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CL072 Wo die Zukunft der Raumfahrt beginnt: Mit Analog-Astronautin Anika Mehlis


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Die Episode über Simulation in Armenien, Isolation in Israel und die Gefahren des Mars

In dieser Episode sprechen wir wieder mit der Analog-Astronautin Anika Mehlis über ihre Erfahrungen bei simulierten Mars-Missionen, das Leben in Isolation, die Herausforderungen des Kommandierens einer Crew und die Frage, wann Menschen tatsächlich zum Mars fliegen könnten. Zwei Jahre nach ihrem ersten Besuch kehrt Annika zurück, um von ihren neuesten Projekten, Experimenten und ihrem Buch zu erzählen.

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Analog-Astronautinnen und ihre Missionen

Die Analog-Astronautin Anika Mehlis war schon in Folge 16 zu Gast und erzählt uns heute, was in der Zwischenzeit alles passiert ist.

Nach ihrer ersten Mission in Israel leitete Anika als Kommandantin eine vierwöchige Mars-Simulation in Armenien, nahe der türkischen Grenze mit Blick auf den Ararat. Das Habitat befand sich im Hochgebirge und bot neue Herausforderungen – sowohl logistisch als auch psychologisch. Während der Mission kam es zu einem Zwischenfall: ein Unwetter beschädigte das Habitat, und Anika musste entscheiden, ob die Simulation weiter geführt werden kann oder nicht.
Ein wichtiger Aspekt der Analogszenarien ist die simulierte Zeitverzögerung von zehn Minuten zwischen Erde und Mars. Alle Nachrichten werden per Textchat oder E-Mail übermittelt – mit der entsprechenden Verzögerung. In Stresssituationen zeigt sich, wie schwierig Kommunikation wird, wenn schnelle Entscheidungen notwendig sind. Solche Simulationen helfen, Schwachstellen im Missionsablauf frühzeitig zu erkennen.

Das größte Analog-Experiment der Welt

Im Oktober fand der „World’s Biggest Analog“ statt – eine weltweite Mars-Simulation mit 16 Habitaten auf verschiedenen Kontinenten. Das Koordinationszentrum in Wien wurde vom Österreichischen Weltraumforum ÖWF geleitet, und Anika war die Leiterin der Mission. Von Wien aus wurden die Datenströme, Wettervorhersagen und Kommunikationskanäle koordiniert. Die Mission umfasste Habitate in Indien, Australien, Kenia, Europa, Brasilien und den USA. Jedes Habitat hatte unterschiedliche wissenschaftliche Schwerpunkte – von Ernährung über psychologische Experimente bis zu Raumanzug-Entwicklung und Strahlenschutz.

Die Bandbreite der Experimente war groß: Studien zur Gruppendynamik, zur Luftqualität, zur Gefühlsregulation und zur Ernährung mit Microgreens. Dazu kamen technische Tests, rechtliche Analysen und geologische Untersuchungen. Besonders spannend waren die Übungen zu Krisensituationen – etwa eine simulierte Krankheitswelle durch defekte Wasserfilter oder eine Strahlungswarnung infolge einer Sonnenaktivität. Dabei zeigte sich, wie wichtig präzise und strukturierte Kommunikation zwischen Teams unterschiedlicher Zeitzonen und Kulturen ist.

Psychologische Aspekte und das „Zurückkommen“

Nach der Rückkehr von einer Mission erlebt Anika oft einen emotionalen Umbruch. Nach Wochen in Isolation und straffer Struktur fällt die Rückkehr in den Alltag schwer. Sie beschreibt, dass dieses Gefühl vergleichbar ist mit einem leichten „Loch“, das viele nach intensiven Erlebnissen kennen. Wichtig sei es, sich dafür Zeit zu nehmen, die Erfahrungen zu verarbeiten und wieder in den Alltag zu finden. Inspiration findet sie unter anderem in Michael Collins’ Buch Carrying the Fire, das ähnliche Gefühle nach der Mondmission beschreibt.

Über das Österreichische Weltraum Forum

Das ÖWF arbeitet überwiegend ehrenamtlich, finanziert sich durch Förderungen, Industriepartnerschaften, Sponsoring und Bildungsprojekte. Ein Teil der Arbeiten erfolgt in Kooperation mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA, etwa bei der Entwicklung von Raumanzug-Textilien. Die Analog-Astronautinnen und -Astronauten werden intensiv trainiert – von Überlebenstraining über Geologie bis hin zum Andocken eines Sojus-Simulators an die ISS.

Erstmals seit 2018 sucht das ÖWF wieder neue Analog-Astronautinnen und -Astronauten. Bewerbungen sind bis 7. Dezember 2025 möglich. Voraussetzungen sind körperliche Fitness, Teamfähigkeit, eine Mindestgröße von 1,65 m und Alter unter 45 Jahren. Die Raumanzugsimulatoren wiegen rund 50 Kilogramm, was hohe physische Belastbarkeit erfordert.

Bewerbung und Infos: https://oewf.org/analog-astronauten-bewerbung

Von der Analog-Astronautin zur echten Raumfahrerin?

Anika berichtet auch von ihrer Teilnahme an der ESA-Astronautenauswahl, bei der sie es bis in die zweite Runde schaffte. Trotz intensiver Tests in Hamburg kam sie leider nicht in die Endrunde. Rückblickend sieht sie das gelassen: Ihre Arbeit als Analog-Astronautin, Autorin und Mutter von sechs Töchtern sei ohnehin eine ideale Kombination und ausgelastet genug.

Das Buch „Wo die Zukunft der Raumfahrt beginnt“

Annika Melis hat ihre Erfahrungen in einem Buch verarbeitet: “Wo die Zukunft der Raumfahrt beginnt”. Darin beschreibt sie den Auswahlprozess, das Training und ihre Erlebnisse während der Missionen. Das Buch ist persönlich, reflektiert und vermittelt wissenschaftliche Inhalte auf leicht verständliche Weise.

Strahlenschutz und Mars-Realität

Ein weiteres zentrales Forschungsthema ist der Strahlenschutz. In Zusammenarbeit mit der Firma StemRad testete Anika Schutzwesten gegen Gammastrahlung, die künftig auf Mond- und Marsmissionen eingesetzt werden könnten. Zusätzlich untersucht das ÖWF bauliche Schutzmaßnahmen wie Habitate im Hang oder unterirdische Strukturen. Auch Wasser könnte als Strahlenschutz dienen – ein Ansatz, der zugleich für Lebenserhaltungssysteme nutzbar wäre.

Auf die Frage, wann Menschen zum Mars fliegen werden, bleibt Anika vorsichtig optimistisch. Technisch sei es in etwa zwanzig Jahren möglich, sofern internationale Kooperation und politische Stabilität gegeben sind. Konkurrenz könne Fortschritt anspornen, aber gemeinsame Anstrengungen wären nachhaltiger. Als Wissenschaftlerin wünscht sie sich, diesen Schritt der Menschheit noch miterleben zu können.

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