur eine Möglichkeit: mitten hineinzugehen.
Lag nicht der Ausgang aus Dantes Hölle genau in ihrer Mitte? Wir müssen in den dunklen Wald hineintreten, die tiefen Abgründe der Zerstörung ausleuchten. Wir müssen uns der ohnmächtigen Wut und der existenziellen Angst stellen, die die aktuelle Situation bei vielen von uns auslöst. Mit unseren Texten versuchen wir, noch einen Schritt weiter zu gehen, um Wege aufzuzeigen, die aus dem dunklen Tunnel herausführen. Für jede Art von Heilung ist es notwendig, sich zunächst mit dem Unbequemen, Unangenehmen, Angstmachenden zu konfrontieren. Schließlich können wir nichts hinter uns lassen, dessen wir uns nicht bewusst sind und das uns unterschwellig beeinflusst.
Doch wir wollen nicht in Empörung und Ohnmacht stecken bleiben und Angst und Verbitterung zu unseren Wegweisern machen. Denn genau diese vermeintliche Machtlosigkeit ist der Treibstoff für die Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrategien der jetzigen Welt. So haben wir beschlossen, unsere Wut in Mut zu verwandeln, um uns unserer selbst wieder zu ermächtigen. Wer die Welt verändern will, muss zunächst seine eigene Haltung ändern.
Das lehrten neben Gandhi alle großen politischen und spirituellen Anführer. Diese Erkenntnis ist das Herz der Mut-Texte. Die Überwindung der Ohnmacht setzt voraus, dass wir uns in unser eigenes Dickicht hineinwagen. Hier in unserem Inneren finden wir die Kraft, mit der wir das äußere Chaos überwinden können. Das ist leichter gesagt als getan. Denn es ist viel bequemer, den Grund für seine Probleme im Außen zu suchen und entsprechende Lösungen einzukaufen, als sich in seinem Inneren auf die Suche zu machen.