Share Draussen mit Claussen: ein RefLab-Podcast
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By Johann Hinrich Claussen
The podcast currently has 102 episodes available.
Asyl und Migration sind die großen Erregungsthemen dieser Tage. Dafür gibt es Gründe. Die Verunsicherung ist groß. Sie wird aber auch geschürt. Verstörende Nachrichten, massive Bilder, verwirrende Debatten machen es einem nicht leicht, eine angemessene Haltung und Ausrichtung zu finden.
Was zu oft übersehen wird: Es gibt eine inzwischen gut etablierte Migrationsforschung, in der Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenarbeiten. Sie erhebt die Zahlen und Fakten, über die es zu sprechen gälte. Zudem erinnert sie an die normativen Grundlagen im deutschen, europäischen und internationalen Recht, die nicht leichtfertig geopfert werden dürfen. Schließlich arbeitet sie der Politik zu, berät und entwickelt eigene Programme, mit deren Hilfe Migration besser gesteuert und Integration möglich gemacht werden kann. Es würde in den aktuellen Diskussionen viel helfen, wenn mehr auf die Migrationsforschung gehört würde.
Petra Bendel (Universität Erlangen-Nürnberg) arbeitet seit vielen Jahren in der Migrationsforschung und hat viele Veränderungen begleitet: die Entstehung einer europäischen Migrationspolitik Ende der 1990er Jahre, den Flüchtlingssommer 2015, die Ankunft von Menschen aus der Ukraine 2022 und jetzt der scharfe Gegenwind von rechts. Seriös erklärt sie, worum es heute geht, was zu tun ist und was auf keinen Fall geschehen sollte – engagiert und sachlich. Wer mehr über ihre Forschungen lesen möchte, klicke hier. Interessant ist auch ein Projekt, bei dem sie mitgearbeitet hat: Mit Hilfe eines digitalen Tools sollen Migranten und Zielorte besser aufeinander abgestimmt, gut gematcht werden.
Die Zusammenarbeit mit den Kirchen ist Petra Bendel wichtig. Besonders die Bedeutung von Kirchengemeinden bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen hebt sie hervor. Sie empfiehlt auch die Lektüre einer Broschüre, die die katholische und evangelische Kirche in Deutschland 2021 veröffentlicht haben: «Migration menschenwürdig gestalten».
[Podcast Johann Hinrich Claussen]https://www.reflab.ch/category/podcasts/draussen_mit_claussen/)
Die Berliner Historikerin Dorothea Weltecke hat ein aufregendes Buch geschrieben, das viele Vorstellungen von dem umstürzt, was «das» Christentum, «das» Judentum oder «der» Islam sein sollen. Eine ihrer Thesen in «Die drei Ringe. Warum die Religionen erst im Mittelalter entstanden sind» (München 2024) lautet, dass die drei monotheistischen Religionen sich erst in einer langen gemeinsamen Geschichte mit- und gegeneinander entwickelt haben. Dabei lässt sich das, was sie verbunden und unterschieden hat, nicht mit einem heutigen Begriff von «Religion» fassen. Es ging in ihnen weniger um Glauben, Lehre und persönliche Überzeugung, als um ein gemeinsames Tun, rituelle Regeln und Gesetze, Treue zu einer Tradition. (Für viele religiöse Menschen außerhalb Europas ist das immer noch so.)
Das Mittelalter war viel bunter und diverser, als wir uns heute vorstellen. Wie gingen die Menschen damals mit der Tatsache um, dass andere Menschen anderen Traditionen folgten? Dazu erzählt Weltecke von den Reiseerlebnissen, die zwei christliche Mönche aus Uigurien, ein muslimischer Pilger und ein reisender Rabbi aus Regensburg im 12. und 13. Jahrhundert gemacht haben. Oder sie sammelt, sortiert und deutet die vielen und erstaunlich unterschiedlichen Varianten der berühmten «Ringparabel», die man sich früher in vielen Kulturen erzählt hat.
