Wir befinden uns im Jahr 1932. Die Bier- und Milchstadt Milwaukee, eine sehr deutsche Mischung, leidet unter dem strikten Alkoholverbot, dass man nur mit regester Schmuggeltätigkeit über Kanada umgehen kann. Doch Schmuggel ist ein hartes und gefährliches Geschäft.
Typisch Thomas Pynchon
Das muss auch der kleinkriminelle Stuffy Keegan erfahren, der beinahe einem Bombenattentat zum Opfer gefallen wäre. Also besser abtauchen – aber wie, das ist typisch Thomas Pynchon. Er flüchtet nämlich in einem U-Boot, das in den Großen Seen kreist und auftaucht, eigentlich zum Armeebestand der österreichisch-ungarischen k. und k. Monarchie gehörte und nach dem ersten Weltkrieg hätte verschrottet werden müssen.
Der Held, der Detektiv Hicks McTaggart, versucht, der Geschichte auf den Grund zu gehen, erhält aber dann den sehr viel lukrativeren Auftrag, die Tochter des Käsebarons Bruno Airmont aufzutreiben, die mit dem Klarinettisten einer Swingband durchgebrannt ist.
Hört sich wild an, ist aber erst der Anfang. McTaggart findet sich auf einem Schiff wieder, betäubt wie er war, hat er keine Ahnung, wie, und landet in einem aufgeregten, hysterischen Europa Anfang der 1930 Jahre, in denen der Faschismus sein Haupt erhebt und die verschiedensten Gemeindienste der diversen Mittelmächte unseren Helden mal überwachen, ihn zu manipulieren suchen, wenn nichts Schlimmeres, unterstützt von Paraphysikern und Moto Guzzi-fahrenden Agentinnen.
Eine Spionage- und Detektivgeschichte
Kurz: Thomas Pynchon erzählt eine Spionage- und Detektivgeschichte. Wir haben es mit Genreliteratur zu tun - im Augenblick ihrer Explosion. Und wenn man McTaggart mit seiner Geliebten April sprechen hört, dann klingt es manchmal so, als würden Lauren Bacall und Humphrey Bogart sich verliebte Sticheleien zuwerfen.
„Du Mistkerl.“
„Ach komm, ist doch bloß ein Song.“
„Du bist in Schwierigkeiten, Hicks.“
„Solange ich sie nur bei dir habe, mein Engel“
„Bist in großen Schwierigkeiten und weißt es nicht mal.“
„Das musst gerade du sagen.“
„Salonlöwen und Ehemänner auf Abwegen, Zuckerbär – vergiß sie, dieses Mal ist es ernst.“
„Zur ersten großen Lektion des Lebens: Geld redet, kommt jetzt die zweite: Liebespartner gehen fremd.“
Quelle: Thomas Pynchon – Schattennummer
Hat das denn alles einen Sinn?
Das klingt manchmal klischeehaft, aber die Protagonisten bei Thomas Pynchon hatten immer schon etwas Comic-haftes. Das hat nie verhindert, dass er die große Weltpolitik, die vielen kleinen persönliche Geschichten und die lapidare Existenzfrage: Hat das denn alles einen Sinn?, sehr lässig unter einen erzählerischen Hut brachte.
Seine Helden sind Typen auf einem Schachbrett, dessen Ausmaße im Verlauf des Erzählens immer größer zu werden scheinen, bis das Brett am Ende selbst verschwindet. Unübersichtlichkeit ist seine erzählerische Methode, in jedem Augenblick können die Regeln geändert werden, in jedem Moment ist alles möglich, das nennt man Entropie.
Kurz: lose Ende sind erwünscht. Und es ist nicht einmal sicher, ob der Autor sie noch zusammenhält. Oder wir, die Leser selbst zu paranoiden Sinnsuchern werden wie die vielen Helden der Pynchon-Romane.
Ein Muss für Pynchon-Fans
Der neue Pynchon – ein Muss für Fans. Aber denen muss man das nicht sagen, für Anfänger wäre vielleicht der Roman „Vineland“ aus dem Jahr 1990 etwas passender. Auf ihm beruht der neue Film von Thomas Paul Anderson „One Battle after another“ mit Leonardo di Caprio in der männlichen Hauptrolle, der gerade in den Kinos läuft.