In diesem Buch geraten beliebte europäische Meinungen ins Wanken. Zum Beispiel die Vorstellung, dass erst die europäische Moderne die Toleranz erfunden habe und die Zeiten vorher nur von Religionshass und -gewalt geprägt gewesen seien. Oder das Klischee, dass es vor der europäischen Aufklärung keine Formen und Strategien des religiösen Zusammenlebens gegeben habe. Oder, dass Absolutheitsansprüche und Kontroverstheologien immer gewaltträchtig seien. Die Irritationen, die Welteckes Buch auslöst, sind gerade heute so wichtig, da die europäische Moderne immer mehr als ein Sonderweg erscheint, den weite Teile der Welt nicht nachvollziehen werden. Kann man vom Mittelalter etwas darüber lernen, wie verschiedene Religionen friedlich miteinander leben können?
[Podcast Johann Hinrich Claussen]https://www.reflab.ch/category/podcasts/draussen_mit_claussen/)
Welcher Text und welche Musik sind eigentlich heilig und dürfen nicht verändert werden? Die Initiative Critical Classics hat es vor kurzem gewagt und das Libretto von Mozarts „Zauberflöte“ verändert. Denn einige Stellen wirken heute diskriminierend, frauenfeindlich. Durften sie das – sollten sie es gar? Das hat ein ziemliches Medienecho ausgelöst. Manche stimmten zu, andere schimpften über Cancel Culture. Nun wendet sich diese Initiative einem der wichtigsten Werke der geistlichen Musik zu: der Johannespassion von Johann Sebastian Bach. Sollen nun die Verse, die als judenfeindlich angesehen werden, ersetzt werden?
Schon seit vielen Jahren wird in der evangelischen Theologie und Kirchenmusik kritisch über Teile von Bachs Johannespassion diskutiert. Sie wirken nicht erst nach der Shoa judenfeindlich. Wie kann man das heute noch singen und spielen? Viel ist versucht worden an Bildungsarbeit in Gesprächen vor den Aufführungen, in Texten in Programmheften. Aber reicht das? Die Initiative Critical Classics möchte einen Schritt weiter gehen und Vorschläge machen, wie man einige Passagen diskriminierungsfrei gestalten könnte.
Aber würde dabei nicht Wesentliches verloren gehen? Wer heute Bachs Johannespassion singt oder hört, denkt unseren historischen (und theologischen) Abstand zu ihr immer mit oder sollte es tun. Das reizt zum Nachdenken, ohne den es den musikalischen Genuss und die geistliche Erbauung nicht geben kann. Doch wie soll man sich auseinandersetzen, wenn das Anstößige ausgeschieden worden ist?
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Mit kaum etwas anderem lassen sich Gemüter so verlässlich in Wallung bringen wie mit ungewohnten Verbindungen von Religiösem und Geschlechtlichem. So war es zuletzt wieder nach der Eröffnungsshow der Olympischen Spiele in Paris zu erleben: Rechtskatholiken wollten da einen Drag Queen-Christus erkannt haben. Bei der folgenden, unnötigen Debatte zeigte sich erneut, wie wenig die selbsterklärten Verteidiger des christlichen Abendlandes von ihrer eigenen Tradition wissen.
Allerdings würde auch ihren aktivistischen Kontrahenten mehr historische Bildung gut tun. Denn wer einen schwulen Jesus malt, wie zur diesjährigen Semana Santa in Sevilla, oder in einer Predigt «Gott ist queer» ausruft, wie beim letzten Kirchentag, ist weniger innovativ, als er meint, sondern ein spätes Glied einer langen und verwickelten Traditionskette.
Wie gut, dass Anselm Schubert, evangelischer Kirchenhistoriker in Erlangen, in seinem neuen Buch mit dem schönen Titel «Christus (m/w/d)» nun für Aufklärung sorgt. Gelehrt, gelassen und gut lesbar führt er die höchst unterschiedlichen Geschlechterkonzepte aus Antike, Mittelalter, früher Neuzeit und Moderne vor, mit denen Gläubige sich ein Bild ihres Christus gemacht haben. So kurios viele seiner Funde anmuten, bemüht er sich doch stets um eine faire Deutung.
In den vergangenen Jahrzehnten brachten der feministische und danach der genderpolitische Einspruch gegen die Männlichkeit Christi erheblich Umwälzungen. Aus ihnen folgten Versuche, das Christusbild zu feminisieren oder zu «queeren». Schubert erkennt darin neue Gestalten einer imaginativen Geschlechtertheologie, die eine lange Vorgeschichte hat.
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In dieser Folge geht es um ein riesiges Thema. Zum Glück habe ich meine liebe Kollegin Johanna Di Blasi dazu eingeladen, die sich hier richtig auskennt. Wir beiden beschäftigen uns seit einiger Zeit, ganz unabgesprochen und von verschiedenen Seiten, mit den Themen Kolonialismus, Postkolonialismus, Geschichte der christlichen Mission. Das ist ein weites, umkämpftes, aber auch sehr interessantes Feld.
Viel ist in den vergangenen Jahren in Bewegung geraten. Will man sich annähern, hilft es, sich mit einem exemplarischen Beispiel von Aufarbeitung der Kolonialgeschichte genauer zu beschäftigen: den Rückgaben von Raubgut.
Am Beispiel der Rückgabe von «human remains» oder «ancestral remains» von Deutschland nach Namibia aber zeigt sich, wie kompliziert es werden kann. Denn anders als verabredet, wurden diese Gebeine nicht beigesetzt. Die unterschiedlichen Gruppen in Namibia konnten sich nämlich nicht darüber verständigen, wo und wie dies geschehen sollte.
Hier, wie auch bei drei anderen Rückgaben an Namibia, zeigte sich, dass eine Restitution allein die Schuld- und Konfliktgeschichte keineswegs beendet, sondern im «Empfängerland» alte Konflikte neu wachrufen kann.
Aber es gibt auch gelungene Beispiele von Restitutionen. Neue Begegnungen werden möglich und münden in echte Partnerschaften. Neue Modelle der Besitzübertragung oder des geteilten Besitzes werden ausprobiert.
Für die ethnologischen Museen in Deutschland und ausserhalb ist das eine große Chance, ebenso für die kleineren und doch sehr interessanten Missionsmuseen. Denn die Aufarbeitung des Kolonialismus ist auch eine wichtige Aufgabe für die europäische Christenheit heute. War ihre Mission doch immer auch mit der militärischen und wirtschaftlichen Dominanz Europas verbunden.
Die Köpfe der Ahnen RefLab-Artikel
Das Humboldt-Lab Buch
Es heißt, dass das Gefängnis ein Spiegel der Gesellschaft sei. Nur, wie kann man in einen Spiegel schauen, wenn man sich nicht vor ihn stellt? Deshalb habe ich einen alten Bekannten aus Vikarszeiten in der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel besucht. Friedrich Kleine arbeitet dort als evangelischer Gefängnisseelsorger. Anschaulich erzählt er mir von seinem besonderen Arbeitsalltag. Wie er morgens in sein Büro geht und die Anträge von Häftlingen durchgeht, die mit ihm sprechen möchten, und sich dann auf den Weg durch die große, geschlossene Anlage macht. Er hat es mit sogenannten Langstrafigen zu tun, die mehr als vier Jahre einsitzen müssen, manchmal bis zu lebenslang. Was wollen sie von ihm, und was kann er für sie tun? Gefängnisseelsorger haben einen Vorteil: Sie sind zwar Teil der Gefängniswelt, besitzen aber auch eine pastorale Unabhängigkeit. Was Häftlingen oder Bedienstete ihnen sagen, bleibt bei ihnen.
In unserem Gespräch räumt Kleine mit so einigen Klischees auf, die ich mitgebracht hatte. Z.B. dass es im Gefängnis besonders gewalttätig zuginge. Das Hauptproblem seien die Langeweile, die ewig gleichen Routinen, das Abstumpfen und die Vereinsamung. Engagiert spricht Kleine sich dafür aus, an den Prinzipien des humanen Strafvollzugs und der Resozialisierung festzuhalten. Einzelne Sicherheitsverstöße (z.B. geflohene Freigänger) – und deren mediale Skandalisierung – führten zu schnell dazu, dass sinnvolle Lockerungen plötzlich eingeschränkt würden.
Ein Schwerpunkt unseres Gesprächs war die Frage, was Seelsorge an Tätern sein kann. Sollte die Kirche sich nicht ausschließlich um die Opfer von Gewalt und Kriminalität kümmern? Wie kann man mit Tätern seelsorgerlich arbeiten, wenn diese sich gar nicht als Täter verstehen, weil sie ihre Schuld noch nicht angenommen haben? Im Laufe unseres Gesprächs darüber ging mir auf, dass diese Fragen, die im Gefängnis natürlich eine besondere Schärfe haben, mir auch draußen, in meiner vermeintlich normalen seelsorgerlichen Arbeit begegnen können. Das Gefängnis ist zwar eine Sonderwelt, aber eben auch ein Spiegel unserer Gesellschaft.
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Vielleicht gibt es doch mehr Religion hierzulande, als man gemeinhin annimmt. Man müsste sich nur neugieriger und unbefangener umsehen. Dann würde man feststellen, dass erstaunlich viele Menschen gern in Kirchen gehen, um eine Kerze zu entzünden. Oder kleine Bronzeengel verschenken. Oder sich sorgfältig auf Weihnachten vorbereiten. Oder heimlich beten. Oder regelmäßig Konzerte geistlicher Musik besuchen. Oder pilgern. Oder fasten. Oder oder oder.
Solche unscheinbaren Formen spätmodern-christlicher Frömmigkeit hat der Praktische Theologe Kristian Fechtner von der Universität Mainz erkundet, ergründet und ein schönes Buch darüber geschrieben («Mild religiös», 2023). Und zwar mit Sympathie. Denn er hält viel von diesen Gestalten eines milden Christentums, die bei Gelegenheit aufleben, dabei aber stets etwas mit dem Leben der Menschen zu tun haben, die sie pflegen. Damit stellt er sich gegen eine alte und immer noch mächtige theologische Tendenz, die den Glauben vor allem normativ begreift – von der dogmatischen Lehre oder der kirchlichen Institution her. Nach ihr ist die Frömmigkeit, die «die Leute» selbständig gestalten, nie gut genug.
Fechtner geht menschenfreundlicher, entspannter und konstruktiver mit der Gretchenfrage um und kommt zu positiveren Ergebnissen. «Wie hältst du’s mit der Religion – der Menschen heute?» Da gibt es mehr, was sich wertschätzen und wohlwollend bedenken lässt. Dass es leise, unaufdringlich, leicht zu übersehen, nicht medientauglich ist, spricht nicht dagegen, sondern dafür. Denn diese Frömmigkeit hat ihren Sinn nicht darin, sich über andere zu erheben oder von anderen abzugrenzen, sondern dem eigenen Leben (und dem der Nächsten) zu dienen.
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In Deutschland hat ein «Kirchenmanifest» für Aufsehen gesorgt. Es will eine öffentliche Debatte um die Zukunft kirchlicher Gebäude anstoßen – die nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Schweiz nötig ist. Noch gibt es einen einzigartigen Reichtum an alten und modernen Kirchbauten. Bislang wurde er von den evangelischen und katholischen Kirchenmitgliedern mit ihren Kirchensteuern finanziert (wobei natürlich der staatliche und der zivilgesellschaftliche Denkmalschutz viel mitgeholfen haben). Aber mit dem demographischen Wandel, der nachlassenden Kirchenbindung und der abnehmenden Bereitschaft, Kirchensteuern zu zahlen, wird dies so nicht weitergehen. Viele Kirchengemeinden sind genötigt, sich zu überlegen, welche Finanzmittel sie für welche Gebäude einsetzen. Das führt zu harten Entscheidungen: Sakralbauten werden anders- oder neugenutzt, ab- und aufgegeben oder abgerissen.
Hier setzt das «Kirchenmanifest» ein. Es zeigt, dass die Zukunft der Kirchbauten die ganze Gesellschaft angeht. Denn Kirchen sind nie nur Kirchen. Sie sind Kulturorte, in der regionale, nationale und europäische Traditionen aufbewahrt sind. Sie sind Gedächtnisorte, an denen ein Gemeinwesen seiner Geschichte gedenkt. Sie sind Versammlungsorte, an denen auch nicht-kirchliche Nachbarn ein eminentes Interesse haben sollten. Deshalb ruft das «Kirchenmanifest» alle Bürgerinnen und Bürger sowie die politisch Verantwortlichen auf, sich dieser kulturellen und sozialen Zukunftsaufgabe zu stellen. Wer dieses Anliegen unterstützen möchte, kann die Online-Petition unterzeichnen. Bisher stehen dort schon über 17.000 Namen. Einen praktischen Vorschlag gibt es auch: Kirchbauten, die nicht mehr benötigt würden, sollten in eine Stiftung (oder mehrere) überführt werden.
Eine Diskussion mit einer Initiatorin des «Kirchenmanifests», der Kunsthistorikerin und Theologin Karin Berkemann.
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Das Leben und Leiden der Menschen in Israel wie in Gaza und dem Westjordanland geht uns in Europa an. Leider stehen Sachkenntnis und Meinungsfreude selten in einem angemessenen Verhältnis. Vor allem kommt es zu vielen sprachlichen Entgleisungen und diskursiven Verhetzungen.
Der renommierte Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar hat nun ein Buch veröffentlicht, das für dringend benötigte Orientierung sorgt („Israel: Hamas – Gaza – Palästina. Über einen scheinbar unlösbaren Konflikt“, Europäische Verlagsanstalt). In nur drei Wochen hat er es geschrieben, aber es ist alles andere als ein publizistischer Schnellschuss.
Was Kraushaars Buch so wertvoll macht – neben einer klaren geschichtlichen Orientierung – ist, dass er einen der aktuellen Kampfbegriffe nach dem anderen untersucht. „Genozid“ – „Apartheid“ – „Kolonialismus“ – „Terroristen“ – „Islamismus“. Mit größtmöglicher Sachlichkeit, und dabei sehr um Fairness bemüht, legt Kraushaar offen, was an diesen Schlagworten dran ist – oder eben auch nicht. Oft genug dienen nämlich die geschichtlichen Gleichsetzungen (nicht Vergleiche) nicht dem Verstehen und der Verständigung, sondern der rhetorischen Erledigung des jeweiligen Feindes.
Buch W. Kraushaar
Podcast Johann Hinrich Claussen
Er galt als der fünfte Evangelist des deutschen Protestantismus und ist doch längst ein universaler Komponist. Die Musik von Bach fasziniert heute Menschen in allen Teilen der Erde – egal, ob und wie sie religiös geprägt sind. Ein Beispiel dafür ist die aus der Türkei stammende und heute in Deutschland lebende Pianistin Serra Tavsanli. Schon als Kind begegnete sie in Istanbul Bachs Musik – dies sollte ihrem Leben eine unvorhergesehene Richtung geben. Ein Gespräch über die grenzüberschreitende Kraft geistlicher Musik.
Als sie fünf Jahre alt war, schenkten ihr die (armenischen) Nachbarn ein Klavier, und ihre westlich eingestellten Eltern förderten sie bei ihren ersten Schritten in die klassische Musik. Eine Welt öffnete sich. Von entscheidendem Einfluss war Johann Sebastian Bach und ist es bis heute geblieben. Als Serra Tavsanli mit 19 Jahren an die Musikhochschule Hannover kam, lernte sie das weite Repertoire klassischer Klaviermusik kennen, aber Bach blieb für sie die Leitfigur. Inzwischen hat sie ihm drei Alben gewidmet. Das neue trägt den Titel «Inner Spaces». Denn es sind innere Räume, die seine Musik ihr geöffnet hat. So regelgeleitet seine Kompositionen erscheinen mögen, lassen sie der Interpretin doch sehr viel Freiheit, aus ihr etwas unverwechselbar Eigenes zu machen.
Vielleicht ist dies das Geheimnis seiner weltweiten Wirkung. Denn so sehr Bach selbst Teil einer bestimmten, nationalen und konfessionellen Geschichte – eben des deutschen Protestantismus des 18. Jahrhunderts – gewesen war, ist er längst ein Welt-Komponist, der heute in Japan, Malaysia, Südafrika oder Südamerika Menschen verzaubert und dazu bringt, seine Werke aufzuführen. Das liegt sicherlich an der unsterblichen Qualität seiner Musik, aber auch an der Freiheit, die sie eröffnet. Das gilt auch für ihren religiösen Gehalt. Bachs geistliche Musik ist nicht auf den engen Bereich eines alten Luthertums beschränkt, sondern kann heute auch Menschen mit ganz anderen religiösen Prägungen. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist Serra Tavsanli.
Draussen mit Claussen
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